Wo bleibt die Dafür-Partei?
Die AfD ist die Dagegen-Partei. Kaum jemand traut ihr zu, die Probleme zu lösen. Darin besteht die Chance für die Regierungsparteien.
Die Bundesregierung ist verpflichtet, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden. Dieser Satz wird in diesen Tagen oft zitiert. Wutbürger und Populisten wollen damit sagen: Politiker, die nicht das tun, was die Mehrheit fordert, verletzen ihren Amtseid. Aber so einfach liegen die Dinge nicht. Natürlich muss sich eine Regierung hinterfragen, wenn sie derart dramatisch an Rückhalt verliert. Wer seine Politik aber nur an Stimmungen ausrichtet, wird zum politischen Wackelpudding und löst auch keine Probleme.
Die AfD macht sich die Wut zunutze. Sie ist die Dagegen-Partei. Gegen den Islam, gegen Flüchtlinge, gegen die Homo-Ehe, gegen den Euro. Ein ideales Angebot für Protestwähler – mehr aber auch nicht. Die AfD greift Probleme und Sorgen auf, die andere ausblenden. Aber kaum jemand traut ihr zu, diese Probleme auch zu lösen. Das ist die Chance für die Regierungsparteien. Sie müssen den Vertrauensverlust ernst nehmen und klare Alternativen bieten, sie müssen aufhören zu streiten und stattdessen echte Lösungen entwickeln. Sie müssen die Dafür-Parteien werden.
Die Diskussion ist geschlossen.
Ein schönes Beispiel der Dagegens zeigt ein Leserbrief, der heute in der Printausgabe abgedruckt wurde. Der Autor behauptet, Werner Faymann hätte Charakter bewiesen mit seinem Rücktritt. Tatsächlich hat er mit seinem unvorbereitetem Abgang Land und Partei im Stich gelassen. Darum geht es den Dagegens aber nicht. Die wollen nur sehen, wie der Kanzler weg ist.
Leserbrief und etwas ausführlicher kommentiert unter
http://az-beobachter.blogspot.de/2016/05/kleingeistiger-groenanspruch.html
Das "deutsche Volk" gibt es je nach Standpunkt nicht oder nicht mehr.
In diesem Land geht es in vielerlei Hinsicht so ungerecht zu, wie in kaum einem anderen EU-Staat. Die Herren Zetsche, Winterkorn usw. verbindet mit der vielzitierten Alleinerziehenden, dem Niedriglöhner oder Hartz IV-Empfänger rein gar nichts. Die Interessenslagen dieser beiden Pole sind total konträr. Allerdings bedingen sie einander. Die Armut vieler ist die Voraussetzung für den Reichtum weniger.
Auf die Frage, was er für den zentralen Konflikt unserer Zeit hält, hat Warren Buffet gesagt: „Der Klassenkampf natürlich, Reich gegen Arm, und meine Klasse, die Reichen, die gewinnen gerade.“
Die Lösung wäre eine rigorose Umverteilung von oben nach unten. Genau das Gegenteil passiert jedoch. Das weit verbreitete Gefühl der völligen Ohnmacht und des Ausgeliefertseins an eine lobbygesteuerte Politikerkaste am Tropf der Reichen und Vermögenden führt in Deutschland leider dazu, dass die Schuld an der eigenen Misere immer den noch schwächeren zugeschoben wird, für die ja angeblich "immer Geld da ist". Für die rechten Rattenfänger "a gmahte Wiesn" . . .
Michael Stifter hat Recht, wenn er Dagegensein als zu wenig bezeichnet. Wenn es die Politik nicht schafft, Lösungen anzubieten und umzusetze, muss Politikverdrossenheit nicht verwundern. Und er hat Recht, wenn er vor Politik nach Stimmungslage warnt.
Die Verantwortung darf aber nicht nur der Politik zugeschrieben werden. Wer sich als besorgt um das Volk darstellt, schadet dem Volk, wenn er als Wutbürger Scheinlösungen eine Wahlstimme gibt. Zudem: Was soll das, sich nur gegen Schaden beim deutschen Volk zu wenden? Sind da die Bürger gemeint, die Einwohner? Oder ist das eine völkische Vokabel? Wir alle stehen in der Verantwortung, nicht nur die Politik.
Etwas ausführlicher auch unter
http://az-beobachter.blogspot.de/2016/05/fur-dagegen.html
Lieber Hr.Deutzmann,
die ewige Leier von der Verantwortung der Bürger ist so abgedroschen wie manche Parolen von Pegida und Co.Was bleibt denn dem Normalbürger an Gestaltungsmöglichkeit?Glauben sie wirklich die Schwarz-Rot-Grüne Koalition in Sachsen-Anhalt entspricht dem Wählerwillen?Beispiele wie dieses gibt es zuhauf.Die Politik hat sich doch längst verselbstständigt.Wahlergebnisse kann man bestens für sich selbst uminterpretieren.Verantwortung des Bürgers?25% der Wähler in Sachsen-Anhalt haben ihre Unzufriedenheit mit den etablierten Parteien bekundet.Das Ergebnis?Alles weiter wie bisher.Alle AfD-Wähler sind sowieso nur Verwirrte aus Dunkeldeutschland.So bleibt dem Bürger nur noch die Protest-Partei.