Wasserwerfereinsatz gegen Stuttgart-21-Gegner: Verfahren eingestellt
Stuttgart 21- Demonstranten wurden durch Wasserwerfer zum Teil schwer verletzt, das Verfahren gegen die Polizisten wurde aber eingestellt. Betroffene sprechen von Justizskandal.
Von Anfang an war die Stimmung im Saal geladen. Die Stuttgart-21-Gegner hatten Plakate mitgebracht. „Schämt Euch“ steht auf einem, „Kalte Amnestie“ auf einem anderen. Die resolute Richterin will die Sache möglichst schnell hinter sich bringen. Als die Anwälte der Nebenkläger noch ein paar Anträge für die Galerie stellen wollen, fällt ihnen Haußmann ins Wort. Sie handelt sich einen weiteren Befangenheitsantrag ein, den die Kammer nach einer viertelstündigen Beratung als Versuch der Prozessverschleppung zurückweist.
3000 Euro Strafe wegen geringer Schuld - Protestanten verschaffen sich Gehör
Mit über einstündiger Verspätung kann Haußmann doch die Einstellung des Prozesses wegen geringer Schuld der Angeklagten ankündigen. Jeder soll 3000 Euro an die Kinderkrebsstiftung zahlen. Weiter kommt die Richterin nicht. Im Saal wird es laut. Sie lässt ihn daraufhin räumen. Im Foyer flackert der alte Kampfruf der Bahnhofsgegner auf. „Oben bleiben“ singen sie. Schließlich drängt die vorsorglich schon ins Gericht bestellte Polizei die meist älteren Protestierer aus dem Gebäude.
Schwer verletzte Stuttgart 21-Gegner können Prozessende nicht fassen
Die Stuttgart-21-Gegner hatten große Hoffnung in den Prozess gesetzt. Sie wollten den aus dem Ruder gelaufenen Einsatz im Schlossgarten vor über vier Jahren umfassend aufgeklärt haben. Zunächst spielt das Landgericht mit, terminiert über 30 Verhandlungstage für ein Verfahren, in dem es um Körperverletzung im Amt in neun Fällen geht. So viele Demonstranten wurden an jenem Schwarzen Donnerstag durch den Einsatz der Wasserwerfer schwer verletzt. Vier sind Nebenkläger, darunter der Rentner Dietrich Wagner, der fast erblindet ist und dessen Bild mit den blutunterlaufenen Augen um die Welt ging.
Das schnelle Ende kann Matthias von Herrmann, einer der Wortführer der Projektgegner, nicht fassen. Dies sei ein Skandal; zu vieles sei nicht aufgeklärt. Ausgerechnet vor der Vernehmung eines entscheidenden Zeugen werde eingestellt. Eine Frau fasst die Stimmung der 100 Zuhörer mit den Worten zusammen: In Stuttgart gibt es kein faires Verfahren, wenn es um Polizisten geht.
Diesen Vorwurf lässt Haußmann nicht auf sich sitzen. Ausführlich begründet sie nach der Räumung ihre Entscheidung den Journalisten. Es gehe nur um die individuelle Schuld der beiden Angeklagten: Ein Strafprozess ist kein Untersuchungsausschuss. Der Maßstab sei nicht die Erwartungshaltung der Öffentlichkeit. Es seien alle relevanten Zeugen gehört.
Die Nebenkläger hatten sich mit der Vernehmung von Ministerpräsident Winfried Kretschmann noch einmal großes Aufsehen verschaffen wollen. Das allerdings wäre abzulehnen gewesen, betont die Vorsitzende.
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