Nach den Attentaten in Paris: Kommt der Terror nach Deutschland?
Ein Brandanschlag auf die "Hamburger Morgenpost", ein verhafteter Islamist in Dinslaken: Nach den Attentaten von Paris ruft der Innenminister die Bürger zu erhöhter Wachsamkeit auf
Thomas de Maizière ist ein ruhiger, besonnener Mann. Einer, der eigentlich nicht zum Dramatisieren neigt. Nach den Blutbädern von Paris aber klingt auch der sonst so zurückhaltende Innenminister wie aufgewühlt. „Ich habe große Sorge vor gut vorbereiteten Tätern wie in Paris, Brüssel, Australien oder Kanada“, gesteht er in der Bild am Sonntag. Auch in Deutschland radikalisierten sich Menschen, indem sie sich äußerlich und innerlich veränderten, und zwar „bis hin zu ihren Essgewohnheiten“.
260 "Gefährder" in Deutschland
Wenn jemand vor dem Essen also plötzlich den Namen Allahs murmelt oder neuerdings kilometerweit fährt, um Fleisch von Tieren zu kaufen, die nach islamischem Ritus geschlachtet wurde, könnte das ein Indiz für eine beginnende Radikalisierung sein. Solche Prozesse zu erkennen, findet de Maizière, ist deshalb nicht nur Sache der Polizei oder der Geheimdienste, sondern ein Auftrag an alle Deutschen. „Da ist die Wachsamkeit der Bürger, der Familien, der Nachbarn, der Sportfreunde oder der Mitgläubigen in Moscheegemeinden wichtig.“
Mit 260 so genannten Gefährdern ist die Zahl der bekannten gewaltbereiten Extremisten in Deutschland zwar deutlich geringer als in Frankreich – aber sie steigt auch in der Bundesrepublik. Wie leicht aus einer eher theoretischen Bedrohung eine sehr konkrete werden kann, zeigen zwei Vorgänge vom Wochenende – die Verhaftung des mutmaßlichen Islamisten Nils K. im nordrhein-westfälischen Dinslaken, einer Hochburg der salafistischen Szene, und der Brandanschlag auf das Archiv der Hamburger Morgenpost, die wie viele andere Zeitungen die Mohammed-Karikaturen der französischen Satirezeitschrift Charlie Hebdo nachgedruckt hatte. Die Schlagzeile darüber lautete: „So viel Freiheit muss sein.“
Thomas de Maizière: "Es gibt Grund zur Sorge"
Der Schaden hielt sich zwar in Grenzen, weil das Feuer schnell gelöscht war und sich niemand im Gebäude des Verlages aufgehalten hatte. Der Vorfall zeige jedoch, „dass wir Grund zur Sorge haben und zur Wachsamkeit“, sagt de Maizière. „Und bei beidem wird es bleiben.“ Zwei Männer seien zwischenzeitlich verhaftet worden, teilte die Hamburger Polizei am Sonntag mit. Die Hintergründe der Tat versuche jetzt der Staatsschutz aufzuklären.
Im Falle von Nils K. hat die Polizei nach eigener Aussage keine Hinweise auf einen unmittelbar geplanten Anschlag, nachdem der Generalbundesanwalt ihn jedoch der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung verdächtigt, stürmte am Samstag ein Sondereinsatzkommando seine Wohnung und überwältigte den 24-Jährigen.
Er soll im Oktober 2013 nach Syrien gereist sein und sich dort den Terrormilizen des Islamischen Staates angeschlossen haben, ehe er im November vergangenen Jahres wieder in die Bundesrepublik zurückgekehrt sei.
Verdächtige stehen unter Beobachtung
Männer wie Nils K. sind es, die auch den deutschen Sicherheitsbehörden im Moment die größten Sorgen machen: Sie kommen häufig noch radikaler, teilweise regelrecht verroht aus ihrem vermeintlich Heiligen Krieg zurück. Nicht zuletzt deshalb sind nach den Worten von de Maizière nach den Anschlägen in Paris auch in Deutschland die Sicherheitsvorkehrungen erhöht worden.
„Wir haben die Gefährder unter Wind und sowie es Anhaltspunkte für strafbare Handlungen gibt, werden auch entsprechende harte Maßnahmen des Rechtsstaats erfolgen“, sagt der Innenminister. „Unter Wind“ bedeutet in der Sprache der Geheimdienste so viel wie „unter Beschattung“.
Widerstand gegen Vorratsdatenspeicherung
Was die deutsche Politik darüber hinaus tun kann, um die Menschen vor solchen Extremisten zu schützen, ist nach wie vor umstritten. Gegen die Forderung der Union, die vom Verfassungsgericht gekippte Vorratsdatenspeicherung in überarbeiteter Form wieder einzuführen, regt sich nicht nur in der Opposition Widerstand, sondern auch beim Koalitionspartner SPD.
Bundeskanzlerin Angela Merkel will darüber hinaus auch den Austausch von Fluggastdaten zwischen einzelnen Ländern verbessern. Auch für Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, am Wochenende in Bagdad zu Besuch, beginnt der Kampf gegen den Terror schon weit außerhalb der Bundesrepublik – zum Beispiel mit den Waffenlieferungen an die Kurden im Nordirak. Je länger der Islamische Staat stark und attraktiv bleibe, sagt sie, „desto mehr steigt die Bedrohung für uns zu Hause“.
Die Diskussion ist geschlossen.