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Neu-Ulm
05.05.2014

Wo Fäuste Gesetz sind: Ein Blick in die Rockerszene

Arme wie Baumstämme, am Handgelenk eine goldene Rolex und eine Harley-Davidson für 21 000 Euro: Suat Erköse ist der Boss der „Rock Machine“ in Ulm und Neu-Ulm. Seine tätowierte Haut erzählt von einem bewegten Leben, langen Partynächten, Frauen und vor allem von seinem Rockerklub.
Foto: Alexander Kaya

Rocker regeln die Dinge selbst, sagen sie. Wenn’s sein muss, schlagen sie zu. Dass das auch tödlich enden kann, zeigt eine Schießerei in Neu-Ulm.

Meistens fliegen Fäuste. Und Barhocker gleich hinterher. Debatten unter Rockern werden wie im Wilden Westen ausgetragen. Suat Erköse ist der Boss der Gruppierung „Rock Machine“ und zeigt das auch: Er tritt in Kroko-Stiefeln und Rock-Machine-Shirt auf. Das Westernpferd ist in seinem Fall eine Harley-Davidson „Fat Boy“ – 21000 Euro teuer. An seiner Seite eine schlanke Blondine mit üppiger Oberweite und voluminösen Lippen, an seinem Handgelenk eine goldene Rolex. Erköses tätowierte Haut zeugt von einem bewegten Leben, langen Partynächten, von Frauen und vor allem: von „Rock Machine“.

Er lebt den Klub und will, dass alle das wissen. Doch das Image der Gang hat vor eineinhalb Jahren einen Schaden erlitten: Damals erschoss ein junges Mitglied der Gruppierung den 31-jährigen Chef einer Sicherheitsfirma, ein weiterer Mann wurde lebensgefährlich verletzt. Wer die Kugeln abgefeuert hat, wird noch über ein Jahr lang unklar sein. In dieser Zeit wird vom blutigen Höhepunkt der Machtkämpfe in der Türsteher- und Rotlicht-Szene in Ulm und Neu-Ulm die Rede sein, vom Rockerkrieg an der Donau.

Rockerkrieg an der Donau?

Gab es einen solchen tatsächlich? Ja, sagen Ermittler der Polizei. Nein, sagt Erköse, der selbst lange Zeit Polizist war. Rockerkriege gab es in Amerika. Nur vier Jahre nachdem „Rock Machine“ 1986 in Kanada gegründet worden war, kam es zu einer der größten Auseinandersetzungen in der Rocker-Szene. Damals standen sich „Rock Machine“ und „Hells Angels“ gegenüber, die Folge: mindestens 160 Tote innerhalb weniger Jahre.

In Ulm und Neu-Ulm zählen die Höllenengel nicht zu den Rivalen von „Rock Machine“ – zumindest geht man davon in Polizeikreisen aus. Die „Hells Angels“ tauchen zwar nicht öffentlich auf, doch den Gerüchten nach sind sie die Schutztruppe der Ulmer Etablissements des berüchtigten – nun wegen Steuerhinterziehung inhaftierten – Bordell-Königs Marcus Prinz von Anhalt.

"Rock Machine" gibt es seit vier Jahren in Ulm

Erköse brachte „Rock Machine“ vor etwa vier Jahren nach Ulm. Dann wurde er „National President Europe“, seit Mitte Februar ist er „World President“ – der Kopf der Gruppierung. An beiden Handrücken ließ sich Erköse einen Adlerkopf mit rotem Auge unter die Haut stechen. Das Symbol von „Rock Machine“. An seiner Kutte prangen viele Abzeichen. Unter anderem die berühmte weiße Eins: Das Symbol geht auf Ausschreitungen bei einem Bikertreffen in den USA zurück. Die Motorradsport-Organisation „American Motorcyclist Association“ soll sich danach so geäußert haben: 99 Prozent der Motorradfahrer sind gesetzestreue Bürger. Übrig bleiben jedoch die „1%er“ („One-Percenter“), die sich kompromisslos an die Gesetze der Motorradklubs halten, nicht aber an die des Staates – Gewaltbereitschaft inklusive.

Erköse ist einer von ihnen. „Die kriminelle Ader hat man oder eben nicht“, sagt er. So etwas entwickle sich nicht. „Schon als ich Bulle wurde, wusste ich, dass ich da irgendwann rausfliege.“ Man habe ihm den Kontakt zu den Rocker-Gruppen verbieten wollen. Nicht mit mir, sagte sich Erköse, der einst Mitglied der „Bandidos“ war, dann aber das Lager wechselte.

Die aus seiner eigenen Gruppe sollen 2012 einen seiner besten Freunde erschossen haben: Die drei Rocker mit kosovarischen Wurzeln Blerim B., 27, sein jüngerer Bruder Bestrim, 22, sowie Asmon G., 22, stehen an diesem Abend im Dezember einem Trio aus der Türsteher- und Rotlicht-Szene gegenüber. Da wäre der 31-jährige Eduard W., Chef einer Ulmer Sicherheitsfirma, Türsteher Alexander S. und Bordellbetreiber Murat C.

