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Gesellschaft
14.12.2016

Wo liegen die Grenzen der Hilfsbereitschaft?

Sind das zu viele? Tausende Rettungswesten von in Griechenland gestrandeten Flüchtlingen.
Foto: Aris Messinis, AFP Photo

Europäische Rettungspakete und Aufnahme von Flüchtlingen: Es wird heftig darüber gestritten, wie viel Beistand wir anderen schulden.

Die einen wettern gegen sogenannte Gutmenschen mit Helfersyndrom, das sie blind für die Wirklichkeit mache – die anderen wettern zurück gegen Nationalisten, blind für die Not von Menschen, die den falschen Pass besitzen. Für Merkel oder gegen sie, für die Obergrenze oder dagegen, für ein gemeinsames Europa oder dagegen. Scheidepunkt der Fronten sind Fragen der Moral: Wem schulden wir Hilfe? Wo soll das Helfen Grenzen haben?

Das Rechtesystem ist bedroht wie nie

Theoretisch haben die Vereinigten Nationen schon vor 50 Jahren die Antwort formuliert. Mit dem Sozial- und dem Zivilpakt wurden am 16. Dezember 1966 die Herzstücke der Menschenrechte beschlossen. Seitdem steht das Ziel einer Werte-Weltgemeinschaft: Alle sind überall dafür mitverantwortlich, dass die Würde des Menschen unantastbar bleibt, dass sein Recht auf Arbeit, Wohnraum und Gesundheitsversorgung gewahrt wird.

Bei einer Feierstunde in Berlin aber sagte nun der Hohe Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte, der Jordanier Seid Raad al-Hussein: Das System dieser Rechte sei gegenwärtig bedroht wie nie – durch Krieg und Armut auf der einen Seite und durch die Erosion des politischen Verantwortungsgefühls in der westlichen Welt. Das Ideal als allgemeine Absichtserklärung und die in Einzelinteressen aufgesplittete Wirklichkeit – woher soll das Verantwortungsgefühl kommen, das den Graben überbrückt?

Unser Sozialverhalten hat sich verändert

Aus der Natur des Menschen jedenfalls nicht. So lautet der Befund des Leipziger Biologen Michael Tomasello. Er schildert „Die Naturgeschichte der menschlichen Moral“ beginnend bei unseren Urahnen vor sechs Millionen Jahren. Bis heute habe sich das Sozialverhalten demnach in drei Schritten erweitert: Es gibt das unmittelbare Gefühl zu einem engsten Kreis, etwa der Familie, in der sich auch der eine für den anderen zu opfern bereit ist. Darüber hinaus geht die Entwicklung der Fairness: Dass also alle in der weiteren Gemeinschaft gleich viel wert sind. Schließlich wird die Gemeinschaft zum höheren Wert – der Einzelne ordnet das Ich den Interessen des Wir unter. Es ist eine Kooperation zum Nutzen möglichst aller – im Rahmen einer noch relativ engen Gemeinschaft.

Vor rund 150.000 Jahren begann sich daraus, so Tomasello, erstmals eine „objektive“ Moral zu formen. Mit dem Weg zum modernen Menschen entstand eine Loyalität, die über die Gemeinschaft hinausweist – weil eine Identifikation mit allen Mitgliedern der ganzen Kulturgruppe beginnt. So entstand das Bedürfnis nach Gerechtigkeit. Allerdings nur innerhalb dessen, was nun in Größerem als die eigene Gruppe wahrgenommen wird. Und hier endet die Naturgeschichte der Moral.

Eine „universalistische“ Verbindung, die alle Menschen verknüpfen könnte, gibt es beim Biologen nicht. Würde das nicht heißen, dass jeder Versuch, eine solche Identifikation herzustellen, scheitern muss? Weil sie im Wortsinn Übermenschliches verlangt? Solidarität zu leben, wo man gar keine empfinden kann? Dann könnten Menschen in aller Welt in Zeiten der Globalisierung zwar Vertragspartner sein – ein Bedürfnis nach Gerechtigkeit gäbe es in diesen globalen Beziehungen aber nicht. Die Moral hätte ihre Grenzen an der kulturellen Zugehörigkeit.

Nationalismus lässt sich in zwei Kategorien teilen

Das scheint auch zum Befund eines Essays des Historikers Peter Alter zu passen. Er beschäftigt sich darin mit dem „Nationalismus“ (Alfred Kröner Verlag, 190 S., 14,90 ¤) und unterscheidet dabei zwei Kategorien. Entstanden in der Französischen Revolution mit den Rufen nach Gleichheit der Menschen sei der Nationalismus ursprünglich ein liberales Projekt gewesen, das die Ausweitung der Gerechtigkeit auf alle Bürger forderte. Dem gegenüber stehe Nationalismus als Verengung der Werte, wie sie Anfang des 20. Jahrhunderts aufgetreten sei – und sich auch jetzt wieder zeige. Damals aggressiv, heute defensiv. Aber zuverlässig immer dann, wenn die Globalisierung einen Sprung macht und zugleich nationale Haushalte zumindest zu kriseln drohen. Dann konzentriere sich mit dem Zugehörigkeitsgefühl auch die moralische Verantwortung auf feste Grenzen: das eigene Volk, die eigene Nation. Das Problem sei aber, so Alter, dass es nicht mehr möglich ist, zum Nationalstaat zurückzukehren. Weil die Welt längst vernetzt ist; und weil es die „homogene sprachlich-kulturelle Einheit“ ohnehin längst nicht mehr gebe – was die Gefahr der Eskalation nur noch vergrößere.

