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Dschaber al-Bakr
14.10.2016

Obduktion bestätigt Suizid von al-Bakr: Was geschah in der JVA?

Ein Fahrzeug fährt im Morgengrauen in die Justizvollzugsanstalt (JVA) Leipzig. Hier hatte sich Al-Bakr das Leben genommen.
Foto: Sebastian Willnow (dpa)

Nach 52 Stunden in den Händen der sächsischen Justiz ist Dschaber al-Bakr tot, erhängt in seiner Zelle. Wie konnte das passieren? Im Leipziger Gefängnis ist einiges schiefgelaufen.

Es ist Mittwochabend, 19.30 Uhr. In Zelle 144 des Leipziger Gefängnisses sieht Dschaber al-Bakr seine Chance gekommen, sich einem rechtsstaatlichen Verfahren zu entziehen. Gerade eben hat noch ein JVA-Beamter seine Kontrollrunde gedreht und nach ihm geschaut. Der Haftraum ist 4,54 Meter lang, 2,39 Meter breit und 2,59 Meter hoch. Ein Gitter trennt einen kleinen Vorraum ab. Die nächste Kontrolle würde erst in einer halben Stunde folgen. Al-Bakr zieht sein T-Shirt aus und präpariert es entsprechend. Dann erhängt er sich an einem der viereckigen Stahlstäbe des Gitters.

Um 19.45 Uhr kommt eine Auszubildende und findet den derzeit brisantesten Häftling in Deutschland tot in seiner Zelle. Eine Obduktion bestätigt, dass es sich um einen Suizid handelte, wie die Staatsanwaltschaft Leipzig am Freitag mitteilte. Es ist der traurige Höhepunkt einer Reihe von Pannen in Sachsens Sicherheitsapparat.

Der 22 Jahre alte Bombenbauer, in dessen Chemnitzer Wohnung anderthalb Kilo hochgefährlichen Sprengstoffs gefunden worden sind, war tagelang der meistgesuchte Terrorverdächtige des Landes. Inzwischen gilt als sicher, dass er Kontakte zur Terrormiliz IS hatte. Ein Anschlag auf einen Berliner Flughafen mittels eines Sprengstoffgürtels soll unmittelbar bevorgestanden haben. Der kurzen Freude über die Festnahme folgen aber rasch Berichte über handfeste Fehler der Ermittler.

Da ist die rätselhafte Reise nach Syrien und in die Türkei, die den Behörden verborgen blieb. Da ist die ungeschickte Observierung, trotz derer die Polizei nicht herausfinden konnte, in welcher Wohnung sich der Gesuchte aufhielt. Da ist die gescheiterte Festnahme – die Polizei hatte es versäumt, einen zweiten Ring mit Sicherheitskräften um das Haus zu ziehen. Da ist die stundenlange ungestörte Flucht al-Bakrs. Da ist die Festnahme des Verdächtigen durch drei syrische Landsleute. Und nun ist da auch noch der Suizid. Wie konnte es so weit kommen?

Dschaber al-Bakr: Warnzeichen für Suizid des Terrorverdächtigen

Es gab Warnzeichen. Die Ermittlungsrichterin weist am Montag bei der Haftbefehlseröffnung auf die Gefahr der Selbsttötung hin, wie auch der Pflichtverteidiger Alexander Hübner. Schon bei der Aufnahme im Gefängnis verweigert al-Bakr Essen und Trinken. Die Verantwortlichen der JVA sehen auch eine Gefahr. Sie stecken den Terrorverdächtigen in eine spärlich eingerichtete Einzelzelle mit zusätzlichem Innengitter und ordnen Kontrollen alle 15 Minuten an. Weitergehende Sicherungsmaßnahmen gibt es nicht.