Wie lief die Schießerei ab?

Zur selben Zeit läuft nur wenige Meter entfernt im Vereinsheim eines türkischen Sportklubs der Klassiker Galatasaray Istanbul gegen Fenerbahçe Istanbul im Fernsehen. Etwa 100 Menschen schauen sich das Spiel dort an. Sie ahnen nicht, was in wenigen Sekunden vor ihrer Türe passieren wird. Auf dem Gehsteig kommt es zum Gespräch zwischen den beiden Lagern, dann zum Streit. Plötzlich fliegen die Fäuste. Im Gerangel fällt ein Schuss, dann noch mal zwei.

„Ich zitterte am ganzen Leib. Alles kam mir vor wie im Film“, sagt Asmon G. später vor Gericht. Nach der Bluttat rennt er weg. Hin zum Auto, in dem er zusammen mit Bestrim B. die Flucht ergreift. Zurück bleiben Eduard W., der später an seiner schweren Verletzung stirbt, der von der Schlägerei verletzte Blerim B., der durch zwei Kugeln schwer verwundete Alexander S. und Bordellbetreiber Murat C. Von ihm ging das Treffen aus. Dieser Meinung ist jedenfalls die Staatsanwaltschaft Memmingen heute. Es soll um eine Bombendrohung gegangen sein, die Murat C. zuvor erhalten habe. Als Drahtzieher hatte er Blerim B. vermutet. Murat C. soll dann seinen Neffen Serkan beauftragt haben, ein klärendes Gespräch zu arrangieren. Dieser habe bei seinem Bekannten Blerim angerufen, gemeinsam seien sie zum Vereinsheim gefahren.

Der größe Prozess in Memmingen überhaupt

Was dann passiert ist, diese Geschichte wird seit Ende Oktober 2013 in seine Einzelteile zerlegt. Vor dem Memminger Landgericht müssen sich die drei jungen Männer – Blerim und Bestrim B. sowie Asmon G. – wegen gemeinschaftlichen Mordes an Eduard W. verantworten. In Justizkreisen ist vom größten Prozess die Rede, der jemals am Memminger Landgericht stattgefunden hat. Es ist wohl auch einer der bizarrsten. Auf der Anklagebank sitzen die drei Neu-Ulmer – reißen Witze, knabbern Süßzeug, richten sich ihre langen Haare zurecht. Doch das, was um sie herum passiert, ist zeitweise das größere Spektakel.

Die sechs Verteidiger nehmen von Anfang an das Zepter in die Hand. Von schlechter Arbeit der Staatsanwaltschaft und schlampigen Polizeiermittlungen sprechen sie. Der Grund: Anfangs waren zwölf Verhandlungstage angesetzt, bis heute sind es 31. Wer schuld daran ist? Ein Stück weit auch die Tatsache, dass die Hauptzeugen nicht aussagen. Neben den drei Angeklagten schweigen auch Murat C. und Alexander S. vor Gericht. Gegen die beiden wird erst seit etwa fünf Monaten wegen Körperverletzung ermittelt, sie haben deshalb das Recht zu schweigen. Das hat die Staatsanwaltschaft veranlasst. Zu spät, finden die Verteidiger. Und tatsächlich: Wäre gegen die Hauptzeugen direkt nach der Tat im Dezember 2012 ermittelt worden, wäre dann ein Urteil vor Gericht gefallen – hätten sie im Mordprozess aussagen müssen. Die Tat wäre vermutlich schneller aufgeklärt worden.

Die Zeugen können sich nicht erinnern, wollen oder dürfen nicht

Der Prozess ist gezeichnet von Zeugen, die sich nicht mehr an den Abend erinnern können. Oder wollen. Oder dürfen. Denn auch das wollen Prozessbeobachter nicht ausschließen: Hatten die Angeklagten Einfluss auf die Zeugen? Da wäre beispielsweise der inhaftierte Attila M., Boss der rockerähnlichen Gruppierung „Black Jackets“, deren Mitglieder zwar Kutten tragen, denen das Motorradfahren aber egal ist. Attila M. sagt vor Gericht als Zeuge aus. Wenige Tage zuvor soll ihn einer der beiden angeklagten Brüder im Gefängnis besucht haben.

Und dann ist da noch die Sache mit der angeblich schlampigen Polizeiarbeit. Zahlreiche Ermittler der Kriminalpolizei werden als Zeugen vernommen. Manche von ihnen mehrmals. Immer wieder müssen sie sich anhören, dass Verhöre nicht ordentlich aufgezeichnet, Zeugen nicht richtig belehrt wurden. Den Polizisten wird zudem vorgeworfen, einseitig zulasten der beiden Brüder Bestrim und Blerim ermittelt zu haben.

