Wird Gesundheitsminister Hermann Gröhe tricksen?
Gerade im Wahljahr ist es wichtig, dass die Beiträge der gesetzlichen Krankenkassen nicht steigen. Wie wird Gesundheitsminister Gröhe das schaffen?
Gesundheitsminister haben es nicht leicht. Wo die Kollegen mit den Milliarden nur so um sich werfen, Straßen bauen, Renten erhöhen oder wenigstens den Anstieg der Mieten begrenzen, verwalten sie häufig nur den Mangel. Sie werden dafür verantwortlich gemacht, wenn die Beiträge der gesetzlichen Kassen steigen und die Zuzahlungen in der Apotheke – und beides macht sich nicht gut in einem Wahljahr. Kein Wunder also, dass Hermann Gröhe zu tricksen beginnt.
Weit über eine Milliarde Euro nimmt er aus den Reserven des sogenannten Gesundheitsfonds, um den Anstieg der Versicherungsbeiträge im nächsten Jahr wenigstens um einen Prozentpunkt zu bremsen. Gebraucht wird das Geld zum größten Teil für Hunderttausende von Flüchtlingen, die bald Anspruch auf einen Platz in einer gesetzlichen Krankenkasse haben werden. In den ersten Monaten nach ihrer Ankunft kommen für ihre medizinische Versorgung noch die Kommunen auf, letztlich also wir alle, die Steuerzahler. Danach aber sind es vor allem Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die mit ihren monatlichen Beiträgen diese Herkulesaufgabe finanzieren sollen. Knapp neun Millionen Privatversicherte, das nur am Rande, sind damit fein raus, da sie ja nicht in den Gesundheitsfonds einzahlen – ein grobes ordnungspolitisches Foul.
Ohne Gröhes Finanzspritze würden die unpopulären Zusatzbeiträge, die bekanntlich die Beschäftigten alleine bezahlen, im nächsten Jahr um 0,3 Prozentpunkte auf dann 1,4 Prozent steigen. Millionen von Versicherten sähen damit kurz vor der Wahl, was Angela Merkels Politik der offenen Grenzen sie kostet.
Die Kanzlerin hat zwar früh versprochen, für die Aufnahme, Versorgung und Betreuung der Flüchtlinge auf keinen Fall die Steuern zu erhöhen. Von den Beiträgen zu den Sozialkassen aber war nie die Rede. Auch wenn die optimistische Rhetorik der Bundesregierung das Gegenteil zu suggerieren versucht: Längst nicht jeder, der in den vergangenen Monaten in die Bundesrepublik geflohen ist, wird hier schnell eine Arbeit finden und seine Kassenbeiträge auch selbst bezahlen können. Die große Mehrheit dürfte zumindest vorübergehend in der staatlichen Fürsorge landen, also in Hartz IV – und die 90 Euro pro Kopf und Monat, die der Bund den gesetzlichen Krankenkassen dafür bisher aus dem Steuertopf überweist, reichen nach allem, was man weiß, nicht aus, um die Kosten zu decken.
Bundeszuschuss erhöhen
Natürlich treiben auch andere Faktoren die Ausgaben der Kassen und die Beiträge in die Höhe – das Überangebot an Kliniken, zum Beispiel, oder der medizinische Fortschritt und die wachsende Zahl an älteren Versicherten ganz allgemein. Eine Regierung jedoch, die ihre Willkommenskultur als großen gesamtgesellschaftlichen Kraftakt begreift, muss deren Lasten auch auf alle verteilen. Das heißt im Falle von Hermann Gröhe: Nicht dreist in die Reserven der Versicherten greifen, weil die gerade so gut gefüllt sind, sondern den Bundeszuschuss von gegenwärtig 14 Milliarden Euro im Jahr entsprechend kräftig erhöhen.
Dieser Zuschuss, den auch Beamte, Selbstständige und andere gut verdienende Privatversicherte über ihre Steuern mitbezahlen, ist für versicherungsfremde Leistungen wie den kostenlosen Versicherungsschutz von Ehepartnern und Kindern, die Beitragsfreiheit im Mutterschutz oder Haushaltshilfen für Schwangere gedacht. Und nichts anderes ist die Aufnahme von weit über einer Million Menschen zunächst auch – eine gesellschaftspolitische Aufgabe, also zweifellos eine versicherungsfremde Leistung.
Gut ein Jahr vor der Wahl wäre es an der Zeit, dass die Politik sich endlich ehrlich macht. Die Akzeptanz für Angela Merkels liberalen Kurs schwindet und schwindet. Wenn die Kanzlerin jetzt auch noch den Eindruck entstehen lässt, der Staat plündere die Rücklagen der Versicherten, um der Flüchtlingskrise Herr zu werden, wird das am Ende nur einem nutzen – der AfD.
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