Was die Ernährung mit Krebs zu tun hat
Fleisch-und Wurstwaren sowie Alkohol gelten bei einigen Tumorarten als Risikofaktoren. Obst und Gemüse scheinen kaum zu schützen.
„Es besteht ohne Zweifel ein Zusammenhang zwischen Fehlernährung, Übergewicht und Krebs“, sagt Prof. Otmar Wiestler, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ). Nach wie vor ist das Rauchen der größte Risikofaktor für Krebs, aber danach folgt schon als zweitwichtigster Einflussfaktor die Ernährung. Pauschal betrachtet ist die falsche Ernährung für gut neun Prozent aller Krebserkrankungen verantwortlich zu machen, hinzu kommen noch einmal 5,5 Prozent der Krebsfälle, die auf Übergewicht zurückzuführen sind. „Wir haben immer mehr Hinweise darauf, dass unser westlicher Lebensstil mit Fehlernährung, Übergewicht und Stoffwechselstörungen zu einer erheblichen Zunahme von Krebserkrankungen führt“, so Wiestler. Das betrifft nicht alle Krebsarten gleichermaßen, aber „zumindest für Krebs im Magen-Darm-Bereich gilt dies. Auch auf Brustkrebs, Prostata- und Bauchspeicheldrüsenkrebs scheint dies zuzutreffen."
Dickdarmkrebs: Deutschland ein Risikoland
Jedes Jahr erkranken in Deutschland rund 500000 Menschen neu an Krebs. Die Krebsentstehung ist meist ein langwieriger Prozess, der sich über zehn oder auch 20 Jahre hinziehen kann. Zudem ist es kein einzelner Faktor, der aus einer gesunden Zelle ein Krebsgeschwür macht, es müssen schon verschiedene Komponenten zusammenkommen. Doch einer dieser Einflussfaktoren ist in den Ernährungsgewohnheiten zu sehen, da sind sich die Wissenschaftler weltweit einig. In epidemiologischen Untersuchungen sehen sie einen großen Unterschied im Auftreten von Krebserkrankungen in den verschiedenen Regionen der Erde. Es gibt Hoch- und Niedrig-Risiko-Länder. So tritt etwa Dickdarmkrebs in Europa, USA oder Australien rund zwölf Mal so häufig auf wie in Vorderasien oder im westlichen Afrika. Schon früh galt deshalb der hohe Fleisch- und Wurstverzehr in den Industrieländern als Risikofaktor.
Neuere Untersuchungen wie die EPIC-Studie (European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition), die rund 500000 Personen über Jahre hinweg nach ihren Ernährungsgewohnheiten befragte, stützen diese Vermutung. Besonders verarbeitetes Fleisch, etwa Gepökeltes und Wurstwaren, sind negativ zu sehen. Auch der Konsum von täglich einer größeren Menge Alkohol (bei Frauen mehr als ein Glas, bei Männern mehr als zwei Gläser eines alkoholischen Getränks) ist als Risikofaktor für Krebserkrankungen des oberen Verdauungstrakts, für Darmkrebs und Brustkrebs zu sehen, so Prof. Rudolf Kaaks, Epidemiologe am DKFZ und Studienleiter bei EPIC.
Täglich bis zu sechs Portionen Obst und Gemüse
In einem anderen Fall konnte die EPIC-Studie die Annahme der Wissenschaftler allerdings nicht bestätigen: Dies betrifft die angeblich vor Krebs schützende Wirkung von Obst und Gemüse. 1991 hatte das US-National Cancer Institute die Devise „5 a day“ herausgegeben, die fünf Portionen Obst und Gemüse am Tag propagierte. Diese Empfehlung wurde von vielen anderen Ländern, auch von Deutschland, übernommen. Die Dänen gingen sogar noch einen Schritt weiter und empfahlen täglich sechs Portionen Grünes und Buntes.
Nach Auswertung der EPIC-Studie war das Ergebnis ernüchternd: „Bei Brust-, Nieren-, Pankreas- und Prostata-Krebs konnte kein Zusammenhang mit dem Verzehr von Gemüse und Früchten gefunden werden“, beschreibt Kaaks die Situation. „Lediglich eine leichte Risikosenkung bei Lungen- und Speiseröhrenkrebs war zu sehen.“ Von der festen Überzeugung der Forscher im Hinblick auf die krebspräventive Wirkung von Obst und Gemüse ist somit nur noch eine vage Vermutung übrig geblieben. Die Empfehlung „5 a day“ gilt dennoch nach wie vor, denn die schützende Wirkung in Bezug auf Herz-Kreislauf-Leiden ist deutlich belegt.
