RWE fordert längere Laufzeit für Gundremmingen
Konzerne stemmen sich gegen Zeitplan. Unverständnis in Europa über Ausstieg
Augsburg Die Laufzeit des bayerischen Kernkraftwerks Gundremmingen rückt in den Mittelpunkt des politischen Streits um den von der Bundesregierung geplanten Atomausstieg. Die großen Energiekonzerne äußern immer lauter Kritik an den Ausstiegsbeschlüssen der Bundesregierung und fordern Entschädigungen für wegbrechende Einnahmen. Der Chef des Energiekonzerns RWE, Jürgen Großmann, forderte in einem Protestbrief an Bundeskanzlerin Angela Merkel eine Verlängerung der Laufzeit für das Kraftwerk Gundremmingen.
Der RWE-Chef forderte, dass auch der Block B genauso lang wie der kaum ältere Block C bis zum angepeilten Ausstiegsjahr 2021 laufen solle. „Dass die Bundesregierung das Aus der Kernenergie beschlossen hat, müssen und werden wir selbstverständlich akzeptieren“, schrieb Großmann. Es sei aber unverständlich, warum Gundremmingen B vier Jahre früher abgeschaltet werden solle als der baugleiche und nur wenige Monate später in Betrieb gegangene Schwesterreaktor Gundremmingen C. Beide Kernkraftwerke „sollten den gleichen Abschalttermin erhalten, also Ende 2021“, bat Großmann die Kanzlerin. „Das würde für RWE einen Teil des Schadens heilen“, fügte eine Sprecherin des Energiekonzerns hinzu.
Die Energiekonzerne fürchten Milliardeneinbußen wegen des Atomausstiegs, weil ein großer Teil ihrer rechtlich zugesicherten Reststrommengen einfach verfallen würde. Nach Industrieangaben könnte Atomstrom im Umfang von 60 bis 80 Terawattstunden in einem Wert von rund vier Milliarden Euro nicht mehr produziert und verkauft werden. Der AKW-Betreiber Vattenfall forderte deswegen einen „fairen Ersatz“ von der Regierung.
Koalition streitet über drohende Schadenersatzforderungen
Die möglichen Schadenersatzansprüche der Konzerne haben jetzt auch in der Regierungskoalition einen heftigen Streit ausgelöst. Die FDP schob die Verantwortung für drohende Klagen der Atomkonzerne Kanzlerin Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer zu. Das Problem, dass die Konzerne ihre Reststrommengen nicht mehr rechtzeitig verbrauchen könnten, sei offenkundig: „Wir haben davor gewarnt und hätten für dieses Risiko gerne Vorsorge getroffen“, sagte FDP-Generalsekretär Christian Lindner.
Nach einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen wächst in Europa der Unmut über den deutschen Alleingang beim Atomausstieg. In der europäischen Regulierergruppe für Strom und Gas mit Sitz in Laibach heißt es demnach, dass viele Regierungen verstimmt seien, weil sich die deutsche Regierung nicht enger mit ihnen abgestimmt habe. In Spitzenzeiten, etwa im Hochsommer oder in kalten Wintertagen, steige daher mit der Abschaltung der deutschen Reaktoren die Wahrscheinlichkeit von Netzausfällen. Zudem werde der Ausstieg Deutschlands aus der Kernenergie zu höheren Strompreisen auch in den Nachbarländern führen. (mit afp, dpa) "Kommentar S. 2 und Politik
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