Schlagloch-Soli: Wie marode sind unsere Straßen wirklich?
Der vom SPD-Politiker Albig geforderte Schlagloch-Soli wird heftig kritisiert. Doch fest steht: Gegen die bröckelnde Infrastruktur wird seit Jahrzehnten zu wenig unternommen.
Eine Sonderabgabe für deutsche Straßen. 100 Euro pro Autofahrer und Jahr, um das Verkehrsnetz wieder auf Vordermann zu bringen. "Hat dieser Ministerpräsident ein Rad ab?" Diese Frage schleuderte Bild stellvertretend für die Autofahrer-Nation Torsten Albig (SPD) entgegen. Der Vorschlag des Landesvaters von Schleswig-Holstein wird seit Ostern in der Luft zerrissen - auch von den Parteifreunden.
Immerhin hat Albig erreicht, dass das Land über den Zustand der Straßen, ja der gesamten Infrastruktur diskutiert. Dass da einiges im Argen liegt, ist seit Jahren bekannt. Unzählige Studien belegen den schlechten Zustand von Autobahnen, Bundes-, Landes- und Gemeindestraßen. Experten warnen seit Jahren eindringlich davor, dass Deutschland im Begriff ist, sein einst weltweit gerühmtes Verkehrsnetz verkommen zu lassen. Bei Albig hörte sich das nicht viel anders an: "Ein Land, in dem Straßen und Brücken verrotten, wird selber verrotten", warnte der Ministerpräsident.
Ist das übertrieben? Vertreter der Wirtschaft glauben das nicht. Laut einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) spürt das Gros der Unternehmen bereits empfindliche Einbußen durch Staus und Verspätungen. Rund zwei Drittel der 2800 von dem arbeitgebernahen Institut befragten Firmen gaben dies zumindest an. Das IW sieht langfristig die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft in Gefahr, wenn der Staat nicht entschieden gegensteuert.
Eine Herkulesaufgabe. Denn der Güter- und Personenverkehr wächst weiter. Dies zeigte eine noch von der rot-grünen Regierung in Auftrag gegebene Prognose: Danach hat alleine das Güterverkehrsaufkommen auf der Straße in den letzten beiden Jahrzehnten um drei Viertel zugenommen. In den nächsten zehn Jahren wird ein weiterer Zuwachs um zwei Drittel prognostiziert.
ADAC fordert mehr Milliarden für die Straßen
Der ADAC-Verkehrsexperte Jürgen Berlitz kritisiert, dass die Politik auf dieses Szenario nicht entschlossen reagiert. "Man weiß, was zu tun ist. Doch anstatt dauerhaft ausreichend Mittel für den Ausbau und Erhalt der Straßen auszugeben, werden immer wieder Sonderprogramme aufgelegt, die nicht nachhaltig wirken", sagte Berlitz unserer Zeitung. Der ADAC geht davon aus, dass dazu auf lange Sicht 7,5 Milliarden Euro zusätzlich pro Jahr nötig wären.
Eingestellt sind bis 2017 jährlich nur fünf Milliarden Euro. Berlitz fürchtet, dass sich so der Zustand der Fernstraßen weiter verschlechtert. Die Lkw-Maut habe keine Rettung gebracht. "Das Geld wurde zwar in die Straßen investiert, dafür flossen gleichzeitig aber weniger Steuermittel. So hat sich das Niveau effektiv nicht erhöht."
Was das bedeuten kann, zeigte sich, als die marode Autobahnbrücke über dem Rhein bei Leverkusen Ende 2012 für den Schwerverkehr gesperrt werden musste. Ein monatelanges Verkehrschaos war die Folge. Ähnliche Situationen kann es jederzeit wieder geben. Denn Brücken sind die neuralgischen Punkte des Straßennetzes.
Vieles bröckelt nun gleichzeitig
Das Deutsche Institut für Urbanistik sieht insbesondere auf die Städte und Gemeinden ein riesiges Problem zurollen. Nach einer Studie des Instituts sind viele der 67 000 kommunalen Straßenbrücken "in schlechtem oder gerade noch ausreichendem baulichen Zustand". Der errechnete finanzielle Aufwand für den Erhalt der Bauwerke bis 2030 liegt bei 17 Milliarden Euro. Was für die Brücken ausgegeben werden muss, über die der Fernverkehr fließt, ist unklar - um Milliardensummen handelt es sich mit Sicherheit.
Wie konnte es so weit kommen? ADAC-Mann Berlitz spricht von einer "Zeitfalle", in die die Politiker getappt sind. Jetzt schnappt sie zu: In den siebziger Jahren wurde in die deutsche Infrastruktur investiert wie nie zuvor. Straßen, Bahnstrecken, aber auch Schulen, Sporthallen und vieles mehr wurden errichtet. Weil vieles gleichzeitig bröckelt, hat sich ein Berg an Problemen aufgetürmt.
Berlitz nennt das Beispiel Straßenbrücken: "Damals ging man davon aus, dass die Bauwerke 80 bis 100 Jahre halten. Heute - nach 40 Jahren - sind bereits viele Brücken marode, weil sich die Verkehrsbelastung viel extremer entwickelt hat, als in den Siebzigern vorausberechnet." Berlitz’ Vorwurf an die Politik: "In den achtziger Jahren warnten Experten vor den Folgen, dennoch wurde weiter auf Verschleiß gefahren, statt in den Erhalt zu investieren." Ein teurer Fehler, wie sich heute zeigt.
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