Fettleibigkeit erhöht das Risiko auf Brustkrebs
Ebenfalls durch viele Studien erwiesen ist der Zusammenhang zwischen Übergewicht und Krebs. Wenn Fehlernährung zu Gewichtszunahme und schließlich Fettleibigkeit (Adipositas) führt, dann erhöht sich damit das Risiko für verschiedene Krebserkrankungen, wie Prof. Stephan Herzig, Leiter der Abteilung Metabolismus und Krebs am DKFZ, erklärt. Dazu gehören beispielsweise Brustkrebs und Darmkrebs. Da die Zahl der stark Übergewichtigen weiter ansteigt, wird sich das auch bei den künftigen Tumorerkrankungen niederschlagen.
Als Beispiel für den Wandel nennt Herzig den Leberkrebs: „Leberkrebs ist heute schon oft auf eine Fettleber zurückzuführen. Dies hat andere Ursachen verdrängt.“ Bei Mäusen kann man zum Beispiel mit einer fettreichen Diät das Wachstum des Lebertumors anregen. Als besonders risikoreich auch im Hinblick auf andere Erkrankungen wie Diabetes Typ 2 und Herz-Kreislauf-Erkrankungen wird das Fettgewebe um die Körpermitte herum angesehen. Es fungiert nicht nur als Energiespeicher, sondern auch als Produzent verschiedener Stoffe, die die Tumorbildung fördern können.
So wird bei übergewichtigen Frauen im Fettgewebe aus einer Vorstufe das Hormon Östrogen gebildet. Dieses überschüssige Östrogen wird vom Organismus nicht mehr kompensiert und kann zur Bildung von Brustkrebs und Krebs des Endometriums (Gebärmutterkörper) beitragen. Andere Fetthormone wie Leptin und Adiponektin wirken auf Signalwege in den Zellen und können, wenn sie in falschen Mengen vorliegen, das Zellwachstum anregen oder Kontrollmechanismen abschalten. Dies kann Auswirkungen auf die Entstehung von Darm-, Brust-, Prostata- oder Eierstockkrebs haben.
Risikofaktor - zu viel Insulin
Stephan Herzig beschreibt noch einen weiteren Mechanismus, der das Krebswachstum ankurbelt: Mit Übergewicht und Adipositas geht häufig eine Insulinresistenz und damit verbunden ein Diabetes Typ II einher. Das Hormon Insulin, welches auch ein Wachstumsfaktor ist, schleust normalerweise die Glucose aus dem Blut in die Körperzellen. Wenn die Zellen wie bei Diabetikern jedoch unempfindlich gegenüber dem Insulin werden, funktioniert dies nicht mehr richtig. Als Folge produziert die Bauchspeicheldrüse noch mehr Insulin. „Der hohe Insulinspiegel im Blut steigert das Zellwachstum und erhöht somit das Krebsrisiko“, erklärt Herzig. In Tierversuchen konnte gezeigt werden, dass nach Gabe des Arzneistoffs Metformin, der den Insulinspiegel wieder auf normale Werte bringt, das Tumorwachstum nachließ.
Wer das eigene Krebsrisiko senken will, sollte nach Aussage von Kaaks und Herzig in erster Linie Übergewicht vermeiden. Bewegung, wenig Alkohol und der Verzicht aufs Rauchen gehören ebenfalls zum gesunden Lebensstil. Ein Kreislauf aus Gewichtszunahme, Abnahme infolge einer Diät und wiederum Zunahme durch den Jo-Jo-Effekt sollte möglichst vermieden werden, denn die wechselnde Energiezufuhr kann das Risiko für adipositasabhängige Tumore möglicherweise sogar erhöhen.
Obwohl schon manche Mechanismen, die zur Krebsentstehung beitragen, von der Wissenschaft entschlüsselt wurden, bleibt dennoch vieles im Dunklen: So lässt sich beispielsweise mit Rechenmodellen aufzeigen, wie mit Vorsorgemaßnahmen das Krebsrisiko gesenkt werden kann, doch damit erreicht man noch lange nicht das Niveau der Niedrig-Risiko-Länder.
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