Martin Schulz: "Man muss für Europa kämpfen"
Martin Schulz erklärt an der Uni Eichstätt-Ingolstadt, wie sich die SPD erholen könne - und warum es sich lohne, für Europa zu kämpfen.
Martin Schulz hat viele Bücher, noch mehr gelesen und eines ist sein Lieblingsbuch: „Der Leopard“ von Giuseppe Tomasi di Lampedusa. Der bekannteste Satz daraus lautet: „Wenn alles bleiben soll, wie es ist, muss sich alles ändern.“ Wenn man den vormaligen Buchhändler, ehemaligen SPD-Vorsitzenden und Ex-Kanzlerkandidaten, den Bundestagswahlverlierer und langjährigen Präsidenten des EU-Parlaments, Martin Schulz, fragt, was sich in der SPD alles ändern muss, damit nichts bleibt, wie es ist, dann holt er zwar zu einer Antwort von literarischer Länge aus. Die Kernbotschaft lautet allerdings, sehr verkürzt und frei nach Willy Brandt: Mehr Europa wagen.
Martin Schulz ist gut drauf an diesem Wochenstart. Er ist gerade durch die Bibliothek der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt geführt worden. Gleich wird er zu den Studenten sprechen. Sein Thema heißt „Europa am Wendepunkt: Brexit, Nationalisierung und wie wir die offene Gesellschaft verteidigen“. Vorher muss er noch ein paar Fragen zu der nicht ganz so inspirierenden Gegenwart seiner Partei beantworten.
Bis Februar war Schulz Parteivorsitzender der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Er, der im Frühjahr 2017 mit 100 Prozent zum Parteivorsitzenden gewählt worden war, musste das schlechteste Ergebnis seiner Partei seit Kriegsende verantworten. Die Schulz-Story ist eigentlich erzählt. Himmelfahrt, Höllensturz. Dann: Mund abputzen. Weitermachen. Inzwischen hat der Misserfolg der SPD andere Gesichter. Die bayerische Spitzenkandidatin Natascha Kohnen holte vor gut einer Woche 9,7 Prozent. Der Status als Volkspartei: weg. Jetzt muss sie erklären, wie das passieren konnte. Und Schulz’ Nachfolgerin als SPD-Chefin: Andrea Nahles.
Martin Schulz will Bundesregierung nicht ständig infrage stellen
Was man von Martin Schulz an diesem Abend in Eichstätt nicht hört, sind besserwisserische oder illoyale Sätze. Auf die Frage, was Kohnen falsch gemacht habe, sagt er: „Das vermag ich nicht zu beurteilen. Das muss die Bayern-SPD selber machen.“ Allerdings seien die Ausgangsbedingungen „schwierig“ gewesen. „Das ist ganz klar, dass die Koalitionskrise in Berlin alles belastet hat.“ Das könne man ja auch in Hessen sehen. Der viel zitierte „Berliner Bleimantel“ belaste auch dort den Wahlkampf.
Er meint damit allerdings explizit nicht seine dort mitregierende SPD oder deren Vorsitzende Nahles, sondern CDU und CSU: Die die Bundesregierung „massiv destabilisierenden Egotrips“ von Seehofer und Söder, die machtloser werdende Bundeskanzlerin. Die Regierung, sagt Schulz, werde als Ganzes bewertet. Die SPD sei zwar erneut das „Arbeitspferd“ darin, aber die Bürger auf der Straße würden denken: „Alles derselbe Verein, weg damit.“
Und wenn Hessen also schiefgeht, dann schnell raus aus der GroKo? Schulz verneint energisch: „Ich bin der festen Überzeugung, dass es überhaupt keinen Sinn macht, im Lichte der noch so schwer zu ertragenden Tagesaktualität ständig eine Bundesregierung infrage zustellen.“ Man hole doch keine enttäuschten Wähler zurück, indem man den „Bettel“ hinschmeiße. „Der Koalitionsvertrag gilt, und da steht nicht der Satz drin: ,Nach jeder Landtagswahl wird er neu bewertet‘“. Erst nach zwei Jahren, also im November 2019, wolle man Zwischenbilanz ziehen. Schulz ist überzeugt: „Wenn sich die Bundesregierung an die Spitze einer europäischen Erneuerung stellt, dann haben wir als SPD auch wieder Erfolg.“
Die Aula der Uni ist brechend voll an diesem Abend. Schulz wollen viele hören. Er sagt: „Man muss für Europa kämpfen.“ Europa habe für ihn immer nur mehr bedeutet: mehr Zukunftschancen, mehr Wohlstand, mehr Frieden, mehr Sicherheit, mehr Gerechtigkeit.“ Vielleicht bedeutet es irgendwann auch wieder mehr Stimmen für die SPD.
Die Diskussion ist geschlossen.
>> Mehr Europa wagen. <<
Sie erinnern sich - gestern noch war doch Herr Macron für Herrn Schulz ganz wichtig...
https://www.handelsblatt.com/politik/international/fall-khashoggi-frankreich-will-das-enge-verhaeltnis-zu-saudi-arabien-nicht-gefaehrden/23216122.html?ticket=ST-4962188-OVkhyxeqB1QKqO0uXEQF-ap4
>> Saudi Arabien ist seit Jahrzehnten ein privilegierter Partner der französischen Republik. Umso schwerer fällt es der Regierung in Paris derzeit, wie andere westliche Länder wegen der Ermordung des Journalisten Khashoggi Waffenlieferungen an Saudi-Arabien zu stoppen oder zumindest auszusetzen. <<
Na los SPD - mehr Europa wagen - was stört da die Ermordung eines saudischen Oppositionellen?
"Na los SPD - mehr Europa wagen - was stört da die Ermordung eines saudischen Oppositionellen?"
Saudi-Arabien und die Emirate gehören wie andere arabische Länder zu den besten Kunden der deutschen - und besonders der bayerischen - Waffen- und Rüstungsindustrie. Viele Waffen-Geschäfte laufen verdeckt über Drittstaaten. Die Saudis und ihre Verbündeten führen im Jemen einen Stellvertreterkrieg gegen den Iran. Auch mit deutschen und bayerischen Waffen wurden und werden Zehntausende Zivilisten umgebracht. Ein großer Teil der Bevölkerung hungert. So schlimm wie Ermordung des Journalisten Khashoggi ist und scharfe Reaktionen angebracht sind - das von den Saudis und ihren Verbündeten im Jemen verschuldete Leid hätte längst ähnliche mediale Aufmerksamkeit verdient.
Meinen Sie nicht, dass dazu auch einer bayerischen Partei mit dem C im Namen eine klare Stellungnahme gut zu Gesicht stehen würde? Selbst wenn das die traditionell gute Spendenbereitschaft der bay. Rüstungslobbyisten gegenüber der CSU nicht gerade fördern würde.
Ihre diesbezüglichen Aufforderungen und Vorwürfe an Franzosen, Europa und SPD finde ich ziemlich einseitig. Kehren Sie mal besser vor der eigenen bayerischen Haustüre - da liegt genug Kritisierenswertes herum.