Volksbefragung: Gericht kippt CSU-Gesetz
Bayerns oberste Richter kippen ein CSU-Gesetz und geben damit SPD und Grünen recht. Die Opposition hatte das Gesetz vorher als "reines Machtinstrument der Regierung bezeichnet".
Der Versuch der CSU-Staatsregierung, in Bayern unverbindliche Volksbefragungen möglich zu machen, ist auf ganzer Linie gescheitert. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof erklärte eine entsprechende Änderung des Landeswahlgesetzes, die auf Betreiben von Ministerpräsident Horst Seehofer von der CSU-Mehrheit im Landtag beschlossen worden war, für verfassungswidrig.
SPD und Grüne hatten das Gesetz von Anfang an als „reines Machtinstrument der Regierung“ kritisiert, es aber im Landtag zunächst nicht verhindern können. Vor dem höchsten bayerischen Gericht bekamen sie gestern recht.
Die CSU drückte das Gesetz gegen alle Widerstände durch
Nicht zu verwechseln mit der Volksbefragung sind Volksbegehren und Volksentscheid, die als Elemente der Bürgerbeteiligung seit jeher in der Verfassung des Freistaats verankert sind. Mit den neuartigen Befragungen sollte der Regierung die Möglichkeit eingeräumt werden, auf eigene Initiative die Meinung des Volkes einzuholen – zum Beispiel zu Infrastrukturprojekten von landesweiter Bedeutung.
Auslöser war, wie mehrfach berichtet, der Streit um eine dritte Start-und-Lande-Bahn am Flughafen München. Überlegungen in der CSU, den Bürgerentscheid gegen die dritte Startbahn in der Stadt München durch eine bayernweite Volksbefragung auszuhebeln, wurden zwar schnell wieder verworfen. Das Gesetz über die unverbindlichen Volksbefragungen aber wurde von der CSU-Mehrheit im Landtag gegen alle Widerstände und rechtlichen Bedenken durchgedrückt. Die CSU begründete dies mit einem angeblichen „zusätzlichen Erkenntnisgewinn“ über den Volkswillen.
SPD, Grüne und Freie Wähler im Landtag lehnten das neue Gesetz ab, weil damit eine Verschiebung des Machtgefüges im Staat und eine Zementierung der Regierungsmacht verbunden sei. Die SPD sah insbesondere die Minderheitenrechte der Opposition verletzt, weil Volksbefragungen nur von Staatsregierung und Landtagsmehrheit auf den Weg gebracht werden konnten. Grüne und Freie Wähler kritisierten vor allem die Unverbindlichkeit der Befragung. Wenn das Volk schon gefragt werde, so lautete ihr Argument, dann müsse dies auch Folgen haben. SPD und Grüne zogen schließlich vor Gericht.
Willensbildung ist bereits in der Verfassung
Der Verfassungsgerichtshof unter Vorsitz von Präsident Peter Küspert gab ihnen gestern in vollem Umfang recht – wenn auch zum Teil mit etwas anderen Argumenten. Die Richter werteten Volksbefragungen, obwohl sie unverbindlich sind, als „Akt der Staatswillensbildung“. Wie das Volk an der Willensbildung zu beteiligen ist, sei aber in der Verfassung bereits „abschließend aufgeführt“. Deshalb müsse, wer daran etwas ändern will, die Verfassung ändern. Eine Volksbefragung, wie die CSU sie wollte, sei „ein neues Element der direkten Demokratie, das geeignet ist, das von der Verfassung vorgesehene Kräfteverhältnis der Organe und ihre Gestaltungsspielräume zu beeinflussen.“
SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher feierte den Richterspruch als „Sieg für die Demokratie“. Der CSU sei es nur darum gegangen, die Opposition an die Kandare zu nehmen. Katharina Schulze (Grüne) sprach von einem „Freudentag“ und sagte: „Das ist eine richtige Bauchlandung für die CSU.“ Wer es mit mehr Demokratie ernst nehme, sollte die hohen Hürden für Volksbegehren und -entscheide senken. Michael Piazolo (Freie Wähler) sagte: „Diese Ohrfeige des Verfassungsgerichtshofs hat sich die CSU redlich verdient.“
Der Geschäftsführer der CSU-Fraktion im Landtag, Josef Zellmeier, reagierte enttäuscht. Seine Fraktion werde sich jetzt „intensiv“ mit dem Urteil beschäftigen und nach neuen Wegen für mehr Bürgerbeteiligung suchen.
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