Neonazi-Helfer Carsten S.: Von der Vergangenheit eingeholt
Carsten S. wollte dem Rechtsextremismus den Rücken kehren. Jetzt holt ihn die Vergangenheit ein. Er war Mitglied bei der NPD und der Zwickauer Terrorzelle.
Immer mehr Mitglieder der Zwickauer Terrorzelle werden gefasst. Jüngst hat ein GSG 9-Kommando Ihm und den anderen Mitgliedern der Zwickauer Zelle werden unter anderem Morde an neun Kleinunternehmern türkischer und griechischer Herkunft sowie an einer Polizistin vorgeworfen.
Carsten S. sorgt nun für reichlich Gesprächsstoff. Denn er war nicht nur Funktionär der rechtsextremen NPD sondern seit 2003 unterstütze er als Berater die Aidshilfe Düsseldorf. Carsten S. ist offenbar ein Mann mit zwei Gesichtern. Nachdem er laut Auskunft eines Sprechers des Thüringer Verfassungsschutzes1999 Mitglied des NPD-Kreisverbandes in Jena und wenig später Kreisvorsitzender der NPD wurde, kehrte er sich 2003 vom Rechtsextremismus ab. Er wurde Mitarbeiter der Aids-Hilfe in Düsseldorf und beriet dort Schwule und Lesben.
Carsten S.: Im Schwulenreferat aktiv gewesen
Carsten S. studierte außerdem in Düsseldorf Sozialpädagogik an der Fachhochschule und sei dort im gemeinsamen Schwulenreferat der Fachhochschule Düsseldorf und der Heinrich-Heine-Universität aktiv gewesen - er wurde zum Schwulenreferenten gewählt. Das Logo der Studentenvertretung der Fachhochschule ziert ein roter Stern. Das erstgenannte Referat heißt „Antifa“. Es scheint, als hätte Carsten S. die Welten gewechselt.
Ob der Milieuwechsel mithilfe des Aussteigerprogramms für Rechtsextreme geschah, darüber halten sich die Behörden bedeckt."Wir kennen Carsten als einen netten und umgänglichen Menschen", sagte eine Mitarbeiterin der Aids-Hilfe Düsseldorf der Berliner Morgenpost. Sein Umfeld habe von seiner rechten Vergangenheit gewusst, über die Festnahme und die damit verbundenen Vorwürfe sei man dennoch "schockiert".
Carsten S.: Die Vergangenheit holt ihn ein
Nun holt Carsten S. die Vergangenheit wieder ein. Während sich ehemalige Kollegen sein Vorleben nicht erklären können, hofft die Politik auf eine Wende in der Diskussion um ein NPD-Verbot. Der mutmaßliche Unterstützer der Zwickauer Terrorzelle Carsten S. war früher ein Funktionär der rechtsextremen NPD. Politiker hoffen, dass damit die Chancen für ein Verbot der NPD steigen.
Carsten S. wird beschuldigt, im Jahr 2001 oder 2002 in Jena eine Waffe und Munition gekauft haben, die über Mittelsmänner zu den untergetauchten Terroristen gebracht wurden. Die Bundesanwaltschaft wirft ihm Beihilfe zu sechs Morden und einem Mordversuch vor.
Wie der Sprecher des Thüringer Verfassungsschutzes sagte, soll Carsten S. zeitweise enge Kontakte zu dem im November verhafteten Ralf Wohlleben gehabt haben, der ebenfalls als Unterstützer der rechten Terroristen beschuldigt wird. Zwischen Wohlleben, der später zum Thüringer Vize-Landeschef der NPD aufgestiegen war, und Carsten S. habe es Ende der 1990er Jahre "wohl eine recht enge Verbindung in Jena gegeben." Carsten S. sei zudem ein Aktivist des Thüringer Heimatschutzes, einem Sammelbecken der Thüringer Neonaziszene, gewesen.
Bei der JN engagiert
Carsten S. soll Jena 2001 verlassen haben. Zuvor hatte er sich auch bei der NPD-Jugendorganisation JN (Junge Nationaldemokraten) engagiert. Der JN-Landesverband wurde laut Verfassungsschutz am 22. Juli 2000 gegründet. Carsten S. wurde damals zu einem von zwei stellvertretenden Vorsitzenden gewählt.
CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe sieht nach der Festnahme von Carsten S. auch steigende Erfolgsaussichten für ein NPD-Verbot. "Die Festnahme zeigt erneut die große Nähe zwischen NPD-Funktionären und gewalttätigen rechtsextremen Kreisen", sagte er der dpa.
Friedrich: NPD-Verbot hat "relativ schnelle klare Erfolgschancen"
Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) bekräftigte, wenn es gelänge nachzuweisen, dass die Rechtsterroristen der militante Arm der NPD gewesen seien, hätte ein NPD-Verbot "relativ schnelle klare Erfolgschancen". "Ob uns das gelingt, kann ich Ihnen zur Stunde nicht sagen", sagte er. Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe lotet derzeit die Chancen eines möglichen NPD-Verbotsverfahrens aus. Ein erstes Verfahren war 2003 vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert.
Die nordrhein-westfälische Verfassungsschutzchefin Mathilde Koller räumte am Donnerstag im Düsseldorfer Landtag ein, Carsten S. sei dem NRW-Verfassungsschutz bis zur Aufdeckung des rechten Terrors unbekannt gewesen. Einen Hinweis des Thüringer Verfassungsschutzes auf den Umzug des Extremisten nach NRW habe es nicht gegeben. Die Antifa hatte dagegen bereits 2004 Studentenvertreter in Düsseldorf über die braune Vergangenheit von Carsten S. informiert.
Carsten S.: Umfangreich ausgesagt
Eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft sagte am Donnerstag: "Carsten S. hat gestern vor dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs umfangreich ausgesagt." Details nannte sie nicht. Generalbundesanwalt Harald Range sieht die Ermittlungen gegen den Neonazi-Terror nach der Festnahme von Carsten S. auf gutem Wege. Aber die Ermittlungen blieben aufwendig und personalintensiv, sagte er dem Südwestrundfunk.
Das Bundeskabinett will am Mittwoch offiziell eine Bund-Länder-Kommission zur Aufarbeitung der Neonazi-Morde einsetzen. Nach dpa-Informationen benannte die SPD den früheren Berliner Innensenator Ehrhart Körting. Die Union schlägt den früheren Hamburger Innensenator Heino Vahldieck vor, die FDP den Münchner Rechtsanwalt Eckhart Müller. Die Grünen benannten den früheren Bundesanwalt am Bundesgerichtshof, Bruno Jost. Im Bundestag und im Erfurter Landtag haben sich zudem Untersuchungsausschüsse konstituiert. (dpa, AZ)
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