Pkw-Maut: Teuer erkaufte Gerechtigkeit
Eine einfache politische Botschaft zu haben, bedeutet noch nicht, dass diese auch so einfach umsetzbar ist. Dobrindts Maut-Modell überzeugt noch nicht.
In der Sprache der Politik gibt es eine Formel, die gerne verwendet wird, wenn die Argumente knapp werden: „Wir schließen damit eine Gerechtigkeitslücke.“ Das klingt positiv, ist aber mindestens genauso ultimativ wie die berühmten Kanzler-Machtwort-Formeln „basta“ oder „alternativlos“.
Dass ausländische Pkw-Fahrer deutsche Autobahnen bisher kostenlos nutzen dürfen, während deutsche Autofahrer in vielen anderen europäischen Ländern längst Maut bezahlen, hat die CSU als eine solche Gerechtigkeitslücke erkannt. Die „Pkw-Maut für Ausländer“ wurde geboren. Im gleichen Atemzug hieß es, kein deutscher Autofahrer solle finanziell zusätzlich belastet werden. Mit diesem konkreten Thema ließ sich im vergangenen Jahr sehr plakativ Wahlkampf machen.
Aber: Eine einfache politische Botschaft zu haben, bedeutet noch lange nicht, dass sie auch so einfach umsetzbar ist. Im Wahlkampf noch CSU-Lautsprecher, der auch mal über das Ziel hinausschießen darf, muss Alexander Dobrindt als Bundesverkehrsminister nun ausgewogene Gesetzentwürfe erarbeiten, die sowohl seinem Wahlversprechen als auch den übergeordneten Prinzipien der Europäischen Union gerecht werden. Nichts wäre peinlicher, als wenn die neue deutsche Maut als diskriminierend, also ungerecht eingestuft und dann von Gerichten gestoppt würde.
Bürokratiekosten gewaltig und verschwendet
Im Prinzip ist gegen eine Infrastrukturabgabe nichts einzuwenden. Warum sollen Autofahrer für die Benutzung von Straßen nicht ebenso bezahlen wie beispielsweise für das Telefonieren oder den Besuch eines Hallenbades? Die Maut ist eine Möglichkeit, das bezahlte Geld gezielt in die Verkehrsinfrastruktur zu lenken. Für Lastwagen – auch die ausländischen – gibt es sie längst. Der große Unterschied zu Dobrindts Pkw-Maut-Plänen: Die Lkw-Gebühr gilt nur für Autobahnen und ausgewählte vierspurige Bundesstraßen. Außerdem werden nur tatsächlich gefahrene Kilometer abgerechnet, was das System effektiver und gerechter macht. Wer fährt, der zahlt; wer viel fährt, der zahlt auch viel.
Aber gibt es überhaupt eine Gerechtigkeit im Verkehr? Allzu leicht wird vergessen, dass die Autofahrer auch dafür Milliarden bezahlen, dass die Fahrbahnen die immense Dauerbelastung durch Lkw ertragen. Die beziffert sich bei einem 40-Tonner annähernd mit dem 100 000-fachen eines Durchschnitt-Pkw, sagen Straßenbauingenieure. Genauso macht das bisherige Kfz-Steuersystem, das nun durch die pauschale Pkw-Maut gesplittet wird, keinen Unterschied zwischen Viel- und Wenigfahrern, was ebenso eine politisch hingenommene Form der Ungerechtigkeit ist.
Dobrindts Systemwechsel verfolgt das Ziel, Ausländer zur Kasse bitten zu können. Den erwarteten zusätzlichen Einnahmen von jährlich 860 Millionen Euro stehen aber Bürokratiekosten von 260 Millionen Euro gegenüber. Das ist eine gewaltige, unproduktiv verschwendete Summe für eine von Auto zu Auto individuell unterschiedlich zu berechnende, dabei den Geldbeutel der Deutschen nicht zusätzlich belastende, dafür aber umso schwieriger zu kontrollierende Maut. Es verbleiben dem Verkehrsminister somit 600 Millionen Euro, die er sich am Ende auch noch mit den Bundesländern wird teilen müssen.
Ein zukunftsweisendes Modell ist diese neue Verkehrsabgabe noch nicht. Sie ist viel zu kompliziert und löst nicht das Grundproblem. Die Autofahrer zahlen bereits zig Milliarden Euro an Kfz- und Mineralölsteuer. Trotzdem fehlt Geld für den Bau und die Reparatur von Straßen und Brücken. Aber das ist eine andere Gerechtigkeitslücke, die wohl nie geschlossen wird.
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