Umfrage: Helmut Kohl ist noch heute bei Deutschen beliebt
Auch der europäische Staatsakt für Helmut Kohl findet breite Zustimmung bei den Deutschen. Warum Merkel und Schulz mit der Umfrage zufrieden sein können
Helmut Kohl ist seit einer Woche tot – wie denkt die Bevölkerung knapp 20 Jahre nach dem Ende von dessen Kanzlerschaft über sein politisches Lebenswerk? Weit überwiegend positiv, hat das neue Politbarometer des ZDF bei Umfragen Mitte dieser Woche herausgefunden.
Politbarometer: Kohl erhält Zustimmung aller politischen Lager
81 Prozent gaben dem ehemaligen CDU-Politiker eine gute Note, nur elf Prozent sagten, er habe seine Arbeit schlecht gemacht. Die Zustimmung erstreckt sich dabei über die Anhänger aller politischen Lager. Wobei sie bei CDU/CSU (92 Prozent) und FDP (94) deutlich größer ist als bei Grünen (65) oder Linken (62). Die SPD-Anhänger (75) bewegen sich in der Mitte.
Bleibt die Frage, ob es richtig ist, für Kohl am 1. Juli einen europäischen Staatsakt, wie es ihn noch nie gegeben hat, auszurichten. Knapp drei von vier Befragten waren dafür, 22 Prozent hielten das für nicht angemessen und fünf Prozent hatten dazu einfach keine Meinung.
Genau drei Monate vor der Bundestagswahl herrscht unterdessen für die Parteien an der Umfragefront relative Ruhe. Im Politbarometer gibt es sowohl für CDU/CSU als auch für die SPD weder ein Vor noch ein Zurück. Würde am Sonntag gewählt, bekämen Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihre Union 39 Prozent – falls die Deutung der Umfrageergebnisse richtig liegt. Herausforderer Martin Schulz und die Sozialdemokraten müssen sich mit 25 Prozent zufriedengeben.
Prognose: Diese Parteien könnten regieren, wenn jetzt Bundestagswahl wäre
Unter den Bundestagsparteien können sich im Vergleich zu Anfang Juni einzig die Grünen, die sich am vergangenen Wochenende mit ihrem Parteitag in Berlin inhaltlich in Erinnerung gebracht haben, leicht verbessern: von sieben auf acht Prozent. Der Linken geht es wie Union und SPD: Stillstand – in diesem Fall bei neun Prozent. Für FDP (unverändert acht Prozent) und AfD (sieben statt bisher acht) stehen nach wie vor die Chancen gut, bald ebenfalls dem Bundestag anzugehören.
Welche politisch denkbaren Koalitionen sind damit möglich? Natürlich weiter eine Große Koalition von CDU/CSU und SPD, die sich auch 19 Prozent der Befragten wünschen. Ansonsten nur ein „Jamaika-Bündnis“ von Union, Grünen und FDP, das allerdings in den Fantasien der Befragten keine größere Rolle zu spielen scheint. Schwarz-Gelb, für das es momentan aber nicht reichen würde, wünschen sich hingegen 18 Prozent.
Auf die Frage, welches Thema im Moment am wichtigsten ist, antwortet fast jeder Zweite: „Flüchtlinge, Ausländer, Integration“. Mit großem Abstand folgen „Soziales Gefälle“ (16 Prozent) „Terror, Krieg und Frieden“ (13) sowie Rente und Alterssicherung (12). Erst an sechster Stelle folgt – noch nach der Bildung (10) – das Thema „Kriminalität und innere Sicherheit“ (8). Interessant dabei: Die 1261 zufällig ausgewählten Wahlberechtigten hatten keine Vorgaben zur Auswahl, sollten aber bis zu zwei Themen nennen. Nur fünf Prozent sagten übrigens, dass für sie der „Verdruss über Politiker“ das wichtigste Problem sei.
Politiker: Wen die Bevölkerung für besonders wichtig hält
Die persönlichen Werte der zehn wichtigsten Politiker haben sich in den vergangenen drei Wochen fast durchgehend nach unten entwickelt, einzig SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz bleibt auf der Skala von +5 bis -5 stabil bei 0,8 Punkten. Gefragt wird dabei immer, wie Leistung und Sympathie eines Politikers beurteilt werden.
Auf dieser Liste steht Angela Merkel (2,1; -0,1 Punkte) weiter unangefochten an der Spitze vor dem grünen baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (1,8) und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble von der CDU (1,7). Schlusslichter der Top Ten sind weiterhin Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer (0,5) und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU; 0,2).
Die Diskussion ist geschlossen.
Ich stimme MIchael Sontheimer vom SPIEGEL zu:
"Über Tote nur Gutes? Geht leider nicht: Helmut Kohl war provinziell, patriarchalisch, abwehrend gegenüber Ausländern, herablassend zu Intellektuellen - und ganz gewiss kein Glücksfall für Deutschland.
Ein Unglück für Deutschland war der bekennende Pfälzer nicht, aber er war auch kein Glücksfall für die Bundesrepublik; und keine "Jahrhundertfigur", als welche der Altkanzler seit seinem Tod monoton gepriesen wird.
Nach den wilden Sechzigern und den sozialdemokratischen Siebzigern schwang mit ihm das Pendel zurück. Wieder nach rechts. Sein provinzieller und patriarchalischer Habitus drängte bei vielen unangenehme Erinnerungen an den Mief der Fünfzigerjahre auf.
Kohl und die Wahrheit: Die idyllischen Familienurlaubsfotos vom Wolfgangsee entpuppten sich als falsche Fassade einer dysfunktionalen Familie, in der das Glück von Frau und Kindern der Karriere des Patriarchen geopfert wurde.
Sein letzter politischer Akt war es, den ungarischen Rechtspopulisten Viktor Orbán zu sich nach Hause einzuladen. Ein beeindruckendes politisches Vermächtnis sieht anders aus."
Bringt ihn endlich unter die Erde und lasst ihn in Frieden.
NEIN, Herr Bomhard, da ist kein europäischer Staatsakt angedacht oder geplant.
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Mittlerweile sollten auch Journalisten den Unterschied von Staatsakt und Trauerfeier verinnerlichen.
Einen europäischen Staatsakt kann es m.e. per Definition schon nicht geben - oder ist Europa ein Staat?