Brüder Bestrim und Blerim: Seit Jahren im Visier der Ermittler

Seit Jahren stehen die beiden Neu-Ulmer im Visier der Polizei. Nicht  nur auf der südlichen Seite der Donau, sondern auch in Ulm. Da ist von Schlägereien die Rede, von Stinkbombenangriffen auf Diskos. Immer wieder tauchen ihre Namen im Zusammenhang mit der örtlichen Rockerszene auf – vor allem  aber  in Verbindung  mit „Rock Machine“. Genau deshalb ist deren Boss Suat Erköse stinksauer. Die drei Angeklagten, die seinen Freund  getötet haben, sind in seinen Augen keine Mitglieder von „Rock Machine“ mehr, das Image des Klubs werde aber von den negativen Schlagzeilen über sie beschmutzt.

Ende 2011 habe sich Erköse der drei Neu-Ulmer angenommen und zu „Rock Machines“ gemacht. „Sie haben sich anfangs gut verkauft, Blerim hatte sogar eine Harley“, sagt Erköse. Dann sei ein Verwandter der beiden Brüder dazugekommen, der nicht bereit gewesen sei, sich ein „Bike“ anzuschaffen. „Wir wollen Motorrad fahren, wir sind eben ein Motorradklub“, wiederholt Erköse immer wieder. Daraufhin seien die vier rausgeschmissen worden, hätten dann ihre eigene Gruppe gegründet und sich einfach „Blue Rock Machine“ genannt – ihr Adler hat ein blaues Auge. So lautet seine Version. Szenekenner sehen das Ganze so: Als ihr Boss Anfang 2012 in den Knast kam, war die Sache für die Brüder und deren Kumpels klar: Jetzt sind sie an der Reihe. Die Brüder B. gründeten ihre eigene Gang, nannten sich erst „Rock Machine Dardania“, später „Blue Rock Machine“.

Die jungen Rocker ticken anders

Egal, wie es war – Erköse ist wütend: „Das wäre, wie wenn ich nach meinem Rausschmiss aus der Polizei eine neue Polizei gegründet hätte. Das geht doch nicht.“ Mit einem echten Motorradklub habe das nichts mehr zu tun. Dass es den Rockern nicht nur ums Motorradfahren geht, gibt auch Erköse zu: Von Waffen will er zwar nichts wissen, „aber bei Rockern ist es halt so: Wenn es was zu klären gibt, geht man hin, gibt denen auf die Gosch. Das war’s dann aber auch. Danach trinkt man was zusammen“, sagt der Türke in breitem Schwäbisch. Heute sei das anders, „die junge Generation tickt da verkehrt“.

Er nennt als Beispiel die drei Angeklagten vor dem Memminger Landgericht. Als „Street-Gang“ bezeichnet Erköse sie und schiebt ein Schimpfwort hinterher. Der dritte Angeklagte Asmon G. ist in seinen Augen eigentlich ein „lieber Kerl“ – aber eben ein „Mitläufer“.

Von einem „lieben Kerl“ spricht auch Asmon G.s Freundin vor dem Landgericht. Asmon sei einer, „der Streit eher aus dem Weg geht“ und „seine Streicheleinheiten braucht“. Doch „Knuddel-Typ“ Asmon G. hat einen Fehler: Er hat den zehn Jahre älteren Eduard W. auf offener Straße erschossen. Das hat er vor wenigen Wochen überraschend vor Gericht zugegeben, nachdem er ein Jahr und vier Monate geschwiegen hatte. Die Pistole habe er nur wenige Stunden vor der Tat von einem Bekannten bekommen. Weil Eduard W. und seine Begleiter das Trio bedroht hätten, habe er „aus Todesangst“ die Schüsse abgefeuert.

Prozessbeobachter gehen davon aus, dass Asmon G. aus Naivität mit in die Neu-Ulmer Industriestraße gefahren war und dort leichtsinnig die Pistole in die Hand nahm. Asmon sagt: Die beiden Brüder hätten zu keiner Zeit gewusst, dass er eine Waffe dabei gehabt habe.

Zumindest die Memminger Staatsanwaltschaft glaubt ihm das nicht. Sie geht sogar davon aus, dass die drei Angeklagten sich vor der Tat abgesprochen haben. 13 Jahre Haft forderte sie wegen Totschlags kürzlich vor Gericht. Ob es bei 13 Jahren bleibt, wird das Gericht in Memmingen vermutlich heute entscheiden, dann folgen die Schlussberichte der Verteidiger und am Nachmittag wohl ein Urteil.

Und die Angeklagten? Während Asmon G. die nächsten Jahre im Gefängnis verbringt, könnte den älteren der beiden Brüder eine kurze Haftstrafe erwarten, den jüngeren vielleicht gar keine. Wie es für sie in der Rocker-Szene weitergeht, ist unklar. Dort spricht man davon, dass sich kein Klub dieser Welt ein Verhalten, wie das der drei jungen Neu-Ulmer, gefallen lässt. Dabei gehe es um Ehre und Stolz.

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