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  3. Experte Götz Eisenberg: "Ich fürchte, es wird mehr Amokläufe geben"

Experte Götz Eisenberg
12.03.2009

"Ich fürchte, es wird mehr Amokläufe geben"

Amok Winnenden Einschuss
2 Bilder
Amok Winnenden Einschuss
Foto: dpa

Weitere Amokläufe befürchtet der Gefängnispsychologe Götz Eisenberg. Er ist Autor des Buchs "Amok - Kinder der Kälte". Niko Steeb sprach mit ihm.

Götz Eisenberg (geboren 1951) ist Gefängnispsychologe im Erwachsenenstrafvollzugder Justizvollzugsanstalt Butzbach. Er hat das Buch "Amok - Kinder der Kälte" geschrieben. Niko Steeb sprach mit ihm über den Amoklauf von Winnenden.

Wie fügt sich der Amoklauf von Winnenden in ihre Beobachtungen?

Eisenberg: Ich sehe Parallelen zu Erfurt. Dort wie jetzt in Winnenden sind ehemalige Schüler an ihre Schule zurückgekehrt, die offensichtlich das Epizentrum ihrer Kränkungen gewesen ist. Ähnlichkeiten gibt es auch mit dem Fallin Bad Reichenhall von November 1999. Auch Martin P. griff auf das Waffenarsenal seines Vaters zu, der Mitglied in einem Schützenverein war. Insgesamt fügt sich der Amoklauf von Winnenden nahtlos in dieKette von Schulschießerein seit Littleton 1999 ein. Seitdem istweltweit ein starker Zuwachs von Amokläufen an Schulen undUniversitäten festzustellen. Traurigerweise liegt Deutschland bei derAnzahl der Schulschießereien auf Platz zwei hinter Amerika.

Woran liegt das?

Eisenberg: Einbedeutsamer Faktor ist meiner Ansicht nach, dass die Leistungskonkurrenz an Schulen stark zugenommen hat. Gleichzeitigsteigt seit Jahren die Aggressivität unter Schülern. Mobbing, Kränkungen und seelische Verletzungen haben offensichtlich auferschreckende Weise zugenommen.

Gab es Mobbing und Ausgrenzung von Schülern nicht schon immer in diesem Maße?

Eisenberg: Nein, so über Schwächere herzuziehen, das gab es früher nicht. Da wären andereSchüler oder Lehrer eingeschritten und hätten es verhindert. DerLeistungsdruck war zu meiner Schulzeit längst nicht so hoch unddeswegen war das Bedürfnis nach Sündenböcken nicht so entwickelt. Doch es gibt noch einen zweiten Aspekt neben der zunehmenden Kränkung vonEinzelnen: die nachlassende Fähigkeit damit umzugehen. Die Fähigkeit, Kränkungen zu bewältigen, wird heute nicht mehr in einem ausreichendenMaße erworben. Die Anzahl der Demütigungen und die Kränkungs-Empfindlichkeit der Opfer nehmen gleichermaßen zu. Dazukommt, dass verinnerlichte Aggressions-Hemmungen heute wegfallen. Früher hätten wir niemals gewagt, gegen einen Lehrer aggressivvorzugehen, sei es nun verbal oder gar tätlich. Das war stark mitÄngsten besetzt und die Art und Weise, wie heute mitunter gegen Lehrerund sogar die eigenen Eltern vorgegangen wird, war in meiner Schulzeit so nicht vorstellbar.

Rechnen Sie mit einer steigenden Zahl solcher Amokläufe?

Eisenberg: Ich hoffe,es bleibt auf dem jetzigen Niveau, aber ich fürchte, dass die Tendenzeher steigen wird. Der Nährboden ist gut gedüngt. Dabei muss manbeachten, dass es in allen Altersgruppen einen Zuwachs von amokartigen Attacken gibt. Wir erleben Amoktaten am ehemaligen Arbeitsplatz, ja sogar bei Rentnern. Amokläufe entstehen durch soziale Desintegration,Vereinsamung, den Verlust des Arbeitsplatzes und besonders durch denVerlust damit verbundener Anerkennung. Je mehr Menschen unter Anerkennungsdefiziten leiden, desto größer ist die Versuchung, sich als Negativ-Held oder Bösewicht Anerkennung zu verschaffen. Besser negativeAnerkennung als gar keine.

Der Täter hat hauptsächlich Frauen niedergeschossen und meist ins Gesicht. Worauf lässt das schließen?

Eisenberg: Schüsse auf den Kopf verweisen auf ein Training im Computer-Spielebereich. DieseTendenz stellen Experten auch in den USA fest. Schüler, die vorher exzessiv an Mordsimulationsspielen geübt haben, haben eine enorm hoheTrefferquote und zielen auf den Kopf, weil die Spiele dies so verlangen.
Eine Antwort auf die Frage, warum unter den Opfern die Frauenüberwiegen, wäre zum jetzigen Zeitpunkt pure Spekulation. Es könnteHass auf Frauen dahinter stecken oder Zufall sein. Es gab einen Schulamoklauf in Jonesboro/USA, wo es ausschließlich weibliche Opfer gab.

Ist es ungewöhnlich oder sogar typisch, dass der Täter aus wohlhabenden Verhältnissen kommt?