„Retrotopia“ nennt der Soziologe Zygmunt Bauman das: eine Utopie, die als Fluchtpunkt aus dem heutigen Zustand der Welt nur noch die Vergangenheit kenne. Also schreibt der 91-Jährige, der als polnischer Jude einst vor den Nazis geflohen war und später im englischen Leeds lehrte, gegen die Grundzüge dieser Bewegung an („Die Angst vor den anderen“, Suhrkamp, 125 S., 12 ¤). Die Begrenzung der Moral auf die eigene Gruppe bedeute gegenüber den stets in Gänze verunglimpften Anderen. „Die Entmenschlichung“ aber bereite den Weg für den Ausschluss jener anderen aus der Kategorie der legitimen Träger von Menschenrechten und führe, so Bauman, „zu einer Verschiebung des Migrationsproblems aus dem Bereich der Ethik in den der Sicherheitsbedrohungen, der präventiven Verbrechensbekämpfung und der Strafverfolgung, der Kriminalität, der Verteidigung der Ordnung und letztlich des Ausnahmezustands, der gewöhnlich mit Bedrohungen durch militärische Aggression und Feindseligkeiten assoziiert wird“. Ein gefühlt bedrohtes „Wir“ grenzt sich ab und damit aus. Es gibt kein Verantwortung für jene, die Nicht-Wir sind – obwohl doch geradezu traditionell der Wohlstand der einen viel mit der Not der anderen zu tun hat.

Der Mensch zwischen bösem Denken und Gutmenschentum

Woher aber nehmen Bauman und die Vereinten Nationen ihren Anspruch an eine „universelle“, grenzenlose Moral des Menschen? Nicht aus dessen Natur, sondern aus seiner Kultur – dem also, womit er sich vom Handeln nach Instinkten abheben kann. Nicht von ungefähr gehen die Menschenrechte in weiten Teilen auf den deutschen Aufklärungsphilosophen Kant zurück. Aus dessen Denken spricht die Zuversicht, dass sich der Mensch zur universellen Vernunft läutern kann – weil der Mensch Kraft seines Verstandes, seiner Kultur, längst nicht mehr Naturwesen ist.

Fragt sich nur, wozu er die Befähigung nutzt. Schon Kant nennt allein den Menschen fähig zum „radikal Bösen“. Und die Philosophin Bettina Stangneth zeigt in „Böses Denken“ (Rowohlt, 256 S., 19,95 ¤), inwiefern sich das etwa in der effektiven und jede persönliche Verantwortung unterwandernden, instrumentellen Barbarei des Dritten Reiches verwirklicht hat. Gegen diese dunkle Verstandesleistung helfe nur das Licht der Vernunft, das uns zum Mensch unter Menschen macht. Aber wie soll das zu leben sein? Führt das nicht zu jenem realitätsblinden Helfersyndrom, dessen der Ex-BDI-Chef Olaf Henkel Journalisten und Politiker verdächtigt? Zum grenzenlosen Gutmenschentum, das überfordert?

Eben dies hat der Publizist Tillmann Bendikowski in „Helfen“ (Bertelsmann, 352 S., 19,99 ¤) untersucht. Ihm geht es um Deutschland, das ja immer christliches Abendland war, weil in seiner religiösen Prägung die Wohlfahrt und Barmherzigkeit gegenüber der Not des Anderen Tradition war. In der Industrialisierung und darin neu entstandenen Not habe sich diese Hilfe in Gewerkschaften institutionalisiert, nach dem Krieg in der Sozialen Marktwirtschaft politisiert. Gerade dadurch aber sei die Tugend, so Bendikowski, im unmittelbaren Zusammenleben der Menschen ausgedünnt. Sodass heute, da der Wohlfahrtsstaat im Rückzug begriffen ist, sich zwar viele Menschen engagieren, um das abzufangen – aber das allgemeine Bewusstsein für die Pflicht zu helfen gelitten habe. Und zwar im Gegensatz zum Bewusstsein vom eigenen Recht auf Unterstützung. Und dies, da sich Deutschland in neuer politische Lage und globalisierter Wirtschaft mit immer mehr Bedürftigkeit konfrontiert sieht, während die realen Möglichkeiten nicht grenzenlos sind. Darauf hat schon Bundespräsident Gauck hingewiesen.

Was also tun? Bendikowski schließt: „Das Helfen braucht selbst Hilfe – sonst geht es als kulturelle Errungenschaft verloren.“ Heißt: den Abbau des Sozialstaats im Inneren stoppen, gegenseitiges Helfen fördern, zugleich die Verantwortung nach außen nicht durch einen Rückzug ablehnen, sondern aktiv gestalten. Alles im Bewusstsein der Grenzen unserer Belastbarkeit. Aber diese seien viel weiter, als die Ängste vor eigenem Verzicht sie erscheinen lassen. Die Menschenrechte sind – wie so oft bei Idealen von Kommunismus bis Christentum – ein Zielpunkt in der Unendlichkeit.

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