Mit preußischen Tugenden
Ein Bankier a.D. macht in einer bundesweiten Anzeige seinem Ärger über die Regierung Luft. Und er erklärt, wie man Probleme lösen kann.
Er ist empört, entrüstet. Das ist selbst durch das Telefon zu hören. „Ich verstehe Euch nicht“, sagt er. „Ihr könnt doch nicht zulassen, dass die Regierung so mit dem Haushalt umgeht.“ Ihr, damit meint er die jüngeren Leute. Und jünger ist für Ehrhardt Bödecker fast jeder. Der ehemalige Bankier aus Wustrau nahe Berlin ist 86 Jahre alt.
Bödecker sorgt derzeit mit einer Anzeige in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung bundesweit für Aufsehen. In einem offenen Brief fordert er darin von der Bundesregierung vor allem eines: Sparsamkeit. „Sehr geehrte Frau Merkel und sehr geehrter Herr Schäuble“, schreibt Bödecker, „der preußische König Friedrich II. (der Große) forderte von seiner Regierung solide Grundsätze. Erster Grundsatz war danach Sparsamkeit. Mit diesen Grundsätzen hat Preußen als Staat und Führungsmacht die Kraft entwickelt, Deutschland nach Jahrhunderten der Zersplitterung endlich zu einem einheitlichen Land zu einen. Davon zehren wir noch heute.“ Das Porträt von Friedrich II. steht über dem Text, versehen mit den Regentschaftsdaten: 1740–1786 und flankiert von den Bildern Friedrich Wilhelms I., 1713–1740, und Ludwig Erhards. „Diese Sparsamkeitsgrundsätze sind leider unserer Regierung und unseren Abgeordneten abhanden gekommen“, heißt es in der ganzseitigen Zeitungsanzeige, die mehrere Zehntausend Euro gekostet hat, weiter. „Aber das war es mir wert“, sagt er.
Großer Anhänger des alten Preußens
Ehrhardt Bödecker ist ein großer Anhänger des alten Preußens. Mehrere Bücher hat er zu dem Thema verfasst, darunter „Preußen und die Wurzeln des Erfolgs“. Und dem Dorf Wustrau hat er ein eigenes Museum gestiftet: das Brandenburg-Preußen Museum. Ein Jahr nach der Eröffnung im Jahr 2000 kam Ministerpräsident Manfred Stolpe. Ein Prospekt zeigt, welche Themen unter anderem behandelt werden: „Preußen-Deutschland: ein Bildungsstaat“ und „Preußen-Deutschland: das führende Land der Wissenschaft.“ Der Stifter führt auch heute noch Besuchergruppen durch das Museum.
Ehrhardt Bödecker kann sich seine Leidenschaft für Geschichte leisten. Von 1966 bis zu seinem Ruhestand 1995 leitete der Jurist und zeitweilige Richter als Nachfolger seines Schwiegervaters Hans Weber die Weberbank in Berlin, eine Privatbank, die sich unter anderem auf die Vermögensverwaltung und das Stiftungsmanagement spezialisiert hat. Wer bei der Bank anruft, erfährt von stolzen Mitarbeitern, dass Bödecker nicht einfach nur „der Chef“ war, sondern eben auch der Inhaber. Seine Bank, sagt Bödecker, habe er immer solide geführt. Mit 20 Millionen D-Mark Bilanzsumme habe er angefangen, „mit 15 Milliarden Mark habe ich aufgehört“. Nie habe er das Kapital eines Kunden gefährdet, stets habe er sich seine Kreditnehmer genau angesehen. Bödecker kritisiert deshalb die Bankkaufleute anderer Kreditinstitute, wenn er sagt, dass diese Vorsicht heute fehle und bedenkenlos Staatsanleihen von Ländern aller Art gekauft würden, wie die Finanzkrise derzeit zeigt.
Zahl der Beschäftigten im Öffentlichen Dienst ist gewachsen
Am meisten aber stößt sich Bödecker an der Politik. „Ich ärgere mich gewaltig“, sagt er. Und dieser Ärger über die fehlende Sparsamkeit ist nicht nur diffus, kommt nicht nur aus dem Bauch heraus, nein, Bödecker kann ihn mit Zahlen belegen. Allein von 2008 bis 2010 stiegen die Schulden Deutschlands von 1,4 Billionen Euro auf 1,9 Billionen Euro und damit 77 Prozent des Sozialprodukts, rechnet er in der Anzeige vor. Gleichzeitig wuchs die Zahl der Beschäftigten im Öffentlichen Dienst von 4,5 Millionen auf 4,6 Millionen.
Der Staatsapparat ist es, den Bödecker anprangert. „Warum müssen unsere Minister 21 Jahre nach der Wiedervereinigung immer noch zwei Sitze haben: in Bonn und Berlin? Mit 60000 Flügen pro Jahr werden die öffentlich Beschäftigten hin und her geflogen“, schreibt er. Bödecker kritisiert, dass sich die Abgeordneten mitten in der Schuldenkrise die Diäten erhöhen, dass der Bundestag mit über 600 Abgeordneten größer ist als das US-Repräsentantenhaus, dass reiche Kinder in vielen Bundesländern umsonst studieren können. „Ich habe immer mein Studiengeld selbst bezahlt“, sagt er. „Und das war 1947 sehr schwer.“
Bödecker ist, wie gesagt, 86 Jahre. Im Gespräch bekommt man den Eindruck, dass er ganz genau weiß, dass er mit seiner Preußen-Leidenschaft und seinen Ideen auf manche Menschen schrullig wirken mag. Aber er hofft trotzdem, etwas wachrütteln zu können. „Ich verstehe die Ignoranz der Leute gegenüber den Problemen nicht“, sagt er und zitiert sein Idol, König Friedrich Wilhelm I. in Preußen: „Hütet Euch vor den Schmeichlern. Sie sind Eure größten Feinde. Die Euch aber die Wahrheit sagen, sind Eure Freunde.“
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