Rösler als Nachfolger - Die FDP wählt die kleine Lösung
Philipp Rösler soll neuer Chef der FDP werden. Statt des großen personellen Befreiungsschlages setzt die FDP damit auf die kleine Lösung.
Stundenlang haben die FDP-Spitzen und -Bundestagsabgeordneten hinter verschlossenen Türen über die Nachfolge ihres langjährigen Vorsitzenden Westerwelle beraten. Noch während die Sitzung andauert, tritt Rösler dann aus dem Saal und vor die Presse: Die Entscheidung für seine Kandidatur beim Parteitag im Mai sei ihm schwergefallen, "aber es geht darum, für die FDP wieder mehr Glaubwürdigkeit zu gewinnen", verkündet der Hoffnungsträger der Liberalen. "Ich will das beste Team aufstellen", fügt der Niedersachse mit vietnamesischen Wurzeln hinzu.
Doch statt des großen personellen Befreiungsschlags setzt die FDP auf die kleine Lösung. Zwar soll Philipp Rösler die neue Galionsfigur an der Spitze der Liberalen werden - unter dem lauten Applaus von etwa 130 Spitzenpolitikern und Abgeordneten der FDP hat der erst 38-Jährige am Dienstag in Berlin seine Kandidatur für die Nachfolge des zuletzt glücklosen Guido Westerwelle als Parteichef angekündigt. Doch abgesehen davon bleibt vorerst personell alles beim Alten: Sowohl der unter Beschuss geratene Wirtschaftsminister Rainer Brüderle als auch die nicht sonderlich beliebte Fraktionschefin Birgit Homburger dürfen ihre Ämter behalten.
Erste Zweifel an Röslers Durchsetzungsfähigkeit
Rösler mit seiner Geradlinigkeit, seinem Humor und seiner Authentizität werde die FDP wieder auf den Erfolgspfad führen, freut sich Generalsekretär Christian Lindner. Doch solche Ankündigungen können nichts daran ändern, dass bereits erste Zweifel an der Durchsetzungsfähigkeit des künftigen Parteichefs aufkommen. Denn tagelang war in Berlin darüber spekuliert worden, dass Rösler den Parteivorsitz nur dann übernehmen wolle, wenn er gleichzeitig an die Spitze des Wirtschaftsressorts wechselt - das sich für die Außendarstellung wesentlich besser eignet als das undankbare Gesundheitsministerium.
Brüderle darf bleiben
Doch der zuletzt wegen der Affäre um seine Äußerungen zur Atom-Kehrtwende unter Beschuss geratene Brüderle hält an seinem Sessel fest - und darf im Amt bleiben. Zwar erklärt Rösler dazu, dass die FDP sich vielleicht mal wieder an die alte Tugend erinnern müsse, sich gegenseitig zu stützen, wenn "einer von uns in die Kritik gerät". Doch in der Konsequenz wird sich Rösler als Parteichef künftig parallel weiter mit dem Problem herumschlagen müssen, wie er der Gesundheitspolitik einen FDP-Stempel aufdrücken kann. Denn vielen auch in der eigenen Partei ist die von ihm bislang durchgesetzte Mini-Kopfpauschale lange nicht genug.
Bei den FDP-Abgeordneten herrscht nach der Sitzung im Reichstag gleichwohl zufriedene Stimmung darüber, dass Rösler künftig die Geschicke der Partei lenken soll. Er finde den Niedersachsen sehr gut, sagt sogar der sonst um Kritik nicht verlegene Schleswig-Holsteiner Wolfgang Kubicki. Die Entscheidung für Rösler könne nur ein erster Schritt sein, schränkt indes der Vorsitzende der Jungen Liberalen, Lasse Becker, ein.
In der Tat bleibt auch die vielbeschworene inhaltliche Erneuerung der Liberalen vorerst vage: Lindner spricht von einem "aktivierenden Sozialstaat", was mehr Freiheit für das Individuum bei weniger Bürokratie bedeute. Auch die Wirtschaftskompetenz will die Partei - repräsentiert durch alte Kämpen wie Brüderle - weiter auf ihre Fahnen schreiben. Dies läuft auf ein gepflegtes "Sowohl als auch" hinaus, wie es auch schon in der Programmdiskussion der vergangenen Monate zu vernehmen war.
Als die Beratungen der FDP am Spätnachmittag ihrem Ende zugehen, bleibt es Westerwelle überlassen, ein Signal der Beruhigung an den Koalitionspartner CDU/CSU zu senden. Der scheidende Vorsitzende habe in seinem Schlusswort an die 93 Abgeordneten gefragt, ob irgendjemand die Regierungsmannschaft der FDP in Frage stelle, verlautet aus Teilnehmerkreisen. Daraufhin habe niemand etwas gesagt. So dürfte dem 49-jährigen sein Außenministeramt wohl erhalten bleiben - auch wenn an der Seite der Kanzlerin bald Rösler als neuer Vizekanzler sitzt. afp
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