Türkei greift Ziele in Syrien an
Türkische Streitkräfte haben am Mittwoch Vergeltungsangriffe auf Ziele in Syrien gestartet. Zuvor waren bei einem Granatbeschuss fünf türkische Zivilisten getötet worden.
Eskalation im Syrien-Konflikt: Wenige Stunden nach einem Granatenangriff auf ein türkisches Grenzdorf hat die türkische Armee am Mittwoch erstmals Ziele in dem vom Bürgerkrieg erschütterten Nachbarland angegriffen. Der Einsatz sei Reaktion auf eine Attacke syrischer Regierungstruppen, bei der fünf Türken getötet worden waren, teilte das Büro des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan mit. International löste der Angriff Besorgnis aus. Noch am Mittwochabend wollte sich die Nato auf einer Krisensitzung in Brüssel mit der Lage befassen.
Es gehe um Konsultationen nach Artikel vier des Nato-Vertrags, berichteten Diplomaten in Brüssel. Der Artikel sieht Beratungen vor, wenn eines der Mitglieder die Unversehrtheit seines Gebiets als bedroht ansieht.
Noch vor Bekanntwerden des türkischen Gegenangriffs hatte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon sich zutiefst besorgt über die Lage gezeigt. Die Türkei müsse alle Kommunikationskanäle zu syrischen Behörden offenhalten, um einen weiteren Aufbau von Spannungen zu vermeiden, sagte Ban nach Angaben eines Sprechers bei einem Telefonat mit dem türkischen Außenminister Ahmet Davutoglu. sich
Die USA verurteilten den Angriff auf das türkische Dorf. "Wir sind empört darüber, dass Syrier über die Grenze geschossen haben", sagte Außenministerin Hillary Clinton am Mittwoch in Washington.
Bundesaußenminister Guido Westerwelle wollte die Zuspitzung der Lage nach dem türkischen Gegenangriff zunächst nicht kommentieren. "Ich werde mich dazu äußern, wenn ich mit meinem türkischen Amtskollegen gesprochen habe", sagte er am Mittwochabend am Rande einer Feier zum Tag der Deutschen Einheit in Paris. "Wir sind zum Telefonat verabredet."
In dem türkischen Dorf Akcakale waren nach türkischen Angaben mindestens drei aus Syrien abgefeuerte Granaten eingeschlagen, von denen eine vier Kinder und deren Mutter tötete. 13 weitere Menschen wurden verletzt, darunter mehrere Polizisten. Fernsehsender zeigten Dorfbewohner, die in Panik über die Straßen rannten oder Deckung suchten.
Man habe die Angreifer mit Hilfe von Radargeräten identifiziert, teilte die Regierung in Ankara mit. Die türkische Artillerie habe sie dann unter Feuer genommen. Berichte über Opfer auf syrischer Seite wurden zunächst nicht bekannt.
Die Ortschaft Akcakale liegt unmittelbar an der Grenze zu Syrien und nahe des lange umkämpften Grenzübergangs Tell Abjad, den syrische Rebellen nach zweitägigen Gefechten eingenommen hatten.
Die Türkei hat seit Beginn des Bürgerkrieges im Nachbarland mehr als 93.000 syrische Flüchtlinge aufgenommen. Die Forderung Ankaras, eine Schutzzone für Vertriebene auf der syrischen Seite der Grenze einzurichten, hat international keine ausreichende Unterstützung erhalten. Die türkische Regierung sympathisiert mit den Assad-Gegnern. Versuchen der Konfliktparteien, die Türkei zu einem militärischen Eingreifen zu bewegen, hatte Ankara bisher widerstanden.
Auch in anderen Teilen Syrien dauerten die Kämpfe am Mittwoch an. In den Städten Aleppo und Deir as-Saur explodierten insgesamt fünf Autobomben vor öffentlichen Gebäuden. Bei allen fünf Explosionen seien vor allem Angehörige der Regierungstruppen getötet worden, meldeten Aktivisten.
Die Organisation Syrischer Menschenrechtsbeobachter sprach von 48 Toten und etwa 100 Verletzten alleine in Aleppo. Das syrische Fernsehen zeigte Bilder von Leichen und zerstörten Gebäuden im Stadtzentrum. Staatsmedien und die Opposition berichteten übereinstimmend, die ersten drei Sprengsätze seien vor dem Offiziersclub auf dem Saadallah-al-Dschabri-Platz in Aleppo explodiert. Auch ein daneben liegendes Hotel sei in Mitleidenschaft gezogen worden. Eine weitere Autobombe ging den Angaben zufolge in der Nähe des Gebäudes der Handelskammer an der Al-Mutanabbi-Straße in die Luft. Insgesamt sollen am Mittwoch in Syrien landesweit 136 Menschen getötet worden sein. dpa
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