Quo vadis, AfD - Das Jahr der Entscheidung
Auch nach dem Wahlerfolg in Hamburg geht in der AfD der Streit um den richtigen Kurs weiter. Im November will sich die Partei ein Grundsatzprogramm geben. Das wird spannend.
Obwohl sie noch blutjung ist, kann sie sich über Erfolge nicht unbeschwert freuen: Kaum war am Sonntag sicher, dass die AfD in Hamburg den Sprung ins Landesparlament geschafft hat, ging schon der Streit los, warum ein besseres Ergebnis als 6,1 Prozent verfehlt wurde. Ihr Spitzenkandidat Jörn Kruse – wie Parteichef Bernd Lucke ein Wirtschaftswissenschaftler – hatte einen moderaten Wahlkampf mit viel Marktwirtschaft ohne nationalkonservative Töne gemacht. Am Ende stand immerhin der erste Einzug in ein westdeutsches Landesparlament. Ein Resultat, das Lucke dann auch als „gut“ bezeichnete.
Kampf der Parteiflügel: AfD ist intern noch uneinig
„Wir sind keine rechte Partei, Themen wie die anti-islamische Pegida sind uns aufgezwungen worden“, sagte Kruse. Ein Satz, den die Co-Parteichefin Frauke Petry so kaum formuliert hätte: „Das Wahlergebnis hätte besser sein können“, monierte sie denn auch. Und Parteisprecher Konrad Adam pochte darauf, dass die AfD auch „nationalkonservativ“ bleiben müsse.
Willkommen im Kampf der Parteiflügel, der in diesem Jahr auf einen Showdown zulaufen könnte. Mit welchen Mitteln und welchem Ergebnis dieser Konflikt geführt wird, könnte darüber entscheiden, ob sich die AfD etabliert. „Ich erwarte heftige Auseinandersetzungen. Auch weil die Landesverbände zum Teil völlig unterschiedlich ausgerichtet und oft intern noch uneinig sind“, sagt der Politikwissenschaftler Jürgen Falter unserer Zeitung.
Er rechne damit, dass die „nationalkonservativen Kräfte versuchen werden, Parteichef Lucke mit ihren Positionen einzumauern“. Falter ist sich sicher, dass die AfD beides benötigt: „Die euroskeptischen Elemente der Wirtschaftsliberalen, aber auch Stimmen, die für einen entschlossenen Kampf gegen Kriminalität stehen und der Sorge vor ungebremster Zuwanderung Ausdruck verleihen.“
Umfrage: Auch Wähler nehmen AfD als zerstritten wahr
Gleich drei Bundesparteitage leistet sich die Partei in diesem Jahr: Im Juni soll – so lautete der Beschluss vom Parteitag Anfang des Jahres – eine Doppelspitze für eine Übergangszeit gewählt werden. Nach dem Stand der Dinge wird diese aus Bernd Lucke und Frauke Petry bestehen. Auf dem Programmparteitag Ende des Jahres will Lucke alleine die Führung übernehmen, dann könnte Petry ihm als Generalsekretärin zur Seite stehen. Nicht nur außerhalb der AfD wird allerdings bezweifelt, dass die beiden Kontrahenten tatsächlich in der Lage sind, effektiv zusammenzuarbeiten.
Eine Gefahr für die Partei könnte es sein, dass sie sich nun über Monate in einen Streit über die zukünftige Linie verzettelt. Schon jetzt zeigt eine Umfrage von infratest dimap für den ARD-Deutschlandtrend, dass fast 70 Prozent der Wähler in Hamburg die Partei als „zerstritten“ wahrgenommen haben. 71 Prozent haben die AfD nicht aus „Überzeugung“, sondern aus „Enttäuschung“ über andere Parteien gewählt.
All dies legt nahe, dass die AfD fürchten muss, die gewonnenen Wähler auch schnell wieder zu verlieren. Deutlich wird in dieser Umfrage zudem, dass die Bürger, die in der Hansestadt für die AfD gestimmt haben, sehr wohl weit mehr als die Wähler der anderen Parteien „Flüchtlinge als Problem im Alltag empfinden“ – im Verhältnis 42 zu 11 Prozent. Da verwundert es nicht, dass auch das Verständnis für die Pegida-Märsche unter AfD-Wählern mit 73 Prozent weit höher ist als beispielsweise bei CDU-Wählern mit 20 Prozent.
Experte: AfD ist nicht einfach nur rechtspopulistisch
War also der Kurs des AfD-Rechten und Lucke-Widerparts Alexander Gauland richtig, auf die Pegida-Anhänger zuzugehen, nur logisch? Parteienexperte Jürgen Falter glaubt das nicht: „Eine zu große Nähe zur Pegida würde viele Wähler verschrecken. Und die Partei in den Medien zum Abschuss freigeben. Insofern war es richtig, dass Lucke Distanz gewahrt hat.“ Dennoch werde von der AfD erwartet, sich um die Sorge vor Zuwanderung zu kümmern. Denn: „Die Menschen sind von Migration wohl nicht objektiv bedroht, aber subjektiv beunruhigt“, sagt Falter.
Die Frage wird sein, ob die Partei auf Dauer Pole wie Lucke und Gauland in sich vereinen kann. Sieht man den Parteichef politisch so wie Falter es tut, dürfte das schwierig werden: „Lucke ist ein überzeugter Transatlantiker, alles andere als ein Putin-Versteher wie Gauland und Petry. Er ist auch nicht deutschnational-konservativ, sondern eher wertkonservativ.“
Ende des Jahres könnte sich entscheiden, welchen Weg die AfD einschlägt. Falter warnt davor, die Partei kurzerhand als „rechtspopulistisch“ zu klassifizieren. "Das ist ein billiger Vorwurf. Alle Parteien sind bisweilen populistisch. CSU-Chef Horst Seehofer ist zum Beispiel bei bestimmten Anlässen weit populistischer als Bernd Lucke."
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