Dienstagmittag führt eine Psychologin mithilfe eines Dolmetschers ein ausführliches Gespräch mit al-Bakr. Sie erkennt keine akute Suizidgefahr, sie hat aber auch keinerlei Erfahrung mit islamistischen Terroristen. „Der Gefangene wirkte die ganze Zeit über ruhig und sachlich“, sagt Gefängnisleiter Rolf Jacob. Wurde in der JVA genügend berücksichtigt, dass man es mit einem radikalisierten Mann zu tun hat, dessen Plan es war, das Leben vieler unschuldiger Menschen und sein eigenes zu opfern? Oder, anders ausgedrückt: Konnte die JVA nicht ahnen, dass ein potenzieller Selbstmordattentäter selbstmordgefährdet ist?

Blick in die Justizvollzugsanstalt Leipzig. Al-Bakr wurde nicht als akut selbstmordgefährdet eingestuft, obwohl er eine Deckenlampe abgerissen hatte und die Steckdose manipuliert hatte.
Foto: Sebastian Willnow (dpa)

Eine Teamsitzung ergibt, dass der Gefangene, dem Vorschlag der Psychologin entsprechend, nur noch jede halbe Stunde kontrolliert wird. Am Dienstagnachmittag um 17.50 Uhr meldet al-Bakr mit Gesten, dass die Deckenlampe in seiner Zelle heruntergefallen sei. Die JVA-Beamten gehen davon aus, dass er sie heruntergerissen hat, stufen dies aber als Vandalismus ein. Sie schalten den Strom im Haftraum ab und kommen von nun an mit der Taschenlampe zur Kontrolle.

Während der Bombenbauer am Mittwoch um 10 Uhr duscht, wird seine Zelle überprüft. Die Bediensteten stellen fest, dass auch an der Steckdose manipuliert worden ist. Die Elektrik wird am Nachmittag repariert, die Sicherheitsvorkehrungen werden aber nicht hochgefahren. Bei der Kontrolle um 19.30 Uhr sitzt der Syrer auf seinem Bett. Um 19.45 Uhr schon dreht eine Vollzugsdienstanwärterin aus „Dienstbeflissenheit“, wie es heißt, eine weitere Kontrollrunde. Sie findet al-Bakr am Gitter hängend und schlägt Alarm. Wiederbelebungsversuche bleiben erfolglos. So stellt es Sachsens Justiz dar.

Kann es sein, dass die Polizei und die Justizbehörden in dem östlichen Bundesland den Fall komplett unterschätzt und Dschaber al-Bakr wie jeden x-beliebigen Einbrecher behandelt haben? Es klingt so, wenn die Verantwortlichen in einer Pressekonferenz am Donnerstag erklären, alles sei den üblichen Vorschriften entsprechend gelaufen. Das mag richtig sein. Doch war es richtig, in diesem Fall nur die „üblichen Vorschriften“ anzuwenden? So kommt eine viertelstündliche Kontrolle gar nicht selten vor. Der ehemalige Bertelsmann- und Karstadt-Chef Thomas Middelhoff zum Beispiel ist in seiner Haftzeit auch alle 15 Minuten überprüft worden, weil er als suizidgefährdet galt. Middelhoff war aber der Untreue und Steuerhinterziehung beschuldigt.

Der Bochumer Kriminologe und Polizeiwissenschaftler Thomas Feltes sagt, die sächsischen Sicherheitsbehörden hätten „blauäugig“ gehandelt: „Jemand, der offenbar im Auftrag des IS schwere Straftaten geplant hat, setzt auch alles daran, um sich dem weiteren Verfahren nicht stellen und aussagen zu müssen.“

Es hätte mehrere Möglichkeiten gegeben, den speziellen Häftling speziell zu überwachen. Gefängnisse haben „besonders gesicherte Hafträume“. „In denen ist ein Suizid nahezu unmöglich“, sagt Ralf Simon, Vorsitzender des Landesverbands der Bayerischen Justizvollzugsbediensteten. Möbel gibt es in diesen Zellen genauso wenig wie Gitter. Die Toilette besteht aus einem Loch im Boden. Der Gefangene ist nur mit einer Papierunterhose bekleidet. Eine Fußbodenheizung sorgt für Wärme. Die rechtlichen Hürden für eine derartige Unterbringung seien jedoch sehr hoch. Nur im Fall einer akuten Gefahr könne der Anstaltsleiter anordnen, den Häftling in eine solche Zelle zu stecken.

