Merkels scharfe Töne gegen Wladimir Putin
Sie kennen sich, sie duzen sich, aber mögen werden sie sich nie. Angela Merkel hatte viel Geduld mit Putin. Nach ihrem Treffen schlägt sie nun neue, deutlich schärfere Töne an.
Tiefere Einblicke in ihr Seelenleben gestattet Angela Merkel dem Volk, das sie regiert, für gewöhnlich nicht. Die Kanzlerin ist eine Frau, die sich nicht von ihren Emotionen leiten lässt, sondern die Welt mit dem kühlen Blick der promovierten Physikerin betrachtet. Dass sie auch anders kann, weiß niemand besser als Wladimir Putin. So radikal wie bei ihrer Rede am Montag in Sydney hat mit ihm noch kein westlicher Spitzenpolitiker abgerechnet. Angela Merkels Warnung vor einem politischen Flächenbrand in Ost- und Südosteuropa bedeutet im Umkehrschluss ja nur eines: Sie hält den russischen Präsidenten für einen Brandstifter, der in der Ukraine mit dem Zündeln womöglich erst begonnen hat.
Putin-Kritik: Merkel nimmt Risiko in Kauf
Obwohl die Kanzlerin über den Inhalt ihres Gespräches tags zuvor kein Wort verloren hat, ist das Ergebnis doch offensichtlich: Putin dreht nicht bei. Er hat sich mit seiner Politik der kontinuierlichen Destabilisierung derart weit ins Abseits gestellt, dass der Konflikt mit den Mitteln der Diplomatie alleine kaum noch zu lösen ist und der Westen den Druck auf ihn weiter erhöhen muss – auch auf die Gefahr hin, dass neue, schärfere Sanktionen einer exportstarken Wirtschaft wie der deutschen besonders schaden. Mehr denn je ist Angela Merkel bereit, dieses Risiko in Kauf zu nehmen. Wenn überhaupt, so das Kalkül dahinter, wird sich Moskau nur wirtschaftlichen Zwängen beugen. Der tief gefallene Rubelkurs und die niedrigen Energiepreise machen Putin, seinen Oligarchen und Millionen von Russen schon jetzt schwer zu schaffen.
Das krude Interview von Wladimir Putin
Sollte Putin tatsächlich gehofft haben, mit seinem kruden Interview in der ARD noch auf so etwas wie Verständnis in Deutschland zu treffen, so hat er sich gründlich getäuscht. Wo sein alter Kumpel Gerhard Schröder den Mantel der Nachsicht ausbreitete und ihn gar als lupenreinen Demokraten pries, sieht dessen Nachfolgerin Merkel genauer hin. Dass sie Russisch spricht und Putin Deutsch, dass sie sich duzen und sich länger kennen als die meisten anderen Staats- und Regierungschefs, ändert daran nichts. Um sich gut zu verstehen, genügt es nicht, sich in der gleichen Sprache zu unterhalten, auch die Schnittmenge an Werten und Zielen muss stimmen – und das ist bei der mächtigsten Frau der Welt und dem angeblich zweitmächtigsten Mann erkennbar nicht der Fall.
Angela Merkel und Wladimir Putin sind sich in all den Jahren fremd geblieben, beide trennt mehr, als sie verbindet, nur wurde das Trennende bis zur Annexion der Krim durch Russland nur selten sichtbar. Wirklich über den Weg getraut hat sie Putin noch nie.
Merkel redete gegen eine Wand aus Unbelehrbarkeit und Selbstgerechtigkeit an
Dennoch hat die Kanzlerin in dutzenden von Gesprächen versucht, den russischen Präsidenten zum Einlenken zu bewegen, ihn von seinem geostrategischen Irrweg zurück auf vertrautes, friedlicheres Terrain zu lotsen. Spätestens nach dem Gipfel der 20 wichtigsten Industrienationen in Australien, den Putin wie ein trotziges Kind vorzeitig verließ, muss aber auch ihr klar geworden sein, dass sie gegen eine Wand aus Unbelehrbarkeit und Selbstgerechtigkeit angeredet hat. Nur so lässt sich ihre Generalabrechnung von Sydney erklären, die zwar im Ton durchaus moderat, in der Sache allerdings so entschieden, fast schon zornig war wie kaum ein Merkel-Auftritt vorher.
Vor acht Jahren, bei einem ihrer ersten Treffen, hat Wladimir Putin ihr zur Begrüßung grinsend einen Stoffhund geschenkt – eine kleine boshafte Anspielung auf ihre Angst vor Hunden. Ein andermal ließ er in seiner Residenz in Sotschi plötzlich seinen Labrador Koni ins Zimmer stürmen, als mache die Schwäche, die er bei anderen spürt, ihn erst wirklich stark. Angela Merkel aber hat sich auch damals nicht einschüchtern lassen.
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