Todestag vor 2000 Jahren: Was hat Augustus mit Augsburg zu tun?
Vor 2000 Jahren starb der damals mächtigste Mensch der Welt: Kaiser Augustus. Er hinterließ prächtige Bauten ebenso wie Spuren großer Brutalität. Und eine schöne Stadt.
Für jemanden, der nun schon 2000 Jahre tot ist, hat er noch ganz schön viel Leben in sich. Immer sonntagnachmittags spaziert er in goldschimmernder Römer-Rüstung und einem Paar Sandalen durch Augsburg. Schließlich trägt die Stadt seinen Namen. Man darf nur nicht meinen, dass Kaiser Augustus deshalb Tränen der Rührung vergießt. Im Gegenteil: An Gunstbeweise aus aller Welt ist er gewöhnt. In Augsburg erzählt er denjenigen, die ihn nicht so gut kennen, dass er am liebsten Feldbrot gegessen hat – ganz die alte römische Kriegerschule. Und er fällt auch 2000 Jahre später noch in Agonie, wenn er an Varus und die drei besiegten römischen Legionen im Teutoburger Wald denkt. „Gib sie mir wieder!“ Dass er als Einziger Sandalen und Rüstung trägt, dass ihn die Heutigen irritiert anstarren, wenn er durch „seine“ Stadt schreitet, scheint ihn nicht zu stören. Wer einmal Kaiser des römischen Imperiums war, ist es auch nach dem Tod gewohnt, im Mittelpunkt der Welt zu stehen.
Kaiser Augustus hat die römische Republik in eine Monarchie verwandelt
Zu Ende ging dieses unwahrscheinliche, erfolgreiche und immer wieder höchst gefährdete Leben von Kaiser Augustus am 19. August im Jahr 14 nach Christus, also in dem Monat, der nach ihm benannt ist. Und allen im Römischen Reich war bewusst, dass die Herrschaft im Anschluss an seinen Schwiegersohn Tiberius übergehen würde. Augustus hatte geschafft, was Jahrzehnte zuvor undenkbar war: Er hatte die stolze römische Republik in eine Art Monarchie verwandelt, in der die Alleinherrschaft dynastisch weitergegeben wurde.
Wie eine Ironie des Schicksals verweist der Todestag des Kaisers auf einen Tag in seinem Leben, an dem er unrühmlich zum ersten Mal als Konsul gewählt wurde. Den Senatoren blieb am 19. August 43 vor Christus wenig anderes übrig. Der 19-Jährige hatte mit seinen Truppen Rom im Handstreich eingenommen. Daraufhin setzte er den Würdenträgern das Kurzschwert auf die Brust. Heute würden Uno-Wahlbeobachter laut aufheulen und das Ergebnis völlig zu Recht als Wahlbetrug anzweifeln.
Auf diese Anfänge war Augustus nie stolz. Und gäbe es nur diese Anfänge, kaum ein Mensch würde heute noch von ihm sprechen. So aber schlüpft Sommersonntag für Sommersonntag ein Schauspieler in Augsburg in die Rolle des Augustus, der aus dem Hades zurückkehrt, um der nach ihm benannten Stadt in der Provinz Rätien seine Aufwartung zu machen. Der Schauspieler-Augustus wundert sich, dass so vieles Römische in Augsburg nicht mehr zu sehen ist, während eine Führerin die antiken Ursprünge der Stadt erklärt und ihre Gruppe vom Rathaus zur Römermauer zum Archäologischen Garten und vor das geschlossene Römische Museum führt. Vorbei kommt man zum Beispiel auch an einem Augsburger Hotel, das Augustus im Namen trägt und auf der Internetseite einen Porträtkopf vom ersten Bürger Roms präsentiert. Ob Augustus mit einem Drei-Sterne-Haus in seinem Namen einverstanden gewesen wäre? Wahrscheinlich ja, schließlich erließ er Gesetze gegen übermäßigen Luxus. Noch vielmehr hätte ihm aber das Superior gefallen. Alle sollten sich seiner Macht beugen.
