Wikipedia: Wenn das Internet streikt
Das Online-Lexikon Wikipedia hat gestern vielen Menschen ihre Abhängigkeit von dem Wissensspeicher vor Augen geführt, als es aus Protest vom Netz ging.
Ich weiß, dass ich nichts weiß: Das Online-Lexikon Wikipedia hat gestern vielen Menschen ihre Abhängigkeit von dem Wissensspeicher vor Augen geführt, als die englischsprachige Version aus Protest gegen zwei umstrittene Gesetzesvorhaben in den USA für einen Tag vom Netz ging. Die Sopa und Pipa genannten Initiativen sollen Online-Piraterie bekämpfen.
Nach der Ankündigung des Plans am Tag zuvor hatten die wichtigsten US-Medien noch am Abend „Überlebenstipps“ gegeben, deren Schlagzeilen an Dramatik nichts zu wünschen übrig ließen („Wie man den Wikipedia-Blackout überlebt“). Nur die Washington Post weigerte sich, den Ernst der Lage zu erkennen, und machte sich über die jüngere Generation lustig: „Vielleicht hätten ja die Eltern noch ein richtiges Lexikon mit Papiergeruch“, stichelte die Redaktion.
Leser wurden über die Existenz von Bibliotheken aufgeklärt („Orte, an denen man freien Zugang zum Internet hat, ohne vorher einen Kaffee für vier Dollar kaufen zu müssen“) und über die Vorteile eines Gesprächs mit den Großeltern. Schülern und Studenten war mit nostalgischen Betrachtungen allerdings nicht geholfen. „Wikipedia wird zwar nicht als Quelle akzeptiert, aber man bekommt dort sehr schnell einen geordneten Überblick und Hinweise auf zitierfähige andere Publikationen“, sagte der 19-jährige Joe Wade. Wade studiert an der Howard University in Washington Strahlentherapie. Die 21-jährige Tahirah Hairston, die für Journalistik eingeschrieben ist, könnte sich den Verzicht auf das Online-Lexikon höchstens eine Woche lang vorstellen. „Ich schaue da mehrfach am Tag Dinge nach. Ich unterstütze aber den Protest gegen Sopa, dieses Gesetz sollte nicht verabschiedet werden.“
Die geplanten Gesetze sollen das Urheberrecht schützen
Die Gesetzesvorlagen Stop Online Piracy Act (Sopa) und Pipa (Protect IP Act) im US-Kongress sollen auf Betreiben der Unterhaltungsindustrie das Urheberrecht im Internet besser schützen. Die Initiative richtet sich gegen Internetseiten, die gestohlenes Material enthalten, sich dem Zugriff der US-Behörden aber entziehen, weil sie im Ausland basiert sind. Die neuen Gesetze würden auch die Möglichkeit schaffen, den Zugang zu ausländischen Webseiten zu sperren. Die meisten Kritiker sprechen sich ebenfalls für den Schutz geistigen Eigentums aus, befürchten aber, dass die vorgesehenen Regelungen zu vage sind und den Weg zur Zensur ebnen. An ähnlichen Einwänden sind im vergangenen Jahr in Deutschland die sogenannten Netzsperren gegen Kinderpornografie gescheitert.
An der Konzertierten Aktion beteiligten sich gestern zahllose weitere Internetdienste. Und der geballte Protest zeigte Wirkung: Mehrere Senatoren sagten, es sei nicht mehr klar, ob die bisher für sicher gehaltenen Vorlagen nun unverändert durch den Kongress kämen. Präsident Barack Obama ist ohnehin kein Befürworter.
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