Notaufnahmen in Deutschland überlastet - können Portalpraxen entlasten?
Viele Notaufnahmen sind überlastet. Ein neues System soll in dringenden Fällen schneller helfen. Es gibt ein Vorbild in der Region.
Viele Notaufnahmen sind überlastet, weil immer mehr Menschen wegen nicht akuter Probleme sich an die Kliniken wenden. Rund 25 Millionen Patienten versorgen die 1600 deutschen Notaufnahmen pro Jahr – Tendenz steigend, berichtet die Vorsitzende des Ersatzkassenverbandes, Ulrike Elsner. Jeder dritte Notfallpatient könne aber bedenkenlos in einer normalen Arztpraxis behandelt werden. Der Verband fordert eine Reform.
Notaufnahmen vielerorts überlastet - können Portalpraxen helfen?
Das Problem sieht Elsner in der Struktur der Notfallversorgung: „Die undurchsichtigen Öffnungszeiten und Anlaufstellen der Ärzte sind ebenso ein Problem wie die unklare Aufgabenteilung zwischen ambulanter und stationärer Versorgung.“ Das sei ein Dilemma für Patienten: „Sie wissen nicht, wohin sie sich wenden sollen, und gehen dann im Zweifel in die Notaufnahme.“
Der Kassenverband fordert die flächendeckende Einrichtung zentraler Anlaufstellen an Kliniken. Sie sollen die Patienten je nach Dringlichkeit an die richtige Stelle verweisen. Ziel dieser sogenannten Portalpraxen sei, abzuklären, ob es sich um eine Bagatellerkrankung oder einen Notfall handelt. Die Portalpraxen sollen den Notaufnahmen vorgelagert werden, sodass dort nur echte Notfälle landen. Weniger dringende Fälle sollen von Haus- oder Fachärzten behandelt werden.
Notaufnahme - nicht für alle Patienten wirklich notwendig
Viele Kassenärztliche Vereinigungen lehnen eine flächendeckende Einführung solcher „Portale“ jedoch ab. Sie haben die Sorge, dass die Praxen Patienten verlieren, weil Menschen mit akuten Beschwerden nur noch dorthin gehen. Die baden-württembergische Kassenärztliche Vereinigung forderte gestern stattdessen eine Gebühr für Patienten, die mit nur leichten Beschwerden in die Notaufnahmen drängen.
Das Modell der Portalpraxen wird bereits seit einem Jahr an den Kliniken Augsburg und Bobingen praktiziert. Die Notaufnahmen werden dabei von Bereitschaftspraxen der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern (KVB) unterstützt. Sie decken die normale hausärztliche Versorgung an Wochenenden und abends ab und sollen Patienten übernehmen, die nicht in die Notaufnahme gehören – und das ohne lange Wartezeiten. „Es ist eine Entlastung“, sagt Markus Wehler, Chefarzt am Augsburger Klinikum.
Notaufnahme in Augsburg soll weiter entlastet werden
Der Leiter der Notaufnahme kritisiert aber, dass es keinen gemeinsamen Steuerpunkt gibt, von dem aus die Patienten entweder in die Notaufnahme oder in die Bereitschaftspraxis weitergeschickt werden. Außerdem fordert er, dass diese Praxen rund um die Uhr besetzt sind. Mit 1300 Patienten in Augsburg und 400 Patienten in Bobingen pro Monat sind die Praxen allerdings noch lange nicht ausgelastet: „Wir haben noch Kapazitäten“, sagt Manuel Holder von der KVB.
Laut einer Studie des Augsburger Klinikums wendet sich die Hälfte der Patienten an die Notaufnahme, weil sie sich im Krankenhaus besser behandelt fühlten. Ein weiteres Drittel wollte sich in der Notaufnahme eine zweite Meinung einholen, wie eine Patientenbefragung von 2015 ergab. Die Menschen wüssten außerdem, dass sie im Krankenhaus das vollständige Paket in ein paar Stunden bekommen, während sie bei Fachärzten wochenlang warten müssten, sagt Wehler.
Auch das Klinikum Kempten zählt mehr Fälle. Seit Eröffnung der zentralen Notaufnahme vor drei Jahren stieg die Patientenzahl um rund ein Drittel: „Die Notaufnahme ist phasenweise deutlich überfüllt“, sagt Christine Rumbucher, Sprecherin des Klinikverbundes Kempten-Oberallgäu.
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