Pflegenotstand: Neue Forderungen nach mehr Personal und Geld
Ändert sich nichts, könnte das Pflegesystem laut Experten zusammenbrechen. Die Träger der Freien Wohlfahrtspflege fordern deshalb nicht nur eine bessere Bezahlung.
Während Experten darüber streiten, ob der Pflegenotstand bevorsteht oder längst eingetreten ist, fordern die Träger der Freien Wohlfahrtspflege in Bayern mehr Personal und bessere Bezahlung von Pflegekräften. Die Stimmen, die für Deutschland, aber auch für den Freistaat einen Zusammenbruch des Systems voraussagen, wenn sich nichts ändert, mehren sich.
Das drängendste Problem ist die Unterfinanzierung
"Es droht ein Kollaps in puncto Qualität und Finanzierung", sagte der Landesgeschäftsführer des BRK, Leonhard Stärk, unserer Zeitung. Unterfinanzierung ist für Stärk das drängendste Problem: "Unsere Einrichtungen arbeiten mit einem Personalschlüssel von 1999, die Leistungen für stationäre Pflege sind gar seit 1996 unverändert." Auf der anderen Seite würden die Bewohner der Einrichtungen immer älter, entwickle sich Demenz zu einer "Volkskrankheit". Angesichts der daraus resultierenden Belastung für die Pflegekräfte hält Stärk "Pflegeskandale für vorprogrammiert".
Auch in BRK-Einrichtungen habe es leider in der Vergangenheit Probleme dieser Art gegeben, räumt Stärk ein. Das BRK hat zusammen mit der Arbeiterwohlfahrt, Caritas, Diakonie und weiteren Trägern unter dem Titel "Wert der sozialen Arbeit" Forderungen an die Politik formuliert.
Neben dem Ruf nach mehr Geld aus der Pflegeversicherung für pflegebedürftige Menschen, mehr und besser bezahltem Personal sowie der Refinanzierung der Personalkosten über Pflegesätze und Gebühren fordert die Freie Wohlfahrtspflege eine "echte und sofortige" Reform des Pflegebedürftigkeitsbegriffs. Gemeint ist mehr Zeit für Zuwendung, weg von der Abwicklung von "Verrichtungen" im Minutentakt nach der Maxime "satt und sauber".
Sozialministerin Haderthauer: "Ich möchte die Träger unterstützen"
Bayerns Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU) verweist jedoch darauf, dass die Träger Pflegesätze und Personalschlüssel für Bayern nicht mit dem Freistaat, sondern den Kostenträgern, also den Krankenkassen und den Bezirken, aushandeln. Doch auch die Ministerin hat beobachtet, "dass es einigen Trägern offenbar seit einiger Zeit schwerfällt, in den Verhandlungen berechtigte Forderungen durchzusetzen".
Für legitim hält die Ministerin das Ansinnen der Träger der Wohlfahrtspflege, dass die Kostenträger zukünftig bayernweit den Tariflohn anerkennen und refinanzieren. Das gilt auch für die Forderung nach mehr Pflege pro Bedürftigen: "Ich möchte die Träger unterstützen, einen zeitgemäßen Personalschlüssel durchzusetzen", sagte Haderthauer unserer Zeitung. Verhandelt wird im April oder Mai.
100.000 Unterschriften für eine "menschenwürdige Pflege"
Allerdings trauen viele Angehörige von Pflegebedürftigen der Politik nicht mehr zu, das Steuer herumzureißen. Sie schließen sich zusammen. So wie die Initiative "Rosenblätter im Irrgarten", die am Montag im Bundestag fast 100 000 Unterschriften für eine "menschenwürdige Pflege" übergibt.
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