Wie gefährlich ist die Türkei jetzt für Urlauber?
Die Türkei beschießt die Stellungen des IS und der PKK aus der Luft. Gleichzeitig wachsen die Spannungen im Land. Könnten jetzt auch Urlauber zum Ziel von Terroristen werden?
Nachdem die türkische Regierung mit Luftangriffen und Massenfestnahmen gleichzeitige Offensiven gegen die Terrormiliz Islamischer Staat und gegen die Kurdenrebellen von der PKK gestartet hat, wächst im Land die Angst vor Terroranschlägen. Äußerungen von Spitzenpolitikern wie des Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan, der am Dienstag den Friedensprozess mit den Kurden aufkündigte, heizen die Spannungen weiter an. Die Behörden in der Metropole Istanbul warnen vor Anschlägen auf das U-Bahn-Netz. Auch westliche Experten sehen eine erhöhte Gefahr.
Diese Angst vor Anschlägen war ein Hauptgrund dafür, dass sich die Türkei lange Zeit aus dem Kampf des Westens gegen den IS in den türkischen Nachbarländern Syrien und Irak heraushielt. Seit dem Anschlag von Suruç, bei dem vorige Woche 32 Menschen starben und der laut Ankara vom IS begangen wurde, beteiligt sich die Türkei am militärischen Vorgehen gegen die Dschihadisten. Gleichzeitig ließ Erdogan mehrere Luftangriffe gegen PKK-Stellungen im Nordirak fliegen. Die Kurdenrebellen beendeten darauf ihren seit drei Jahren geltenden Waffenstillstand. In der Nacht auf Dienstag töteten sie einen Polizeioffizier in Ostanatolien.
Splittergruppe der PKK schlug vor Jahren in türkischen Urlaubsorten zu
In diesem Konflikt könnten nun auch ausländische Touristen ins Visier von Gewalttätern geraten. Eine Splittergruppe der PKK schlug bereits vor einigen Jahren mehrmals in türkischen Urlaubsorten zu. Andere Gegenden des Landes müssen ebenfalls mit neuer Gewalt rechnen. Laut Presseberichten will der Geheimdienst MIT Hinweise auf mutmaßliche Selbstmordattentäter in sechs ostanatolischen Provinzen haben. Für Urlauber aus Deutschland sei das bisher jedoch kein Problem, wie Sibylle Zeuch vom Deutschen Reiseverband (DRV) sagt. Der Konflikt sei für Türkeiurlauber sehr weit weg.
Das meint Zeuch durchaus wörtlich. Denn Urlauber zieht es vor allem in den Westen und Süden des Landes. Die Kämpfe sind teilweise über 1000 Kilometer entfernt. Anders als bei Tunesien – nach den blutigen Anschlägen auf ein Hotel in Sousse Anfang des Monats – blieben die Rückbuchungen bei Türkeiurlaubern aus, sagt Zeuch. „Man muss zwischen den Tourismusregionen und dem unruhigen Osten des Landes unterscheiden.“ In die Krisenregion reise eh kaum jemand, erklärt die Expertin. Zwar wachse die Verunsicherung, doch bisher gebe es Vertrauen in die Sicherheit der Tourismuszentren.
Erdogan gibt Friedensprozess zwischen Türkei und Kurden offenbar keine Chance mehr
Erdogan verschärfte unterdessen erneut den Ton den Kurden gegenüber. Er forderte, das Parlament solle die Immunität kurdischer Abgeordneter in der Volksvertretung aufheben. Dem Friedensprozess zwischen dem türkischen Staat und den Kurden gibt er offenbar keine Chance mehr: „Mit jenen, die unsere nationale Einheit und Brüderlichkeit bedrohen, kann es keinen Friedensprozess geben“, sagte der Präsident in Anspielung auf die mit 80 Abgeordneten im Parlament vertretene Kurdenpartei HDP.
Kritiker sagen Erdogan nach, er wolle die HDP zerschlagen, um seiner eigenen Partei AKP bei möglichen Neuwahlen im November einen Sieg zu ermöglichen. Ein AKP-Politiker beantragte bereits Ermittlungen gegen führende Vertreter der HDP. Deren Chef Selahattin Demirtas sagte, die einzige Schuld seiner Partei liege darin, bei der Wahl vom 7. Juni rund 13 Prozent der Stimmen gewonnen zu haben.
In dieser spannungsgeladenen Lage befürchten viele Türken nun, dass eine neue Anschlagswelle beginnen könnte. Istanbul werde zur „Stadt der Angst“, meldete die Internetplattform RotaHaber. In sozialen Netzwerken verbreitete sich die Nachricht von einem Schreiben des Gouverneursamtes an Istanbuler Polizeidienststellen, in dem besonders gefährdete U-Bahn-Stationen aufgelistet wurden.
Zudem war von fünf angeblich mit Sprengstoff beladenen Fahrzeugen die Rede, die im Istanbuler Stadtgebiet unterwegs seien. „Die Leute trauen sich nicht mehr auf die Straße“, hieß es bei RotaHaber. Die Oppositionszeitung Cumhuriyet berichtete, viele Istanbuler wollten sich von Plätzen fernhalten. Das Auswärtige Amt warnt Touristen bisher vor Besuchen der türkischen Grenze zu Syrien.
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