Wie Deutschland mit Flüchtlingen allein bleibt
Eigentlich müssten 40.000 Flüchtlinge von anderen EU-Staaten zurückgenommen werden. Doch bislang kann Deutschland nur einen kleinen Bruchteil davon tatsächlich abschieben.
Wie mühsam eine gerechte Verteilung der Flüchtlinge in Europa zu erreichen ist, zeigt ein Beispiel aus Lettland. Diese Woche haben sich auch die letzten beiden der dort bislang 23 anerkannten Flüchtlinge nach Deutschland aufgemacht. Das knapp zwei Millionen Einwohner zählende EU-Land im Baltikum hat bislang rund ein Fünftel von gut fünfhundert Flüchtlingen aufgenommen, die laut Zusage der Regierung übernommen werden sollten.
Ein Dokumentarfilm des lettischen Fernsehens zeigt, wie das Ehepaar aus Eritrea zu Verwandten weiterzieht, die in der Bundesrepublik leben. Die lettische Migrationsbehörde bestätigte, dass der Eritreer seine Arbeit als Übersetzer im Flüchtlingszentrum Mucenieki auf eigenen Wunsch Mitte Oktober beendet habe. Zuvor hatten die anderen 21 Migranten, die als Flüchtlinge anerkannt wurden oder einen alternativen Schutzstatus erhalten haben, Lettland in Richtung Deutschland verlassen, wie lettische Medien berichten. Grund dafür sei, dass es für Flüchtlinge in Lettland nahezu unmöglich ist, eine Arbeit oder Wohnung zu finden.
Flüchtlinge: Das größte Problem hat Deutschland mit Ungarn
Doch die zwei Dutzend Flüchtlinge aus Lettland fallen ohnehin kaum ins Gewicht, gemessen an anderen Problemen der EU-Flüchtlingspolitik. Selbst wenn deutsche Behörden das sogenannte Dublin-Abkommen anwenden wollen, wonach für die Unterbringung und Betreuung der Flüchtlinge das EU-Land zuständig ist, wo die betroffenen Asylbewerber als Erstes registriert wurden, beißt die Bundesreplik bei den entsprechenden EU-Staaten in vielen Fällen mit Abschiebungen auf Granit.
Wie die Zeitung Die Welt unter Berufung auf eine Aufstellung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge berichtet, stellte Deutschland in diesem Jahr exakt 40.000 solcher „Rückübernahmeersuchen“. Doch bis Ende September konnten nur 2860 Migranten gemäß dem Dublin-Abkommen in andere Staaten rückgeführt werden. Gemessen an der Zahl der Anfragen liegt die Erfolgsquote demnach bei 7,2 Prozent.
Das Dublin-Abkommen sieht vor, dass Schutzsuchende in die Staaten des Schengenraums rückgeführt werden, in denen sie zuerst einen Asylantrag gestellt haben. Deutschland schob den Angaben zufolge mit 743 Flüchtlingen die meisten Schutzsuchenden nach Italien ab. Es folgt Polen, das 553 Asylbewerber zurücknahm.
Das größte Problem hat die Bundesrepublik mit Ungarn. Das Bamf und die Bundesregierung richteten an die Regierung in Budapest exakt 10082 Übernahmeersuchen. Allerdings kam es nur in 248 Fällen zur Rückführung.
Flüchtlinge klagen oft gegen Rückführungen in andere EU-Staaten
Umgekehrt schoben andere EU-Staaten dagegen 9700 Migranten nach Deutschland ab, weil sie zuvor in der Bundesrepublik das erste Mal ordnungsgemäß als Flüchtlinge registriert wurden. Über ein Drittel davon wurde aus Schweden abgeschoben, nachdem sie zuvor durch Deutschland gereist waren.
Dass kaum Rückführungen aus Deutschland stattfinden, liegt nicht nur an der mangelnden Aufnahmebereitschaft der betroffenen EU-Staaten. Viele Asylbewerber klagen laut Bamf in Deutschland gegen die Überstellungsbescheide. Wenn das zuständige Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid anordnet, kann der betroffene Migrant bis zum Ende des Hauptsacheverfahrens nicht überstellt werden – das könne mehrere Monate in Anspruch nehmen. In einzelnen Fällen komme es sogar zur Aufhebung der Überstellungsbescheide.
„Ein zusätzliches Problem ist, dass die Asylbewerber, die überstellt werden sollen, nicht angetroffen werden beziehungsweise untertauchen“, sagte eine Bamf-Sprecherin der Welt. „Nach der aktuellen Rechtslage kann das dazu führen, dass nach Ablauf einer sechsmonatigen beziehungsweise im Fall des Untertauchens 18-monatigen Frist die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens auf Deutschland übergeht.“ (mit kna, dpa)
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