Augustus’ politische Geschichte begann mit dem Tod seines Großonkels Gaius Julius Caesar. Die Ermordung des Diktators auf Lebenszeit stürzte die römische Republik in einen erneuten Bürgerkrieg, in dem mehrere Feldherrn mit brutaler Härte für ihre eigenen Interessen kämpften. Die Feldherrn und nicht mehr die Senatoren hatten das Sagen. Im Grunde hatte die Republik als Staatsform abgewirtschaftet.
Kaiser Augustus wurde als Gaius Octavius geboren
Es war die Schattenzeit des Augustus, der damals noch nicht seinen vom Senat verliehenen Ehrennamen („Der Erhabene“) trug. Namen spielten in seinem Leben aber auch damals eine große Rolle. Als Gaius Octavius wurde er geboren. Von seinem Großonkel Gaius Julius Caesar wurde er als Sohn adoptiert. Schließlich vermachte der große Feldherr testamentarisch auch seinen Namen an ihn. Ein Pfund, mit dem Augustus überreichlich wucherte. Im Bürgerkrieg entpuppte er sich als ein schwer zu schlagender, zäher, nicht zu entmutigender Gegner, der langfristig auch Rückschläge in Gewinne umwandeln konnte. Und gleichzeitig wurde er lange unterschätzt, weil er nicht nur für heutige, sondern auch für römische Verhältnisse blutjung war.
Auch an Skrupellosigkeit nahm er es mit seinen Rivalen auf. Im Kampf gegen die Caesar-Mörder Brutus und Cassius, später gegen seinen anfänglichen Mitverbündeten Marcus Antonius brach er ein ums andere Mal Gesetze, die für die römische Republik bedeutend waren. Politische Gegner wurden für vogelfrei erklärt, geächtet und oft genug getötet – manchmal nur des Geldes wegen, weil die gewaltigen Armeen riesige Summen verschlangen. Bekanntestes Opfer der Mordwelle war Cicero. In den 44 Jahren, die er nach seinem Triumph im Bürgerkrieg allein herrschte, hinterließ Augustus aber ein Lebenswerk, das die Anfänge lange Zeit völlig in den Schatten stellte.
Der Augsburger Althistoriker Gregor Weber sieht vier Gründe für den gewaltigen Nachruhm: Augustus hat die Alleinherrschaft in Rom begründet und sie mit großer Strahlkraft versehen. „Augustus hat es außerdem verstanden, exzellent in alle Welt zu kommunizieren“, sagt Weber. Außerdem strahle sein Stern vor dem Hintergrund der schlechten römischen Kaiser umso heller. Und mit seiner entschiedenen Baupolitik hat Augustus im ganzen römischen Imperium seine Marken gesetzt.
Augsburg ist als Militärsiedlung entstanden
Eine dieser Marken ist Augsburg, entstanden als Militärsiedlung im großen Germanienfeldzug, den Augustus’ Stiefsöhne Tiberius und Drusus 15 vor Christus begannen und damit einen fast dreißigjährigen Krieg in Mitteleuropa einleiteten. Aus der Militärsiedlung wurde eine zivile Siedlung – Augusta Vindelicum, die gegen Ende des ersten Jahrhunderts nach Christus prosperierende Provinzhauptstadt wurde.
Aus Augusta Vindelicum wurde im Lauf der Zeit Augustus Burg, daraus dann das heutige Augsburg. Noch heute taucht das „Augusta“ an Stellen auf, an denen es kaum vermutet würde: Ein Personaldienstleister, eine Bank und eine Hausverwaltung – eine Eisdiele, ein Campingplatz und eine Gebäudereinigungsfirma – eine Brauerei, eine Freimaurerloge und eine Ultra-Fan-Vereinigung des FC Augsburg tragen Augustus im Namen. Die Aufzählung ist nicht vollständig.
