Kommentar: Wenn es konkret wird, kneifen die G7
Ökonomisch sind die großen Industrienationen eine Macht. Politisch ist ihr Einfluss überschaubar. Warum die Bilanz von Elmau so mager ausfällt.
Irgendwann gehört sie zum Inventar. Von den Staats- und Regierungschefs der wichtigsten Industrieländer halten sich nur wenige so lange im Amt, dass sie gleich zweimal einen der jährlichen Gipfel ausrichten dürfen. Angela Merkel dagegen hat ihre Rolle als Gastgeberin in Elmau mit einer solchen Präsenz und Selbstverständlichkeit ausgefüllt, dass es auch keine Überraschung mehr wäre, wenn sie die großen Sieben noch ein drittes Mal in Deutschland begrüßt. Acht Jahre nach der Premiere von Heiligendamm schwebt die Kanzlerin mit einer Lässigkeit über den Niederungen der Tagespolitik, dass ihre Gegner zu Hause allmählich verzweifeln. Ihre Bühne ist nicht Berlin, sondern die Welt.
In der Sache war das Treffen in den Bergen von begrenztem Nährwert – und das liegt keineswegs nur daran, dass der russische Präsident Wladimir Putin bis auf Weiteres aus dem exklusiven Klub ausgeschlossen bleibt. Die Vereinigten Staaten, Deutschland, Japan, Frankreich, Kanada, Italien und Großbritannien repräsentieren zwar ein Drittel der weltweiten Wirtschaftsleistung, aus dieser ökonomischen Stärke aber leitet sich nicht automatisch das entsprechende politische Gewicht ab. Das Morden und Foltern des Islamischen Staates können auch die G7-Länder nicht stoppen, der Konflikt in der Ukraine wird ohne Russland nicht zu lösen sein, und in der Griechenland-Krise liegt der Ball noch immer im Spielfeld von Alexis Tsipras. So mussten es die großen Sieben in Elmau, wieder einmal, bei einem Dreiklang der Unverbindlichkeit belassen. Ermahnen, appellieren, bekräftigen.
Bekenntnis zum Treibhausgas-Abbau: nur ein kleiner Schritt
Immerhin sind sie sich inzwischen einig, dass die Probleme der Ukraine nicht mit militärischen Mitteln zu lösen sind. Waffenlieferungen im größeren Stil, denen die USA und Kanada lange das Wort geredet haben, sind nach Elmau kein Thema mehr. Der Rest ist ein diffuses Konglomerat aus Absichtserklärungen, politischen Wunschvorstellungen und den üblichen diplomatischen Phrasen.
Höhere soziale und ökologische Standards etwa, mit denen die Siebenergruppe das Ausbeuten von Mensch und Natur in vielen Entwicklungsländern stoppen will, lassen sich leicht fordern. In dem Moment jedoch, in dem es konkret wird, kneift auch sie: Erst einmal soll eine Uno-Organisation einen Fonds auflegen, der entsprechende Projekte fördert. Ein Zeichen des Wollens aber wäre es gewesen, wenn der Gipfel von Elmau diesem Fonds bereits eine nennenswerte Summe fest versprochen hätte.
Mit dem Abbau der Treibhausgase verhält es sich nicht anders. Dass die G7-Länder sich dazu bekennen, die Erderwärmung nicht über zwei Grad steigen zu lassen, ist kein historischer Fortschritt, sondern allenfalls ein kleiner Schritt auf einem sehr beschwerlichen Weg.
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"Auch dieser Gipfel ist unter seinen Möglichkeiten geblieben"
So gesehen ist auch dieser Gipfel unter seinen Möglichkeiten geblieben. Angela Merkel hat zwar versucht, die Aufmerksamkeit ihrer Gäste auf einige Themen jenseits der großen Krisen und Konflikte zu lenken, zum Beispiel auf den Kampf gegen gefährliche Seuchen oder die menschenunwürdigen Bedingungen, unter denen viele Menschen in Entwicklungsländern arbeiten. Am Ende aber waren es doch die Ukraine und Russland, die Lage in Griechenland und das Freihandelsabkommen zwischen Europa und den USA, die in Elmau alles andere überlagert haben. Themen, bei denen auch die Staats- und Regierungschefs potenter Wirtschaftsmächte nicht viel mehr aufbieten können als die Kraft ihrer Worte.
Dass sie sich in einer Welt, in der jede Nachricht in Echtzeit im Internet landet, noch in aller Ruhe zu einem Gespräch wie jetzt in Elmau treffen können, ist zwar schon ein Wert an sich. Mit Reden alleine aber ist es eben auch nicht getan.
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