Korruptionsskandal wird für Erdogan zum Problem
Der Geschäftsmann Reza Zarra behauptet in den USA, die türkische Regierung bestochen zu haben. Damit bringt er Erdogan in Bedrängnis.
Ein Prozess in den USA erschüttert die Türkei: Als der türkisch-iranische Goldhändler Reza Zarrab jetzt vor einem Gericht in New York seine Aussage als Zeuge der Anklage begann, hielten Regierung und Opposition in Ankara den Atem an. Vor dem Richter schilderte Zarrab, wie er allein den früheren türkischen Wirtschaftsminister Zafer Caglayan mit rund 50 Millionen Euro, sieben Millionen Dollar und 2,4 Millionen Lira schmierte. Zarrabs Aussage bringt Präsident Recep Tayyip Erdogan in Bedrängnis. Seine Regierung beklagt ein angebliches Komplott gegen die Türkei – doch Kritiker sprechen von einer Schande für das Land.
Der 34-jährige Zarrab zog zu Beginn des Jahrzehnts einen schwunghaften Goldhandel zwischen der Türkei und dem Iran auf, bei dem US- und UN-Sanktionen gegen Teheran umgangen wurden. Der Geschäftsmann zahlte nach eigenen Worten horrende Schmiergelder an die türkische Regierung, um die Deals zu ermöglichen. Die Machenschaften wurden vor vier Jahren von türkischen Staatsanwälten angeprangert, doch Erdogan bezeichnete den bis in sein engstes Umfeld reichenden Korruptionsskandal als Komplott seines Erzfeindes Fethullah Gülen und ließ die Ermittler feuern. Nun steht Zarrab, der Anfang vorigen Jahres in Florida festgenommen wurde, wegen derselben Sache in New York vor Gericht.
Monatelang hatte Erdogan versucht, die US-Regierung zur Freilassung von Zarrab zu bewegen, um peinliche Enthüllungen vor Gericht zu vermeiden. Als die Versuche scheiterten, traf Zarrab eine Vereinbarung mit der US-Staatsanwaltschaft: Er will in New York auspacken und kann im Gegenzug auf Strafminderung hoffen. Angeklagt in dem US-Prozess ist nicht Zarrab, sondern Mehmet Hakan Atilla, Vizechef der staatseigenen türkischen Bank Halkbank, die in den Goldhandel verstrickt gewesen sein soll.
Türkei spricht nach Zarrab-Aussage von einer Verschwörung
Vor dem Richter beschrieb Zarrab detailliert seine Geschäfte zwischen Ankara und Teheran und bezichtigte auch den ehemaligen EU-Minister Egemen Bagis, dabei geholfen zu haben. Ob Zarrab die Wahrheit sage, sei ungewiss, schrieb der Kolumnist Murat Yetkin in der türkischen Zeitung Hürriyet. Fest stehe aber, dass es eine Schande für die Türkei sei, dass ein amerikanisches Gericht eine Aufgabe übernehme, die eigentlich Sache der türkischen Justiz gewesen wäre.
Dagegen spricht die türkische Regierung von einer angeblichen Verschwörung von Gülen und der US-Regierung. Zarrab sei eine „Geisel“ der USA, sagte Mahir Ünal, der Sprecher von Erdogans Regierungspartei AKP. Regierungsnahe Medien unterschlugen die Aussage Zarrabs über die Millionen-Zahlungen an Caglayan und beschränkten sich auf die Proteste der Regierung gegen den Prozess.
Erdogan betont, die Türkei habe nicht gegen die Iran-Sanktionen verstoßen. Doch er gerät auch zu Hause unter neuen Druck. Oppositionschef Kemal Kilicdaroglu wirft der Familie des Präsidenten vor, Millionensummen in Steueroasen geschafft und so dem türkischen Finanzamt vorenthalten zu haben. Im türkischen Parlament brachen Tumulte zwischen Regierungs- und Oppositionsabgeordneten aus.
Zusammen mit dem Zarrab-Prozess könnten Kilicdaroglus Vorwürfe der Erdogan-Regierung großen Schaden zufügen: Schließlich basiert Erdogans Ansehen bei seinen Anhängern nicht zuletzt auf seinem Ruf als aufrechter Vertreter des kleinen Mannes. In einem Land, in dem viele Wähler mit dem Mindestlohn von umgerechnet rund 380 Euro im Monat zurechtkommen müssen, sind Berichte über Minister und eine Präsidenten-Familie, die Millionen von Euro beiseiteschaffen, politisch gefährlich. Zwei Jahre vor der für Erdogan entscheidenden Präsidentenwahl in der Türkei hat die Regierung ein großes Problem.
Neuigkeiten zur Türkei lesen Sie auch hier in unserem News-Blog.
Wir möchten wissen, was Sie denken: Die Augsburger Allgemeine arbeitet daher mit dem Umfrageinstitut Civey zusammen. Was es mit den Umfragen auf sich hat und warum Sie sich registrieren sollten, lesen Sie hier.
Die Diskussion ist geschlossen.