Eine andere Möglichkeit ist die dauerhafte Überwachung. Auch sie muss von der Gefängnisleitung befohlen werden. Die Rund-um-die-Uhr-Kontrolle kann per Videokamera erfolgen. In Sachsen ist dies im Gesetz nicht vorgesehen. Es gibt aber als Alternative die „Sitzwache“: Ein JVA-Mitarbeiter setzt sich buchstäblich vor die Zellentür und beobachtet den Gefangenen ständig. Auch dies wurde im Fall Dschaber al-Bakr nicht verfügt. Warum? „Wir sind nicht zu der Einschätzung gekommen, dass eine akute Suizidgefahr vorliegt“, sagt JVA-Chef Jacob. In eine Gemeinschaftszelle kommt al-Bakr nicht, weil er selbst als gefährlich für andere eingestuft wird.

Dschaber al-Bakr: tot nach 52 Stunden

Zum Vergleich: Der mutmaßliche französische Terrorist Salah Abdeslam wird in der Untersuchungshaft permanent überwacht. Er soll an den Pariser Anschlägen vom 13. November beteiligt gewesen sein und ist mutmaßlich der einzige Überlebende der Terrorkommandos. Er wird im Gefängnis von Fleury-Mérogis im Umland von Paris von anderen Gefangenen abgeschottet. Der Justizminister ordnete an, ihn rund um die Uhr per Video zu überwachen. Gegen diese Entscheidung wehrte sich Abdeslam erfolglos.

Dschaber al-Bakr befand sich nur 52 Stunden in den Händen der sächsischen Justiz, dann war er tot. Aber lassen sich Suizide von Gefangenen generell ausschließen? Die Antwort nahezu aller Experten lautet eindeutig: nein. Zwar habe das Thema Suizidprävention eine sehr hohe Bedeutung, sagt Bayerns Justizminister Winfried Bausback. „Sie werden aber in keinem Vollzugssystem Selbstmorde von Gefangenen oder versuchte Selbstmorde gänzlich ausschließen können.“ Das liege auch an der Schwierigkeit, Menschen durch Fachleute beurteilen zu lassen.

So gab es trotz aller Vorkehrungen in Bayern in den vergangenen Jahren etliche Suizide. Nach Angaben des Justizministeriums waren es im vergangenen Jahr 13, im Jahr 2014 zehn Selbstmorde und heuer bislang sechs. „Wenn jemand den Vorsatz hat, sich zu töten, dann schafft er das“, sagt Ralf Simon vom Verband der Justizvollzugsbediensteten.

Aber geht das auch in einer Viertelstunde? „Wenn man es darauf anlegt, ist es in einem Zeitfenster von 15 Minuten problemlos möglich, sich in einer Gefängniszelle zu erhängen“, sagt ein Rechtsmediziner, der anonym bleiben will. „Da braucht es nicht einmal Gitterstäbe, da reicht eine Türklinke.“ In den meisten Fällen tritt die Bewusstlosigkeit ein, bevor der Erstickungskampf beginnt. Für eine Rettung bei einem derartigen Suizidversuch bleiben Helfern in der Regel maximal fünf bis zehn Minuten, bevor der Hirntod eintritt, selbst wenn das Herz noch schlägt.

Dennoch bleibt der Eindruck, dass es im Fall al-Bakr zu einer ganzen Reihe von Fehleinschätzungen gekommen ist. Das betrifft den Zustand des Gefangenen und auch seine Bedeutung. Man wäre gern des Arabischen mächtig, um in den sozialen Netzwerken lesen zu können, wie die syrischen Flüchtlinge in Deutschland den Fall nun diskutieren. Der andere Verdächtige im Fall des geplanten Bombenattentats jedenfalls hat im Gefängnis in Dresden nun eine Sitzwache verpasst bekommen. Damit sich so ein Desaster nicht wiederholt.

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