Nächster Schritt für Katalonien: die Unabhängigkeit
Regionalpräsident Puigdemont kündigt in Barcelona die Ausrufung eines eigenen Staates an. Damit setzt er sich über Warnungen von König Felipe hinweg.
Nach dem katalanischen Unabhängigkeitsreferendum spitzt sich die Krise in Spanien gefährlich zu. Kataloniens Regionalpräsident Carles Puigdemont kündigte am Mittwoch für die kommenden Tage die Unabhängigkeitserklärung seiner Region an.
Puigdemont sagte dem britischen Rundfunksender BBC, die offizielle Loslösung Kataloniens von Spanien sei nur noch „eine Frage von Tagen“. Sobald das vollständige Ergebnis des Referendums vorliege, werde Katalonien binnen 48 Stunden die Unabhängigkeit ausrufen. Voraussichtlich bis zum Ende der Woche würden noch Stimmen aus dem Ausland ausgezählt. „Wir werden also Ende dieser Woche oder Anfang kommender Woche handeln“, sagte Puigdemont. Gegenüber der Bild-Zeitung meinte er: „Ich fühle mich bereits jetzt als Präsident eines freien Landes.“ Eine Unabhängigkeitserklärung müsste allerdings vom katalanische Regionalparlament beschlossen werden.
Spaniens König hält wichtigste Ansprache seiner Amtszeit
Am Vorabend hatte sich Spaniens König mit schweren Vorwürfe gegen Barcelona in den Konflikt eingeschaltet. Ganz Spanien saß gerade beim späten Abendessen, als der königliche Staatschef und Oberbefehlshaber der Streitkräfte die bisher wichtigste Ansprache seiner dreijährigen Amtszeit hielt. „Wir durchleben gerade sehr schlimme Momente für unser demokratisches Leben“, sagte Felipe VI. mit dramatischer Stimme. Er beschuldigte die katalanische Separatistenregierung, eine „Rebellion gegen Spanien“ anzuführen, um „auf illegale Weise die Unabhängigkeit zu erklären“.
Wird die spanische Regierung die Separatisten entmachten?
Die Regionalregierung in Barcelona, sagte er, „verstößt systematisch gegen die Rechtsnormen und beweist eine nicht hinnehmbare Illoyalität gegenüber dem spanischen Staat“. Er fügte hinzu: „Die Separatisten verstoßen gegen die demokratischen Prinzipien des Rechtsstaates. Und sie untergraben das Zusammenleben in der katalanischen Gesellschaft, die sie gespalten haben.“ Harte Worte, welche das Bild eines Staatsstreiches zeichneten. Und die an jene historische TV-Ansprache erinnerten, mit der Felipes Vater, König Juan Carlos, im Februar 1981 einen Putsch des Militärs niederschlug und den aufständischen Einheiten befahl, in die Kasernen zurückzukehren.
Felipe trat zwar nicht, wie damals sein Vater, in Generalsuniform, sondern im dunklen Anzug vor die Nation, aber die Situation wirkte nicht weniger dramatisch. 77 Prozent der Spanier verfolgten Felipes Rede. Im zerrissenen Katalonien, wo die Bevölkerung in ein antispanisches und ein prospanisches Lager geteilt ist, saßen sogar 84 Prozent vor dem Fernseher – Rekordquoten.
Felipe fordert die Gültigkeit des Rechtsstaates in Katalonien
Felipe forderte Spaniens Regierung, Parlament und Justiz dazu auf, die verfassungsmäßige Ordnung und die Gültigkeit des Rechtsstaates in Katalonien sicherzustellen. Die Rede stellte indirekt die königliche Lizenz dar, um demnächst die katalanische Regierung zu entmachten. Artikel 155 der spanischen Verfassung erlaubt diesen schweren Eingriff in die regionale Autonomie, wenn die dortige Führung fortgesetzt gegen Gesetze sowie die Verfassung verstößt und „schwerwiegend das allgemeine Wohl Spaniens verletzt“. Damit könnte Spaniens Regierung die Region befristet unter ihre Kontrolle stellen.
Spaniens konservativer Regierungschef Mariano Rajoy, der mit König Felipe in engem Kontakt steht und dessen Krisenrede abgesegnet hatte, äußerte sich zunächst nicht. Dafür sagte seine Krisenmanagerin, Vize-Regierungschefin Soraya Sáenz de Santamaría: „Die Regierung hat alles vorbereitet, um das katalanische Volk zu schützen, dessen allgemeines Wohl am meisten verletzt wird“.
Spanische Justiz leitet Ermittlungen ein
Derweil leitete die spanische Justiz Ermittlungen gegen den Chef der katalanischen Polizei sowie Vertreter der Unabhängigkeitsbewegung ein. Ihnen wird Aufwiegelung vorgeworfen. Am Sonntag hatten die Katalanen trotz klarer Warnungen der Regierung in Madrid ein Referendum über die Unabhängigkeit abgehalten. 90 Prozent stimmten laut Regionalregierung mit „Ja“. Die Wahlbeteiligung betrug aber nur rund 42 Prozent. mit afp
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