Wie bereitet man sich auf den Krieg vor?
Was deutsche Soldaten in fremden Ländern erwartet, lässt sich schwer vorher üben. Wie die Bundeswehr ihre Kräfte schult und warum trotzdem manche traumatisiert zurückkommen.
Die Kampftruppen der Bundeswehr ziehen aus Afghanistan ab. Doch das bedeutet nicht, dass deutsche Soldaten nicht mehr im Ausland kämpfen. Einige Mandate wurden verlängert, etwa für den Südsudan oder das Horn von Afrika, wo die Bundeswehr mit anderen europäischen Truppen gegen Piraten vorgeht. Erst gestern hat die Regierung einen Ausbildungseinsatz im Irak beschlossen. Doch wie kann man sich auf solche gefährlichen Missionen vorbereiten?
Vor Ort müssen die Rekruten mit hoher Gewaltbereitschaft rechnen. Deshalb absolviert jeder Bundeswehrsoldat vor einem Auslandseinsatz ein mehrmonatiges Ausbildungsprogramm. Praktische Inhalte bereiten Soldaten auf heikle Situationen vor. Auch eine Sanitäterausbildung gehört dazu. Der ehemalige Stabsunteroffizier Markus, der seinen ganzen Namen aus Sicherheitsgründen lieber nicht in der Zeitung lesen will, erinnert sich: „Man lernt zum Beispiel das Verhalten, wenn man im Konvoi fährt und angegriffen wird.“ Der 28-Jährige war zweimal im Kosovo.
Deutsche Soldaten üben zum Teil harte Szenarien für den Ernstfall
Überlebenswichtig kann die „Einsatzvorbereitende Ausbildung zur Konfliktverhütung und Krisenbewältigung“ sein. Dabei üben die Soldaten Szenarien für den Ernstfall, suchen nach Minen oder richten Kontrollpunkte ein. Als schwierigste Prüfung stellte sich für Markus das Geiselnahme-Training heraus, für das die Bundeswehr Schauspieler engagiert hatte: „Wir sind mit dem Bus rausgefahren. Dann gaben uns Leute verdunkelte Brillen. Früher bekam man Säcke über den Kopf, aber das darf man heute nicht mehr. Wir mussten raus aus dem Bus. Ich war ganz vorne. Wir mussten durch einen Wald laufen – mit den Händen hinter dem Kopf. Irgendwann haben sie uns in ein Kellerloch gesteckt. Der Ton der Geiselnehmer war sehr rau. Wenn wir unsere Nummer vergessen hatten, die sie uns vorher gaben, mussten wir Liegestütze machen, so haben sie uns getriezt.“
Die Übung habe nur zwei bis drei Stunden gedauert, doch sie kam dem Donauwörther wie eine Ewigkeit vor. Doch trotz dieser harten Erfahrung spricht Markus sehr positiv von der Ausbildung: „Es war nie zu hart, wir hatten immer die Möglichkeit, ,stopp‘ zu sagen.“
Ein Aspekt, auf den die Bundeswehr besonderen Wert legt, ist die interkulturelle Kompetenz. Die Soldaten müssen sich mit den Eigenheiten des Einsatzlandes vertraut machen. „Man kann zum Beispiel nicht einfach mit ausgestreckter Hand zur Begrüßung auf eine afghanische Frau zugehen“, sagt Hagen Messer, Sprecher des Heeres. Das verbieten die dortigen Umgangsregeln. Auch dass man mit seinem Anliegen immer erst zum Dorfältesten gehen muss, lernen die Soldaten deshalb vorab.
Doch jede noch so gründliche Vorbereitung kann nicht verhindern, dass es im Einsatz zu Extremsituationen kommt, die bei den Beteiligten psychische Probleme verursachen. Manche Soldaten haben noch jahrelang mit den Nachwirkungen zu kämpfen. Darum ist vor dem Einsatz auch der Umgang mit Verwundung, Tod und Trauer ein Thema.
Im Unterricht sprechen die Ausbilder mit den Soldaten beispielsweise über die Möglichkeit von physischer wie auch seelischer Verwundung, die Integration von verstümmelten Kameraden oder darüber, wann Soldaten mit dem Tod konfrontiert werden könnten. Denn Bundeswehrsoldaten müssen im Einsatz professionell reagieren, vor allem dann, wenn sie kämpfen. „Durch Zielscheiben, die wie Angreifer aussehen oder wie eine Frau mit Kind, lernen die Soldaten binnen Sekundenbruchteilen zu unterscheiden, ob sie ihre Waffe einsetzen oder nicht“, sagt Messer und fügt hinzu: „Es ist eine hohe Belastung, so schnell zu entscheiden: Bin ich oder andere gefährdet? Darf ich schießen?“ Manche kommen mit ihrer Entscheidung nicht klar.
Posttraumatische Stressreaktionen ziehen sich durch alle Dienstgrade
„Das klassische Problem nach dem Einsatz ist die posttraumatische Stressreaktion“, sagt Hauptmann Petra Böhm, Bundesvorstand des Sanitätsdienstes der Bundeswehr. „Manche zeigen die Symptome schon im Einsatz, manche erst zu Hause.“ Einen bestimmten Typen, der besonders oft unter solchen Belastungen leidet, gebe es nicht. „Das zieht sich durch alle Dienstgrade und ist auch abhängig, von dem, was der Mensch bereits erlebt hat“, sagt Böhm. Auffällig sei aber, dass Soldaten, die aus gefestigten Familien kommen, Extremsituationen besser verkraften.
Das Phänomen der Verrohung oder Abstumpfung, wie es sich 2003 bei Misshandlungen durch US-Soldaten im Irak zeigte, haben Böhm und Messer bei mehreren Auslandseinsätzen nicht erlebt. Sie sprechen offen darüber, allerdings scheint das Thema ein Tabu vor allem bei Psychiatern der Bundeswehr zu sein. Sie reden nicht gerne über diese dunkle Seite.
Mit Sorge blickt Böhm auf die hohe Dunkelziffer der traumatisierten Soldaten. „Viele Kameraden outen sich nicht, da sie nicht als ,schwach‘ gelten möchten.“ Eine Möglichkeit, diesem Trend gegenzusteuern, sieht sie darin, besser über die Erkrankung aufzuklären und die Familien stärker einzubinden, „das würde zum Öffnen der Soldaten beitragen“, glaubt Böhm.
Bislang gibt es keine Vorbereitung auf Auslandseinsätze, an der die Familien beteiligt sind. Während die Soldaten früher nach dem Einsatz einfach nach Hause geschickt wurden, sind nun Nachbereitungsseminare Pflicht. „Wir verbrachten ein paar Tage im Allgäu und sprachen mit Psychologen über das Erlebte“, erinnert sich Stabsunteroffizier Markus. Selbst, wenn ihm im Kosovo nicht Schlimmes widerfahren sei: „Es war auf jeden Fall gut, noch einmal über alles zu sprechen.“
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