Nicht alle Eltern gehen leer aus
Das Verfassungsgericht hat das Betreuungsgeld gekippt. Bayern verspricht seinen Familien bereits Ersatz. Neue Konflikte in der Koalition sind damit vorprogrammiert.
Das Urteil kommt nicht unerwartet – seine Folgen aber sind noch nicht absehbar. Nachdem das Verfassungsgericht das umstrittene Betreuungsgeld gekippt hat, stehen zwei Fragen ganz oben auf der politischen Tagesordnung: Was macht der Bund mit den frei werdenden Mitteln? Und welche Länder zahlen wie Bayern bald ein eigenes Landes-Betreuungsgeld? In Rheinland-Pfalz macht die CDU damit bereits Wahlkampf. Spitzenkandidatin Julia Klöckner verlangt: „Das Geld muss bei den Familien bleiben.“
Die CSU wollte mit dem Betreuungsgeld Wahlfreiheit schaffen: Eltern sollten frei entscheiden können, ob sie ihr Kind früh in den Kindergarten schicken oder drei Jahre zu Hause betreuen. Warum mischt sich ein Gericht in die ureigensten Angelegenheiten von Familien ein?
Genau das hat das Verfassungsgericht nicht getan. Es hat nicht geprüft, ob das Betreuungsgeld Familien begünstigt oder benachteiligt. Aus Karlsruher Sicht hätte es der Bund überhaupt nicht einführen dürfen, weil dafür er nicht zuständig ist, sondern die Länder. Richter Ferdinand Kirchhof formulierte es in seiner Urteilsbegründung so: „Wegen der fehlenden Zuständigkeit des Bundes hat sich der Senat nicht mehr mit der materiellen Frage beschäftigt, ob ein Betreuungsgeld mit den Grundrechten vereinbar wäre.“ Geklagt hatte die Stadt Hamburg.
Heißt das, dass die Auszahlung des Betreuungsgeldes nun umgehend gestoppt wird oder der Staat gar Geld zurückfordert?
Nein. „Eltern müssen kein Betreuungsgeld zurückzahlen“, betont der Vorsitzende des Familienausschusses, der Würzburger CSU-Abgeordnete Paul Lehrieder. Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) hat bereits eine großzügige Übergangsregelung angekündigt. Im Idealfall werden die gut 455000 Familien in Deutschland, die die Prämie gegenwärtig bekommen, sie noch wie geplant erhalten – nämlich 150 Euro im Monat vom 15. bis zum 36. Lebensmonat jedes Kindes. Neue Anträge aber werden nicht mehr genehmigt. Das Karlsruher Urteil lässt der Politik hier weitgehend freie Hand. Wie es genau umgesetzt werden soll, will die Ministerin nach ihrer Rückkehr aus dem Urlaub Mitte August mit Union und SPD klären.
900 Millionen Euro im laufenden Jahr für Betreuungsgeld eingeplant
Um wie viel Geld geht es eigentlich? Und wer nutzt das Angebot bisher am stärksten?
Im laufenden Jahr hat die Koalition 900 Millionen Euro für das Betreuungsgeld eingeplant, in den beiden nächsten Jahren jeweils eine Milliarde. Mehr als die Hälfte der Mittel fließt dabei in die großen Flächenländer im Westen: Ende März bezogen in Bayern mehr als 100000 junge Familien Betreuungsgeld, in Baden-Württemberg waren es knapp 89000, in Niedersachsen 43000 und in Hessen gut 36000. In den Ost-Ländern Sachsen-Anhalt und Brandenburg mit ihrem vergleichsweise guten Angebot an Kinderkrippen und -tagesstätten zahlt der Bund bisher nur für 1700 bzw. 2500 Kinder Betreuungsgeld. Unter den insgesamt 455000 Begünstigten sind übrigens nicht einmal 25000 Väter.
Bestätigt das nicht alle Kritiker, die das Betreuungsgeld für eine Herdprämie halten, die Frauen nur von der Rückkehr in ihre Berufe abhält?
Das lässt sich so pauschal nicht sagen. Das im August 2013 eingeführte Betreuungsgeld haben Familien als Ausgleich dafür erhalten, dass sie für ihre ein- und zweijährigen Kinder keinen Platz in einem staatlich geförderten Kindergarten oder bei einer von der Kommune subventionierten Tagesmutter beanspruchen. Dennoch können auch in solchen Familien beide Elternteile voll berufstätig sein und die 150 Euro für ein Au-pair-Mädchen oder eine private Kinderkrippe verwenden.
Bayern will nun ein eigenes Betreuungsgeld einführen und fordert dafür Geld vom Bund. Zu Recht?
Diese Frage ist umstritten. Schwesigs Staatssekretär Ralf Kleindiek ist der Ansicht, dass der Bund nichts bezuschussen darf, wofür er nicht zuständig ist. CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt dagegen erinnert an die Milliarden, die der Bund in den Ausbau der Kinderbetreuung gepumpt hat, obwohl dies streng genommen Ländersache ist. Die harte Haltung des Familienministeriums könnte allerdings auch taktische Gründe haben: Die SPD will die 900 Millionen Euro zusammenhalten und sie in den Ausbau der Kinderbetreuung und die Ausbildung von Erziehern investierten.
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