Nutzungsbedingungen: Wie Facebook über seine Mitglieder herrscht
Facebook zwingt den Nutzern am heutigen Freitag neue Nutzungsbedingungen auf. Dabei leidet der Schutz privater Daten. Doch wo bleibt der Aufschrei? Ein Kommentar.
Die Deutschen haben ein gespaltenes Verhältnis zum Datenschutz. Die Empörung über die jüngsten Spionageaffären ist kaum abgeflaut. Es ärgert Bürger, dass von Regierungen eingesetzte Geheimdienste Rahmendaten privater E-Mail-Korrespondenz ausgespäht haben sollen. Vielen ist es freilich auch egal.
Facebook hat neue Nutzungsbedingungen
Die Debatte um die Vorratsdatenspeicherung köchelt ebenso weiter. Hier nehmen Teile von Politik und Gesellschaft eine überaus kritische Haltung ein. Ihre Wortführer tragen größte Bedenken vor, selbst wenn es um die Vereitelung möglicher Terroranschläge geht. Die Frage, was der Staat im Rahmen des Datenschutzes darf, und viel mehr die, was er nicht darf, wird sensibel diskutiert.
Ganz anders im Fall Facebook. Heute präsentiert das größte soziale Netzwerk der Welt neue Nutzungsbedingungen. Ergebnis: Ab sofort weiß das Unternehmen nicht nur, was auf den hauseigenen Seiten angeklickt wird. Es protokolliert auch, wie sich jemand „draußen“, im freien Internet, bewegt. Facebook erstellt, so der Vorwurf, detaillierte Nutzerprofile.
Doch wo bleibt der Aufschrei? Anders als bei staatlich organisierter Schnüffelei nimmt man es offenbar nicht so genau mit dem Datenschutz, wenn ein privatwirtschaftliches US-Unternehmen die Datenangel auswirft – noch dazu zu rein kommerziellen Zwecken. Die von Facebook aufgezwungenen Spielregeln scheinen selbst die Netzgemeinde weniger zu interessieren als die jüngsten Entwicklungen im Dschungelcamp. Heftig auch die Aufregung, als Facebook in dieser Woche für eine Dreiviertelstunde nicht erreichbar war!
Die Politik schaut machtlos zu. Der Rechtsausschuss des Bundestages räumt kleinlaut ein, dass Facebook mit juristischen Mitteln derzeit schwer beizukommen sei. Es bleibt bei dem halbseidenen Appell an die US-Boys, bitte, bitte nicht alles, was technisch machbar ist, auch zu verwirklichen. Die Politiker haben ein weiteres Problem, eines der Glaubwürdigkeit. Fast alle nutzen soziale Netzwerke ungeniert zu eigenen Zwecken – Stichwort Wahlkampf 3.0.
Natürlich ist nicht alles schlecht, was Facebook jetzt einführt. Die Mitglieder bekommen endlich ein Werkzeug, Inhalte besser zu filtern. Und höhere Werbeerlöse streben auch andere Internetunternehmen an. Das kann man Facebook nicht ankreiden. Der Dienst ist gratis, die Masse der Nutzer nicht bereit, dafür zu bezahlen. Für ein Fünf-Euro-Gewinnspiel aber tut sie fast alles. Persönliche Daten? Gefällt mir!
Die Herde trabt da lang, wo Facebook sie haben will
So lebt Facebook gut von dem, was die Mitglieder liefern. Es hat die systematische Durchleuchtung der Nutzer nicht erfunden. Viele arbeiten schon länger damit. Google lässt grüßen.
Der Unterschied liegt in der Methode. Seriöse Anbieter bitten vorab um Einverständnis. Sie erklären, was sie tun. Facebook dagegen lässt jeden Anstand vermissen. Transparenz? Fehlanzeige! Das beginnt damit, dass die neuen Regeln automatisch greifen, sobald sich ein Mitglied einloggt – Widerspruch unmöglich. Und es endet damit, dass Facebook jedem, der sich beschwert, nichts anderes anbietet als die Kündigung.
Wenn das so einfach wäre. 28 Millionen Deutsche sind registriert. In der jüngeren Generation sind Online-Plattformen Kommunikationsmittel Nummer eins. Viele Menschen können nicht mehr ohne. Sie „posten“ mit Leidenschaft, oft leichtsinnig. Selbst wenn einzelne Schäfchen umkehren – die Herde trabt da lang, wo Facebook sie haben will. Bei aller berechtigten Kritik an der gefräßigen Datenkrake: Das größte Risiko für die Privatsphäre sitzt manchmal vor dem Bildschirm.
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