Als Augustus den Bürgerkrieg entschieden hatte, gelang es ihm anders als seinem politischen Ziehvater Caesar, die römische Führungsschicht, die Angst um ihre Privilegien hatte, auf die eigene Seite zu ziehen. Mit feinem Gespür ließ er sich neue Machtbefugnisse überschreiben, ohne die Aristokratie überflüssig zu machen. Und er machte sich an die Aufgabe, seiner Alleinherrschaft einen geschichtlichen Sinn einzuhauchen: die Pax Augusta, der Friede im Inneren des Reichs. Auch wenn das nicht bedeutete, dass das Imperium auf Kriege verzichtete. Augustus ließ seine Legionen, die er als Berufsarmee aufstellte, permanent an den Grenzen kämpfen, um die Herrschaft auszudehnen und dadurch zu sichern. Friede im Inneren und dauernde Kriege an den Grenzen waren die Mittel, die beim Hochadel und dem einfachen Volk ankamen.
Kaiser Augustus erließ ein strenges Sitten- und Ehegesetz
Augustus knüpfte an die römische Religiosität an und rückte bald selbst als Sohn des vergöttlichten Caesars in den Mittelpunkt kultischer Verehrung. Schon sein Ehrenname Augustus („der Erhabene“) entrückte ihn von den übrigen Menschen. Er erließ strenge Sitten- und Ehegesetze. Nicht nur sollte die Prunk- und Verschwendungssucht des Hochadels eingedämmt werden, auch über die Ehe wollte Augustus wachen. Wichtig war ihm, dass sich die Oberschicht daran hielt. Männer und Frauen unterlagen von einem gewissen Alter an der Ehepflicht, außerdem wurde ihnen die Zeugung von mindestens drei Kindern zur Aufgabe gemacht. Dass Augustus selbst sich nach diesen Regeln von seiner Frau Livia hätte scheiden lassen müssen, weil die Ehe kinderlos blieb, störte ihn nicht. Das Gesetz galt für die anderen. Mit seiner Frau blieb er – trotz einiger Seitensprünge – bis zu seinem Tod zusammen.
Die nach ihm benannte Stadt Augsburg sah Augustus nie selbst. Jahrhunderte später allerdings markierte ein Prachtbrunnen auf dem Rathausplatz in der Stadt eine neue Zeit: Mit dem Augustusbrunnen zog die Renaissance in Schwaben ein. Der Kaiser ist als 50-jähriger Herrscher mit dem Siegeslorbeer um das Haupt dargestellt, als ob er eine Ansprache hielte. Der Brunnen verweist auf das Alter der Stadt und auch darauf, dass sie als freie Reichsstadt nur dem Kaiser und keinem Fürsten unterstellt ist – ein Kunstwerk mit Hintersinn.
Die Dichter sahen mit der Herrschaft von Augustus ein Goldenes Zeitalter beginnen
Auch Augustus selbst wusste schon zu Lebzeiten, wie wichtig die Kunst für die Herrschaft ist. Er liebte Monumentalbauten und verwandelte Rom. Anstelle von Ziegelsteinen ließ er Marmor verbauen, sein Rom schimmerte weiß und golden. Und er förderte geschickt und gezielt die großen römischen Dichter: Vergil, Horaz und Ovid – sie alle hinterließen Verse, in denen auch zu lesen war, dass mit Augustus’ Herrschaft ein neues Goldenes Zeitalter anbrach. Am Ende dieses langen Kaiserlebens waren nicht die Millionen Münzen, auf denen sein Abbild zu sehen war, auch nicht die vielen, vielen Statuen von ihm, sondern der Dichterruhm das Beständigste für sein historisches Fortleben.
Auch im Sterben, mit 76 Jahren, wollte Augustus Größe und Würde zeigen. Als er sich in Nola von Freunden und früheren Konsuln verabschiedete, fragte er sie auf Griechisch, wie es sonst Schauspieler am Ende eines Stückes tun, ob er seine Rolle mit Anstand gespielt habe. „Dann klatscht Beifall.“ Nur einen gab es in seinem Reich, der ihn an Bekanntheit übertraf. Dieser lebte im äußersten Osten des Imperiums in Nazareth und wurde wahrscheinlich volljährig, als der große Kaiser starb: Jesus von Nazareth.
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