Seehofers Kurs in der Energiepolitik ist brandgefährlich
Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer hat sich in eine Sackgasse manövriert. Er steht bei Stromtrassen- und Windkraftgegnern im Wort. Aber es fehlt ein Masterplan.
Horst Seehofer mag kein Klein-Klein in der Politik. Auf die großen Linien komme es an, doziert er gerne. Die bayerische Energiepolitik ist allerdings das komplette Gegenteil dieser goldenen Regel: Bereits seit Monaten verzettelt sich Seehofers Energieministerin Ilse Aigner in unzähligen Detailproblemen, die für sich genommen durchaus Bedeutung haben mögen. Ohne einen Plan, wohin der Weg überhaupt führen soll, sind solche Diskussionen jedoch ohne Ziel.
Der große Masterplan für die Energiewende in Bayern fehlt seit gut eineinhalb Jahren komplett. Damals hatte der Ministerpräsident im Wahlkampf ein noch 2011 von ihm selbst vollmundig als Modell für Deutschland und Europa angepriesenes Energiekonzept de facto in die Tonne getreten.
Seitdem sagen Seehofer und Aigner, die den energiepolitischen Wendungen ihres Chefs meist nur hinterherhechelt, vor allem, was nicht mehr geht in Bayerns Energiepolitik. Was stattdessen gehen soll, bleibt dagegen weitgehend offen.
Seehofer hat sich in eine Sackgasse manövriert
Auch Aigners Regierungserklärung war in diesem Sinne nur eine Bestandsaufnahme bestehender Probleme. Viele Fragen, keine Antworten. Von einer Idee, wie Bayerns Energieversorgung sicher, bezahlbar und sauber werden soll, dagegen weiter keine Spur.
Mit einem „Dialogprozess“ will sich die Seehofer-Regierung nun über diese energiepolitische Sprachlosigkeit retten. Das klingt auf den ersten Blick gut, ist aber letztlich nur ein politisches Placebo: Auch dort werden sich die widerstreitenden Meinungen zu Einzelfragen nicht in Luft auflösen. Alle Argumente sind zudem längst bekannt. Und der Gesamtverantwortung für die bayerische Energiepolitik kann sich die Staatsregierung ohnehin nicht entziehen.
Das bestehende Entscheidungs-Vakuum ist jedenfalls für ein Industrieland wie Bayern brandgefährlich. Schließlich hing der wirtschaftliche Aufstieg des Freistaats vom Agrarland zum Vorzeige-Industriestandort nicht zuletzt auch an einer verlässlichen und günstigen Energieversorgung. Schon jetzt beklagt die Wirtschaft, dass bereits zehn Prozent der bayerischen Industriefirmen wegen der hohen Strompreise Kapazitäten im Freistaat abgebaut und Produktionsstätten verlagert haben.
Die große Linie in der Energiepolitik der CSU ist aber nicht erkennbar. Seehofer hat sich in eine Sackgasse manövriert. Er ist drauf und dran, es sich mit der Wirtschaft und den Naturschutzverbänden gleichermaßen zu verscherzen. Er steht bei Stromtrassen- und Windkraftgegnern im Wort. Gleichzeitig muss er für die dauerhafte Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandortes Bayern sorgen. Ein Widerspruch, der nur sehr schwer auflösbar sein wird.
Jetzt soll die Bundesregierung die Probleme lösen
2011 konnte für Seehofer der eigene Energiewendeplan gar nicht selbstbewusst genug sein. Heute soll es die Bundesregierung sein, die die bayerischen Probleme löst. Doch die Vorstellung etwa, dass die neuen Ökostrom-Produzenten im Norden zugunsten Bayerns auf die Chance neuer Industrieansiedelungen verzichten, indem ihre eigenen Bürger den teureren bayerischen Gas-Strom mitsubventionieren, während die eigenen Windkraftanlagen Strom für die Mülltonne produzieren, dürfte nicht sehr realistisch sein.
Im kommenden Jahr, so hat Seehofer gestern versprochen, will er endlich wissen, was er in der Energiepolitik will. Vor drei Jahren allerdings hat er so getan, als wüsste er es schon. Die Größe der Aufgabe war auch damals schon bekannt. Warnungen aus den eigenen Reihen wollte er aber nicht hören. Auch deshalb muss sich Seehofer nun an den eigenen Ansprüchen messen lassen.
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