Pegida: Die Politik muss die Sorgen der Bürger ernst nehmen
In der Dresdner Protestbewegung "Pegida" kommt ein tiefes Unbehagen zum Vorschein, das bis in die Mitte der Gesellschaft hineinreicht. Wie soll die Politik reagieren?
Die etablierten deutschen Parteien begingen einen schweren Fehler, wenn sie die aus dem Nichts entstandene Protestbewegung „Pegida“ als lokales und vorübergehendes Phänomen abtun würden. Zwar gelingt es den „Patriotischen Europäern gegen die Islamisierung des Abendlandes“ einstweilen nur in Dresden, tausende von Menschen auf die Straße zu bringen. Von einer Massenbewegung in der Republik kann also keine Rede sein. Doch spiegeln sich in den Demonstrationen die Sorgen und Ängste von Millionen Menschen wider. In Dresden kommt jenes diffuse Unbehagen zum Vorschein, das tief hineinreicht bis in die Mitte der Gesellschaft und durch Umfragen hinlänglich belegt ist. Da braut sich etwas zusammen, das an den Aufstieg nationalistischer Gruppierungen in anderen EU-Ländern erinnert und das stabile deutsche Parteiensystem nachhaltig erschüttern könnte.
Die Proteste sind ein Symptom der Vertrauenskrise
Der Zulauf und die Sympathien für Pegida – und das macht den Kern des Problems aus – zeugen von der wachsenden Entfremdung zwischen Bevölkerung und Politik. Die Proteste sind ein Symptom jener Vertrauenskrise, die sich seit langem in einer niedrigen Wahlbeteiligung und in der inneren Abwendung vieler Menschen vom Getriebe der (verachteten) Politik zeigt. Man versteht einander nicht mehr – buchstäblich, weil immer mehr Bürger ihre Lebenswirklichkeit ganz anders wahrnehmen als die Politiker. Es sind ja nicht nur Rechtsextreme, die auf die Straße gehen und den Protest für ihre üblen Zwecke nutzen wollen.
Der überwiegende Teil der friedlichen Demonstranten ist offenbar gutbürgerlicher Herkunft und steht für jenen wachsenden Teil der Bevölkerung, der sich von den herrschenden Parteien alleingelassen und irgendwie angeschmiert fühlt. Man ist irgendwie gegen das „System“ und gegen „die da oben“, hat Angst vor „Überfremdung“ und Islamismus, klagt über Sozialmissbrauch durch Ausländer und kleine Renten, sympathisiert mit Putin oder kehrt das Deutschsein hervor. Es ist ein teils krudes, Daten und Fakten ausblendendes, ressentimentgeladenes Stimmungsgemisch, das eine große Verunsicherung zeigt.
Mit besserem Zuhören und Erklären ist es nicht getan
Die Pegida-Mixtur aus Rechtsradikalen und Wutbürgern macht es der Politik doppelt schwer, auf diese Herausforderung zu antworten. Schwingt sie, wozu SPD und Grüne reflexhaft neigen, die Neonazi-Keule und klebt allen das Etikett Ausländerfeinde auf, werden sich die Demonstranten nur bestätigt fühlen. Lässt sich die Politik – wozu die CDU/CSU neigt – auf die Forderungen etwa nach einer schärferen Asylpolitik zu sehr ein, geht die nötige Abgrenzung nach rechtsaußen verloren. So schwierig diese Gratwanderung ist: Die pauschale Stigmatisierung der Bewegung als fremdenfeindlich ist falsch. Der Kampf gegen Rechtsextremismus ist deutsche Staatsräson, hier darf es auch künftig kein Wackeln geben. Die Sorgen jener vielen Bürger jedoch, die nichts mit den radikalen Kräften am Hut haben, müssen endlich wahr- und ernst genommen werden.
Mit besserem Zuhören und Erklären ist es dabei allerdings nicht getan. Es setzt auch die Bereitschaft zum Handeln und zum offenen Benennen der Probleme voraus. Deutschland ist ein Einwanderungsland, das vielen Flüchtlingen und Verfolgten Schutz gewährt. Die Deutschen sind weder fremdenfeindlich noch Islamhasser. Aber es braucht eine Politik, die Einwanderung auch nach eigenem Interesse gestaltet, Missbrauch konsequent unterbindet und allen Neuankömmlingen die Bereitschaft zur Integration und zur Akzeptanz der Spielregeln abverlangt. Wenn dies geschieht, werden die wirklichen Ausländerfeinde auch künftig auf verlorenem Posten stehen.
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