Eisenberg: Auch hiergibt es Parallelen zwischen Winnenden und Erfurt. Es gibt einespezifische Mittelschichtsverwahrlosung. Nach außen können solcheFamilien vollkommen intakt wirken, innen jedoch eine einzige Szenerie von Kälte sein. Kindern aus solchen Familien, wie zum Beispiel Tim K.,fehlt es an nichts, wie man so sagt. Sie verfügen über relativ vielGeld, sie haben alles, kriegen alles, aber dennoch scheint es ihnen am Wichtigsten zu fehlen: an Zuwendung und elterlicher Aufmerksamkeit. Nur auf dieser Basis kann sich ein stabiles Selbstwertgefühl ausbilden. Werdies besitzt, kann es mit Kränkungen und Zurückweisungen aufnehmen.
Amokläufe kommen schwerpunktmäßig in Regionen vor, die kleinstädtisch,ja ländlich geprägt sind - in so genannten Idyllen, die oft dicht am Grauen angesiedelt sind - und eben nicht in sozialen Brennpunkten oder Ghettos. Da gibt es einen höheren Level an alltäglicher Gewalt undScharmützeln, der offensichtlich dazu beiträgt, solche Supergaus zu verhindern. Das Aggressionstabu steigt in der Mitte der Gesellschaft. Es wird immer sensibler auf körperliche Auseinandersetzungen reagiert. Wenn es dann doch zum Ausbruch von Gewalt kommt, dann nimmt es leichterkatastrophale Ausmaße an.

Was halten sie von schärferen Gesetzen, Waffen-Verboten oder Computer-Spiel-Verboten?

Eisenberg: Ich fragemich, ob es sein muss, dass eine Gesellschaft solche grausamen Spielezulassen muss. Den Einfluss der Spiele würde ich aber nichtüberschätzen. Die Choreographie der Amokläufe scheint dennoch durchdiese Spielen inspiriert zu sein: Schwarze Kampfanzüge, Maskierung, die Art der Bewegung durch das Gebäude und das Durchsuchen der Räumeerinnern fatal an die Abläufe in Baller-Spielen. In Erfurt, Emsdetten und Winnenden scheint die Choreographie daran wesentlich angelehnt. Esgeht durch die Maskierung eine merkwürdige Verwandlung in und mit denTätern vor sich, die aus einem normalen Tim K. und Robert S. erst dieseAmokläufer entstehen lässt. Die Verwandlung scheint die Voraussetzung für die Gewaltanwendung zu sein. Bei Robert Steinhäuser in Erfurtendete der Amoklauf bezeichnenderweise in dem Moment, als der LehrerHeise ihn demaskierte und bei seinem Namen nannte: "Ach, Du bist es Robert." Die Metamorphose wurde aufgehoben, der Amoklauf implodierte und Steinhäuser brachte sich um. Die Hauptproblematik der Spielereischeint mir aber woanders zu liegen. Wenn sich im realen LebenNiederlage an Niederlage reiht oder man es zumindest so empfindet, dannkann man sich in der virtuellen Parallelwelt schadlos halten undimaginäre Triumphe feiern. Diese Kluft zwischen realer und virtuellerWelt ist eine enorme Gefahrenquelle.

Warum stellen Amokläufe ihrer Meinung nach "Kollateralschäden der Modernisierung" dar?

Eisenberg: Das sind "Kollateralschäden" einer bestimmten Form von Modernisierung, die miteiner Ausbreitung von Konkurrenz, Gleichgültigkeit undzwischenmenschlicher Feindseligkeit einher geht.

Sie schrieben in einem Aufsatz, dass die Gesellschaft in Gestalt derAmokläufer die Kinder bekommt, die sie verdient und die ihremunwirtlichen Schoß entspringen. Wie meinen Sie das?

Eisenberg: Das istmeine These von den "Kindern der Kälte". Die politischen und medialen Interpretationen von solchen Amoktaten neigen dazu, die Täter zu vermonstern und sie zu betrachten, als kämen sie von einem anderenStern. Damit drücken wir uns vor der unangenehmen Wahrheit, dass dieAmokläufer Produkte dieser Gesellschaft sind, eben unsere Kinder. Siehalten uns den Spiegel vor, in dem wir uns erkennen könnten, wenn wirdazu bereit wären.
Jede gesellschaftliche Entwicklungsstufe bringt die ihr gemäße Form des Verbrechens hervor. Der Amoklauf scheint mirdas dem globalen Zeitalter entsprechende Verbrechen zu sein. Er ist dasProdukt der fortschreitenden Anonymisierung und Entfremdung. Ein indifferenter Mensch löscht andere ebenso indifferente Wesen aus. Der frei flottierende Hass ist das Produkt der fortschreitenden psycho-sozialen Entleerung.
In den öffentlichen Debatten werden mit Vorliebe Ursachen benannt, die in einem Bereich liegen, den man kurzfristig verändern kann. Manverhält sich wie ein Betrunkener, der seinen verloren gegangenenSchlüssel im Schein der Laterne sucht und nicht da, wo er ihn verloren hat. Um die verunsicherten Bürger bei der Stange zu halten, sollschnell politische Handlungsfähigkeit demonstriert werden. Die Ursachenliegen jedoch viel tiefer und entziehen sich solch kurzfristigen Lösungsvorschlägen.

Was sollte man stattdessen tun?

Eisenberg: Langfristigwirksam wäre nur eine tiefgreifende Form sozialer Prävention, die dem Amoklauf den Nährboden entzieht. Die Schulen zum Beispiel müssten aus Lernfabriken zu geschützten und schützenden Räumen werden, in denen in einem Klima des Vertrauens und in Näheverhältnissen zwischen Schülern und Lehrern gelernt und gelebt werden kann. Lehrer sollten ihre Schülerkennen und wissen, was in ihnen und mit ihnen vor sich geht. In demMaße, wie Schulen sich als effiziente Zulieferbetriebe für Industrie und Markt begreifen, werden sie verschärft zu Orten der Konkurrenz, derSelektion und damit auch der Kränkung. Da gleichzeitig bei denHeranwachsenden die Fähigkeit zur angemessenen Kränkungsverarbeitung immer weniger vorhanden ist, entsteht hier jede Menge schulischerSprengstoff.

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