Leidtragende sind die Bürger
Die finanzielle Blockade dauert so lange wie noch nie. Für die Menschen im Zwangsurlaub bedeutet dies massive Einschränkungen. Zum Beispiel für Ex-Gefängniskoch Clifton Buchanan
Für Clifton Buchanan wird es jetzt eng. Der Mann aus Texas hat zum Ende der Woche wegen des „Shutdowns“ in den USA zum ersten Mal keinen Gehaltsscheck bekommen – wie hunderttausende andere Amerikaner auch. Erspartes hat der 50-Jährige nicht, dafür aber eine Familie zu ernähren und ein Haus abzubezahlen. Buchanan ist Alleinverdiener, hat eine Frau und eine elfjährige Tochter. Er ist einer von rund 800000 Bundesbediensteten, die seit kurz vor Weihnachten im unbezahlten Zwangsurlaub ausharren oder ohne Bezahlung weiterarbeiten müssen, weil ein politischer Streit Teile des Regierungsapparats in den USA lahmlegt.
Die vergangenen drei Wochen waren schon belastend für Buchanan. Aber durch die ausgefallene Gehaltszahlung ist er nun – wie viele andere auch – richtig in Schwierigkeiten. Seit Samstag ist es der längste „Shutdown“ in der US-Geschichte – und ein Ende nicht in Sicht. US-Präsident Donald Trump bekräftigte am Wochenende nochmals, dass der Stillstand lange andauern könne, sollten die Demokraten nicht auf seine Forderung nach einer Mauer an der Grenze zu Mexiko eingehen.
Buchanan arbeitet seit mehr als 20 Jahren für den Staat. Eigentlich ist er Gefängniskoch. Seit ein paar Jahren ist er angestellt als Arbeitnehmervertreter für Gefängnismitarbeiter in Texas und Staaten nebenan. Seit drei Wochen ist er zwangsbeurlaubt, ohne Gehalt. Buchanan ist ein großer, wuchtiger Mann mit Rauschebart und tiefer Stimme. Trotzdem wirkt er nun etwas hilflos. Er könne keine Rechnungen mehr bezahlen, sagt er. Und ab sofort auch nur noch das Nötigste kaufen: Essen, Sprit, Schulsachen für seine Tochter. „Ich habe immer meine Rechnungen bezahlt, ich war noch nie zu spät dran.“ Nun ist das anders. Er habe Angst, sein Haus und sein Auto zu verlieren, wenn er die Kreditraten dafür nicht mehr zahlen könne, erzählt Buchanan. Rücklagen hat er nicht. Bei einem einzelnen Einkommen für seine dreiköpfige Familie bleibe am Ende des Monats nichts übrig. „Ich habe kein Erspartes. Wir leben von Gehaltsscheck zu Gehaltsscheck.“
So geht es vielen Amerikanern. Die US-Notenbank berichtete im vergangenen Jahr, 40 Prozent der Amerikaner könnten eine unerwartete Ausgabe in Höhe von 400 Dollar (knapp 350 Euro) nicht stemmen, ohne sich Geld zu leihen oder Besitz zu verkaufen. Und genau das tun nun einige in ihrer Not: Die ersten Bundesbediensteten durchstöbern ihr Zuhause und verhökern im Internet Habseligkeiten, um ein bisschen Geld reinzubekommen.
Etliche haben Anzeigen auf der Plattform GoFundMe geschaltet, posten dort Bilder von ihrer Familie und erzählen von ihren finanziellen Schwierigkeiten – in der Hoffnung auf Spenden. Sie habe nie im Leben gedacht, dass sie mal auf der Plattform um Spenden bitten müsste, schreibt eine alleinerziehende Mutter aus Arizona dort. Aber wegen des „Shutdowns“ wisse sie sich nicht anders zu helfen. Manche halten auch schon nach anderen Jobs Ausschau – für den Fall, dass der „Shutdown“ noch lange anhält.
Trump hat damit gedroht, der Zustand könne Monate oder sogar Jahre andauern. Damit wollte er Druck auf die Demokraten machen, mit denen er seit Wochen um Milliarden über eine Grenzmauer zu Mexiko streitet. Verängstigt hat er aber vor allem jene, die zu Hause sitzen und nicht wissen, wie sie die nächste Miete zahlen sollen.
Auch Freda McDonald bekommt Probleme. Die 56-Jährige arbeitet für die Katastrophenschutzbehörde Fema, ist zuständig für Verträge mit Subunternehmern. Auch sie ist seit drei Wochen zwangsbeurlaubt, hockt zu Hause und hat ebenfalls keinen Gehaltsscheck bekommen. McDonald verdient normalerweise gut, lebt allein, hat keine Familie zu versorgen. Aber sie hat eine schwere Erbkrankheit, lässt seit Jahren Operationen und Behandlungen über sich ergehen, kann nur mithilfe eines Rollators laufen. Sie muss viele Medikamente nehmen und ist Dauergast bei Ärzten. Das kostet. McDonald ist zwar krankenversichert, aber einen Teil der Kosten muss sie selbst tragen. „In einem normalen Monat sind das 1200 bis 1500 Dollar“, erzählt sie. Den ersten ausgefallenen Scheck könne sie verkraften. „Aber wenn der nächste Ende des Monats nicht kommt, dann kriege ich Panik.“
McDonald arbeitet wie viele Bundesbedienstete in Washington. In der US-Hauptstadt klagen die Ladenbesitzer über sinkende Einnahmen. Auch anderswo in der Stadt sind die Auswirkungen des „Shutdowns“ spürbar: Museen sind geschlossen, der Zoo auch, selbst das Standesamt machte zeitweise dicht. Ein Viertel des Regierungsapparats – inklusive der untergeordneten Behörden – ist seit dem 22. Dezember lahmgelegt, weil Trump kein Budgetgesetz unterschreiben will, solange er kein Geld für eine Grenzmauer zu Mexiko bekommt.
Bestimmte Dinge laufen auch in „Shutdown“-Zeiten weiter. Viele Mitarbeiter aus sicherheitssensiblen Bereichen müssen weiterarbeiten – ohne Bezahlung: etwa an Flughäfen, bei Bundespolizei oder Grenzschutz. Auch aus ihren Reihen kommen Klagen, dass der „Shutdown“ allmählich Schaden anrichtet. Und der Frust wächst. Laut Gewerkschaftern meldeten sich etwa bei der Flugsicherheitsbehörde zuletzt deutlich mehr Mitarbeiter krank als sonst. Das macht sich allmählich an den Flughäfen bemerkbar.
Trump behauptet, viele der betroffenen Bediensteten unterstützten seinen Kurs trotz aller Härten. Clifton Buchanan schüttelt den Kopf. „Ich nicht“, sagt er. „Und ich kenne auch niemanden, der das tut.“ Er macht Trump für die Lage verantwortlich, aber auch die Demokraten. Empfindet er Wut? „Ich bin jenseits von wütend“, antwortet er. „Ich bin nur noch enttäuscht.“ Christiane Jacke, dpa
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