Schulz setzt auf die Diesel-Affäre
SPD-Kanzlerkandidat Schulz ist sicher: "Ich werde Kanzler", sagt er im ZDF-Interview. Er hat vor allem eine wunde Stelle bei Kanzlerin Merkel ausgemacht, die er bearbeiten will.
Mit scharfen Attacken auf die deutschen Autobosse versucht Martin Schulz, Bundeskanzlerin Angela Merkel doch noch vom Sockel zu stoßen. Zwar führt Merkels CDU in den Umfragen zur Wählergunst scheinbar uneinholbar vor Schulz und seinen Sozialdemokraten. Doch im ZDF-Sommerinterview beteuert Schulz unverdrossen, er werde Kanzler oder habe jedenfalls beste Chancen dazu. Allein: Bislang hat keines der Themen, mit denen Schulz die Bürger von sich überzeugen wollte, wirklich gezündet. Ob Rente, Rüstung, Gerechtigkeit oder Flüchtlinge – der Mann aus Würselen schaffte es einfach nicht, die Kanzlerin in die Enge zu treiben.
Der Diesel-Skandal, so hofft der SPD-Bewerber, bietet nun die Chance, zu zeigen, wo CDU und CSU Fehler gemacht haben – und wo es seine Partei besser machen würde. Seinen Angriff richtet Schulz nicht auf Merkel direkt, sondern vor allem auf Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU), der laut einer neuen Umfrage unbeliebtester Ressortchef im amtierenden Kabinett ist. Beim Diesel-Gipfel unter Dobrindts Regie sei ja „nix bei rumgekommen“, unkt Schulz. In der Affäre um manipulierte Abgaswerte bei Millionen von Dieselfahrzeugen müssten nun die Dieselfahrer, hauptsächlich Pendler, kleine Handwerker und Lieferanten die Zeche zahlen. Martin Schulz: „Nee, da bin ich entschieden gegen.“
Hart kritisiert Schulz die „verantwortungslosen Manager der Automobilindustrie“, die die „Zukunft verpennt“ hätten, in wichtigen Bereichen nichts investiert hätten. Immer steht im Hintergrund der Schulz-Attacken der Vorwurf, Dobrindt und mit ihm auch Merkel hätten der Autoindustrie zu viel durchgehen lassen.
SPD: Schulz setzt auf Abgas-Affäre
Schulz will den Autoherstellern nun strengere Regeln auferlegen. Die Forderungen laufen im Wesentlichen darauf hinaus, dass die Tricksereien bei den Abgaswerten ein für allemal beendet werden. Ein Kontrollsystem, das den realen Fahrbedingungen entspricht, die Ansiedlung der Abgastests beim Umweltministerium und nicht mehr beim Verkehrsministerium, und die Verbesserung der Sauberkeit bei den betroffenen Dieselfahrzeugen über das jetzt vereinbarte Software-Update hinaus – damit zielt Schulz direkt gegen Dobrindt und damit auf einen wunden Punkt der Kanzlerin. Die weiß natürlich um die Gefahr – und lässt den Angriff wieder einmal ins Leere laufen. Bei ihrem Wahlkampfauftakt in Dortmund – mitten im SPD-Stammland Nordrhein-Westfalen, das freilich bei den jüngsten Landtagswahlen an die CDU fiel – folgt die Kanzlerin ihrer bewährten Taktik, ignoriert die SPD-Vorstöße weitgehend.
Ihrerseits kritisiert sie die Autoindustrie fast noch schärfer, als Schulz es tut. Die Manager hätten viel Vertrauen verspielt, indirekt zeiht sie die Bosse gar der Lüge, wenn sie davon spricht, Marktwirtschaft brauche Ehrlichkeit. Von Fahrverboten für Dieselautos hält sie dagegen nichts, damit weiß sie Millionen von Autokäufern auf ihrer Seite. Lediglich auf Schulz’ Forderung nach einer verbindlichen Quote für Elektroautos geht sie kurz ein – und tut sie als „nicht durchdacht“ ab.
In der Tat stößt der Kuschelkurs der Bundesregierung gegenüber der Autoindustrie vielen Bürgern sauer auf. Aber die SPD ist Teil der Großen Koalition und nicht nur deshalb Teil des Problems. Über Gewerkschaften und Betriebsräte sind die Sozialdemokraten eng mit der Branche verflochten. Gut eine Millionen Menschen arbeiten in Deutschland direkt oder indirekt in der Autobranche und sie zählen zur Hauptzielgruppe der SPD. Es gilt: Die Deutschen sind stolz auf ihre Autos und die Firmen, die sie herstellen. Zu Recht wünschen sie sich, dass betrogene Käufer entschädigt und betrügerische Manager hart bestraft werden. Doch dafür, dass die Politik die Konzerne nun hart angreift, gibt es im Land wenig Verständnis. Denn was hätte die Nation denn schon davon, die noch immer funkelnden Kronjuwelen der heimischen Industrie zu beschädigen? Ins Fäustchen lachen würde sich die ausländische Konkurrenz.
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