SPD-Generalsekretärin Barley: "Was die CSU macht, ist gefährlich"
SPD-Generalsekretärin Katarina Barley sieht ihre Partei als treibende Kraft bei der Lösung der Flüchtlingskrise. Auf CSU-Chef Horst Seehofer ist sie nicht gut zu sprechen.
Die 47-jährige Juristin Katarina Barley sitzt seit 2013 als Kandidatin für den Wahlkreis Trier im Bundestag. Am 11. Dezember 2015 wurde sie auf dem SPD-Bundesparteitag zur Generalsekretärin gewählt.
Frau Barley, Sie sind zum ersten Mal als SPD-Generalsekretärin hier in Bayern. Wissen Sie, wie schlecht es Ihren Genossen hier geht? Kennen Sie die Umfragewerte?
Katarina Barley: Selbstverständlich kenne ich die Situation der SPD in Bayern. Ich habe ein enges, freundschaftliches Verhältnis zu den bayerischen Kolleginnen und Kollegen in unserer Bundestagsfraktion. Und ich kann Ihnen versichern: Die machen einen guten Job. Sie hätten mehr Zustimmung verdient.
Im Moment sieht es aber – zumindest in Bayern – so aus, als würden die Wähler nur noch der CSU zutrauen, die Flüchtlingskrise zu lösen.
Barley: Was die CSU macht, ist gefährlich. Es ist gefährlich, gegenüber den Menschen so zu tun, als gäbe es einfache Lösungen. Einfach mal Obergrenzen zu definieren, löst die Probleme nicht. Das heißt aber nicht, dass es keine Lösungen gibt.
CSU-Chef Horst Seehofer und seine Mitstreiter zeigen sich überzeugt, dass es genauso kommen wird, wie sie vorhersagen, und dass auch der SPD am Ende nichts übrig bleiben wird, als auf diesen Kurs einzuschwenken.
Barley: Das würde bedeuten, dass man Deutschland einzäunt. Einfach die Schlagbäume runterzulassen, würde ja nicht ausreichen. Das ist nicht meine Vorstellung. Ich möchte nicht in einem eingemauerten Land leben. Deutschland ist weder mit den USA oder Australien und auch nicht mit Dänemark zu vergleichen. Wir haben eine gemeinsame Grenze mit neun Nachbarländern. Wir treiben Handel mit ihnen. Das trifft ganz besonders auf Bayern als wirtschaftlich starkes Land zu. Würde man hier die Grenzen dichtmachen, dann würde man unserem Land schweren wirtschaftlichen Schaden zufügen.
Das Argument, dass die Belastbarkeit an ihre Grenzen kommt, ist aber doch nicht von der Hand zu weisen.
Barley: Es ist klar: Wir können nicht jedes Jahr eine Million Flüchtlinge bei uns aufnehmen. Aber die offenen Binnengrenzen in Europa sind eine große Errungenschaft. Deshalb müssen wir mit der Sicherung der europäischen Außengrenzen vorankommen. Wir brauchen geordnete Zuwanderung. Wenn es gelingt, das über Kontingente zu organisieren, dann können wir besser bestimmen, wer kommt, wann Flüchtlinge kommen und wohin sie kommen. Davon profitieren alle: Wir, die Anrainerstaaten und die Flüchtlinge.
Aber ist auf diese Art eine Begrenzung zu erreichen?
Barley: Wir würden dadurch zu einer kontrollierten Zuwanderung kommen, ohne dabei das individuelle Grundrecht auf Asyl außer Kraft zu setzen.
Dennoch werden viele Menschen ungeduldig, auch viele der Ehrenamtlichen, die Flüchtlingen helfen.
Barley: Ich verstehe das gut. Wir sind, ehrlich gesagt, auch manchmal ungeduldig – vor allem, wenn wichtige Aufgaben nicht erledigt werden. Nehmen Sie den Bundesinnenminister. Dass er 3000 zusätzliche Bundespolizisten und 4000 zusätzliche Mitarbeiter für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bekommt, das hat die SPD in den Bundeshaushalt reinverhandelt. Herr de Maizière sorgt noch nicht einmal selbst dafür, dass er genug Leute hat. Er sitzt im Bremserhäuschen. Aber wir schieben ihn an.
Und wie geht es Ihnen in der Großen Koalition mit der CSU?
Barley: Bei der CSU liegt die eigentliche Schwierigkeit darin, dass der Ärger nicht aus der CSU-Landesgruppe im Bundestag kommt, sondern aus dem Landtag oder vom CSU-Parteivorsitzenden. Beim Asylpaket II zum Beispiel war das wirklich sehr mühsam. Richtig dreist wird es, wenn die CSU dann noch sagt, dass wir blockieren.
Die CSU ist die kleinste Partei in der Großen Koalition. Vielleicht ist es einfach Verzweiflung über die eigene Machtlosigkeit.
Barley: Das hab ich mich auch schon gefragt. Die Auseinandersetzung in der Union hat eine Dimension angenommen, die man schon lange nicht mehr kannte. Jetzt klagt die CSU auch noch vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die eigene Regierung.
Herr Seehofer hat damit kein Problem. Er sagt, die SPD habe das auch schon gemacht – in Hamburg, gegen das Betreuungsgeld.
Barley: Das stimmt, aber da ging es im Kern um eine Kompetenzfrage. Bei der Klage der CSU ist das anders. Das ist schon starker Tobak.
Zurück zum Flüchtlingsthema. Hat die SPD einen Plan?
Barley: Ja, aber es gibt, wie gesagt, nicht eine einfache Lösung. Wir brauchen ein Bündel von Maßnahmen. Langfristig geht es um die Bekämpfung von Fluchtursachen. Kurzfristig müssen wir zum einen die Anrainerstaaten unterstützen. Die Leute wollen ja lieber in der Nähe ihrer Heimat, ihres Kulturkreises bleiben. Zum anderen brauchen wir eine Vereinbarung mit der Türkei, damit sie die Grenze zu Griechenland sichert. Wir bieten dafür im Gegenzug an, Kontingente zu übernehmen. Und schließlich müssen wir bei der Bearbeitung der Anträge schneller werden. In Rheinland-Pfalz klappt die komplette Registrierung schon binnen 48 Stunden. Danach muss schnell entschieden werden, wer bleiben darf und wer nicht.
Wie viele Flüchtlinge kann Deutschland verkraften?
Barley: Ich habe da keine Marke. Wir hatten seit 1990 rund 20 Millionen Zuwanderer, aber wir hatten auch 19 Millionen, die ausgereist sind. Mir kommt es darauf an, dass wir von einer unkontrollierten zu einer geordneten Zuwanderung kommen. Wir hätten schon viel früher die Instrumente dafür schaffen müssen, aber die Union hat sich immer verweigert.
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