Der Charme von Solarplatten und Stacheldraht
Im ersten Ort die Wallfahrtskirche, im nächsten militärische Sicherheitszone. Die Kontraste auf dem Lechfeld sind groß.
Das Wichtigste gleich vorweg: Diese Wanderung muss man nicht gemacht haben, um eines Tages zufrieden auf sein Leben zurückzublicken. Der Charme übergroßer Industriehallen, einer mit Graffiti beschmierten B-17-Fußgängerbrücke und kilometerlangem Maschendrahtzaun entlang der Lechfeld-Kaserne hält sich in Grenzen. Und trotzdem bietet dieser Abschnitt entlang der Grenze des Augsburger Landes Kurioses, Schönes und vor allem viele Kontraste. Bereuen muss man die Tour nicht. Sie beginnt in Klosterlechfeld. Die wunderschön verschnörkelte Wallfahrtskirche und der Kalvarienberg direkt gegenüber sind immer einen Besuch wert. Der Weg geht weiter Richtung B17. Die Südlagerstraße führt auf die Fußgängerbrücke. Es ist wieder heiß, jetzt ist es auch noch laut und stinkt nach Abgas. Der Boden und das Geländer der Brücke sind beschmiert. Sicher eines der hässlicheren Highlights auf dem Weg zum Ziel. In Lagerlechfeld angekommen, ändert sich das Bild jedoch schnell. Nette Schrebergärten, hübsche Häuschen und ein witziges selbst gemaltes Straßenschild, das den Grenzgänger direkt in den „Löschzwerg-Weg“ führt. Was es damit auf sich hat, bleibt ein Geheimnis. Keiner da, der Fragen dazu beantworten könnte. Es beweist jedenfalls Humor.
Ein Stück weiter tut sich etwas. Lautes Lachen ist zu hören und an der Gartentüre steht ein Mann mit einer blauen Parkscheibe auf dem Flecktarn-Sonnenhut. Es ist Alois Kehrle. Er hat heute Geburtstag und Besuch von Nachbarn und Freunden. Was es mit der Parkscheibe auf sich hat, wird er später erzählen. Erst einmal aber hat die Grenzgängerin ein Problem: Einige Geburtstagsgäste glauben ihr kein Wort, wollen dass sie wieder geht. „Wer isch denn soooo blöd und wandert bei der Hitz‘ auf’m Lechfeld“, sagt eine Dame mehr entsetzt als fragend. Horst Kelch, Vorsitzender des Heimatvereins und Gast der Geburtstagsfeier, rettet die Situation. Er klärt alle auf, dass es diese ominöse Grenzgänger-Wanderserie in der Zeitung wirklich gibt, er sie sogar am Samstag im Blatt gesehen hat. Glück gehabt. Jetzt wird geplaudert. Alle entspannen sich. Der Hut mit Parkscheibe ist übrigens ein Geburtstagsgeschenk mit Symbolcharakter. Die Gemeinde Untermeitingen hat an der Straße vor Kehrles Haus ein Parkverbot erlassen. Dagegen hat der Lagerlechfelder geklagt und vor dem Verwaltungsgericht gewonnen. Den neuen Hut will der 63-Jährige auf der nächsten Bürgerversammlung tragen und der Gemeinde signalisieren: „Das Parkverbot könnt ihr Euch an den Hut stecken“, erzählt er. Im Garten wachsen viele Trauben, ein Riesenfass ist als Laube schick hergerichtet. Hübsch hier. Aber Kehrle hat mehr zu bieten. Er öffnet eine Tür im Haus und gewährt Einblick in seine Hobbys: Oldtimer, Motorräder, Cadillac-Sofas, eine Zapfsäule von BP, Modelleisenbahnen, Zündkerzen, ein Modellflugzeug und und und. Zwei Isettas stehen da mitten in einem Lagerlechfelder Einfamilienhaus neben dem BMW 501, weiter hinten ein Ford T von 1925 und ein Durant von 1928, vor dessen Reifen liegt ein mit Stöckelschuhen bekleidetes Damenbein einer Schaufenster-Puppe. Warum? Weiß Kehrle selbst nicht so recht. Seit 30 Jahren lebt er in Lagerlechfeld. Hergeführt hat ihn die Bundeswehr, ebenso wie Kelch. Wie die meisten hier im Ort.
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