Stolz auf den verlorenen Sohn
In Vietnam feiern die Zeitungen die Karriere des Kriegswaisen Philipp Rösler als Erfolgsgeschichte für ihr Land.
Peking Man soll einen Menschen nicht nach seinem Aussehen beurteilen, wünscht sich der Volksmund. Wenn das nur so einfach wäre. Der neue FDP-Chef Philipp Rösler hat stets klargemacht, dass seine vietnamesische Herkunft für ihn nicht mehr als eine Äußerlichkeit ist, ein biografischer Zufall, der einem deutschen Jungen „ein schmaleres Augenpaar, eine flachere Nase, schwarze Haare“ beschert habe.
Doch obwohl der Kriegswaise schon mit neun Monaten als Adoptivsohn eines deutschen Ehepaars in die Bundesrepublik kam und seine alte Heimat erst als über Dreißigjähriger wiedersah, lässt ihn Vietnam nicht los: Seine ehemaligen Landsleute verfolgen Röslers Karriere aufmerksam und verbinden mit seinem Aufstieg die Hoffnung, dass der neue Vizekanzler auch an ihre Interessen denkt. Schließlich fühlen sich die Vietnamesen ihrer weit verstreuten Exilgemeinde patriotisch verbunden, und als deutscher Parteivorsitzender, Wirtschaftsminister und stellvertretender Regierungschef ist Rösler einer ihrer erfolgreichsten Vertreter.
Als „Deutschlands original-vietnamesischen Vizekanzler“ feiert ihn die Zeitung Nguoi Lao Dong. „Neue Zukunft für Vietnamesen in Deutschland“, titelt auch das Blatt Saigon Giai Phong (Befreites Saigon) und hebt hervor, Rösler Aufstieg sei besonders außergewöhnlich, da die Deutschen traditionell eine „reine Kultur“ pflegten und unwillig seien, nicht gebürtige Deutsche zu akzeptieren. Das Internetportal VN Time betont, dass Rösler gleichzeitig Deutschlands jüngster und erster asiatischstämmiger Vizekanzler sei. „Philipp Rösler hat Vietnam früh verlassen und keine Beziehung zur vietnamesischen Kultur“, schreibt der Internetdienst Saigon Online. „Trotzdem erfüllt sein Erfolg viele Auslandsvietnamesen mit Stolz.“ Seine Laufbahn sei ein Beleg dafür, dass „die vietnamesische Auslandsgemeinschaft sich erfolgreich integriert hat und dies durch positive Beispiele beweisen kann“.
Dabei beruht das vietnamesische Loblied auf Röslers Integrationsfähigkeit auf einem Missverständnis. Rösler hat nie die Rolle des Politikers mit Migrationshintergrund gesucht. Trotzdem hat er die Avancen der in Deutschland lebenden Vietnamesen nie zurückgewiesen. Er ist ein regelmäßiger Gast in der vietnamesischen Botschaft und unterstützte als Gesundheitsminister die medizinische Kooperation zwischen beiden Ländern. Der staatliche Radiosender „Voice of Vietnam“ will bei Rösler nichtsdestotrotz ein besonderes Engagement für Immigrationsthemen ausgemacht haben und prophezeit eine „weichere, sozialere FDP, wenn die unternehmensfreundliche Partei ihm freie Hand lässt“.
Nicht nur Vietnams Medien suchen in Röslers Karriere typisch vietnamesische Bedeutungsschichten. Auch in Internetforen wird über den FDP-Politiker diskutiert. „Philipp Rösler ist ein Beispiel dafür, dass Vietnam ein Land voller Talente ist“, schreibt ein Kommentator auf der Seite des Wirtschafts-Nachrichtendienstes VN Economy. „Leider haben bei uns viele junge Menschen nicht die Gelegenheit, ihre Begabungen voll zu entfalten.“ Röslers Erfolg solle Vietnam anspornen, sein eigenes Bildungssystem zu reformieren.
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