Unter großem Protest: Castor Nummer 13 rollt nach Gorleben
Der Protest macht sich bereit: Am Wochenende rollt wieder ein Castor-Transport mit Atommüll ins Zwischenlager Gorleben. Insgesamt 19000 Polizisten bewachen die Behälter.
Am Wochenende rollt er wieder und der Protest bereitet sich schon lange darauf vor: Der 13. Castor-Transport fährt ins Zwischenlager Gorleben, der zwölfte und letzte mit hochradioaktiven Abfällen aus der französischen Wiederaufarbeitungsanlage La Hague. Beim Transport vor einem Jahr kamen 50000 Demonstranten, mehr als je zuvor, weil nur kurz zuvor die schwarz-gelbe Bundesregierung längere Akw-Laufzeiten beschlossen hatte. Der Protest erreichte neue Dimensionen: Der Transport dauerte länger als je zuvor, und die Polizei musste im Angesicht der Menschenmassen mit einem Notruf an die Länder die Zahl der eingesetzten Beamten aufstocken. Am Ende waren es fast 20000, die Kosten beliefen sich auf 36,5 Millionen Euro.
Laufzeitverlängerung ist Geschichte
In diesem Jahr aber ist die Laufzeitverlängerung Geschichte und der Atomaustieg nach der apokalyptischen Katastrophe von Fukushima beschlossene Sache. Im Wendland befürchtet man, nun wieder allein zu stehen im Kampf gegen die Lagerung von immer mehr Castoren im sogenannten Transportbehälterlager (TBL) Gorleben, kaum mehr als einen Steinwurf entfernt von dem Salzstock, der weiter untersucht wird auf Eignung als Endlager.
Es gibt in diesen Tagen viele Grenzgänger im Wendland rund um das Zwischenlager Gorleben, wo schon 102 Castorbehälter mit hoch radioaktivem Müll stehen. Da sind viele Tausend Polizisten, von denen die meisten eigentlich gegen die Atomenergie sind und trotzdem weiteren elf Castor-Behältern den Weg bahnen werden. Da sind örtliche Politiker, die am kommenden ersten Adventswochenende den Schlips gegen warme Unterwäsche und Parka tauschen, um an Sitzblockaden teilzunehmen. Und da sind, von der Polizei besonders gefürchtet, eigentlich wertkonservative Bauern, die auf ihre zum Teil furchterregend großen Trecker klettern, um sich der Staatsmacht in den Weg zu stellen.
Gegner vermuten Manipulation
Mehr als 1,6 Milliarden Euro haben die Atomkonzerne im "Transportbehälterlager" Gorleben bereits investiert, jeder weitere Castor vor Ort, so die Angst der Menschen im Wendland, erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass Gorleben auch Endlager wird. Widersprüchliche Berechnungen darüber, ob am Zaun des Lagers die vorgeschriebenen Grenzwerte bei der Neutronenstrahlung auch eingehalten werden, haben im Vorfeld des Transports für zusätzliche Aufregung gesorgt. Die Atomaufsicht stützt ihre Transportgenehmigung zwar ausdrücklich auf neue Berechnungen der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB), die Atomkraftgegner vermuten jedoch Zahlenmanipulationen.
19000 Polizisten, 20000 Demonstranten
Seit Ende der 1970er Jahre die Entscheidung für die Erkundung des Gorlebener Salzstocks als Endlager gefallen ist, wehrt sich die Bevölkerung vor Ort. Das hat die Region verändert: Damals gab es eine satte absolute CDU-Mehrheit im betroffenen Landkreis Lüchow-Dannenberg, heute sitzen die Christdemokraten in der Opposition, und ein buntes Bündnis der Gorleben-Kritiker regiert Deutschlands einwohnerschwächsten Landkreis mit kaum 48000 Menschen. Am kommenden Wochenende aber, zählt man Polizisten und Demonstranten dazu, wird sich die Einwohnerzahl vermutlich verdoppeln: 19000 Polizisten werden nach Angaben des Einsatzleiters Friedrich Niehörster aufgeboten, die Anti-Atomkraft-Bewegung hofft auf 20000 bis 30000 Demonstranten.
Der Betreiber des Zwischenlagers, die Gesellschaft für Nuklear-Service (GNS), hat vor wenigen Tagen vorgerechnet, wie oft sich das noch wiederholen wird. In La Hague warten nach diesem Transport noch elf Castoren mit schwach- und mittelaktivem Müll, in der britischen Aufarbeitungsanlage Sellafield weitere 21 mit hoch radioaktivem Müll. Weil das Schiff für den Seetransport nur sechs der rund 120 Tonnen schweren Schutzbehälter aufnehmen kann, sollen vier weitere Transporte rollen.
2017, so die Planung der GNS, geht die Ära der Castor-Transporte ins Gorlebener Zwischenlager zu Ende. Weil die Wiederaufarbeitung 2005 beendet worden ist, bleiben alle danach noch anfallenden abgebrannten Brennelemente für Jahrzehnte in den Zwischenlagern an den Atommeilern, bis es ein Endlager gibt - in Gorleben oder wo auch immer. (afp)
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