Singen, wie der Schnabel gewachsen ist
Mundartmusik erfährt in Deutschland eine Renaissance. Warum das so ist und was Musiker dazu motiviert, in ihrer Muttersprache zu texten und zu singen, erklären Maxi Pongratz von der Band Kofelgschroa und Irene Frank von "Vivid Curls".
Ich muss gleich zu Anfang ein Geständnis ablegen: Ich komme ursprünglich aus Baden-Württemberg, Schwäbisch ist meine Muttersprache. In Bayerisch-Schwaben kommt man damit gut zurecht, obwohl ich mich meist auf Hochdeutsch verständige. Sobald ich aber die Türschwelle meines Elternhauses übertrete, gilt: Hochdeutsch ade. Denn zu meiner Heimat gehört untrennbar die Sprache, in der ich mich zuhause fühle.
Schon Wilhelm von Humboldt, Mitbegründer der heutigen Humboldt-Universität in Berlin, stellte fest: „Die wahre Heimat ist eigentlich die Sprache. Sie bestimmt die Sehnsucht danach und die Entfernung vom Heimischen geht immer durch die Sprache am schnellsten.“ Rein emotional entfernt man sich schon von seiner Heimat, spricht man Hochdeutsch statt Dialekt. Auch umgekehrt funktioniert das: Ist der Geburtsort räumlich entfernt, so findet man Heimat in der Sprache. Nachdem der Dialekt jahre-, vielleicht jahrzehntelang, ein Stiefmütterchendasein gefristet hat, kehrt er langsam wieder ins Bewusstsein der Bevölkerung zurück. Gerhard Polt sagte noch im vergangenen Jahr in einem Interview, dass es den Menschen an Selbstbewusstsein fehle, ihren Dialekt und ihre Muttersprache zu pflegen. „Dafür suchen sie dann unentwegt nach Heimat.“ Für ihn, der sich im bayerischen Dialekt zuhause fühlt und mit Worten spielt wie kaum ein anderer, ist seine Heimat untrennbar mit Sprache und dem bayerischen Dialekt verknüpft.
Auch andere Künstler haben sich dem Dialekt verschrieben. Sie heißen beispielsweise La Brass Banda, Moop Mama, Blumentopf, VoxXclub, Kofelgschroa und Vivid Curls. Sie singen ausschließlich oder teilweise in Mundart und sind damit sehr erfolgreich.
Was motiviert einen Musiker, Texte in seiner Muttersprache zu verfassen, statt in vermeintlich erfolgsgefälligerem Hochdeutsch oder gar auf Englisch? „Mundart ist von der Sprache her besser zu singen, es ist nicht so kantig wie Hochdeutsch“, erklärt Maxi Pongratz, Sänger der Band Kofelgschroa. Auf Englisch zu singen käme für ihn nie infrage. „Hochdeutsch ist meine erste Fremdsprache, Dialekt ist meine Muttersprache. Ich denke in Dialekt, also singe ich auch so“, erklärt der Oberammergauer.
Dass ihn so nicht jeder versteht, der die Musik hört, stört ihn nicht. „ Der Groove funktioniert auf der ganzen Welt. Es ist nicht wichtig, dass sie die Poesie der Texte verstehen“, so Pongratz. Obwohl es doch die Poesie der Texte ist, die ihrer mitreißenden Musik das Besondere verleiht. Die BR-Moderatorin Christina Wolf lobte „Zaun“, das Ende 2014 erschienene Album der Band Kofelgschroa, sogar als „das schlaueste und erdigste Mundart-Album der letzten Jahre“.
Eine weitere Vertreterin der Mundartmusik ist die gebürtige Allgäuerin Irene Frank. Sie wohnt seit vielen Jahren mit Mann und Kindern im Raum Augsburg. Zusammen mit Inka Kuchler macht sie als „Vivid Curls“ Musik, die man als Folk-Rock bezeichnen kann. Gesungen wird auf Allgäuerisch, Englisch und Hochdeutsch. Sie freut sich, dass Mundartmusik immer beliebter wird. „Wir leben gottseidank in einer Zeit, in der der Dialekt wieder etwas gilt. Anders als in den 80er-/90er-Jahren“, so die Musikerin. „Der Dialekt ist in unserem Bereich (Wiggensbach bei Kempten, Anm. d. Red.) schon fast ausgestorben.“ Dem wollen die beiden entgegensteuern. „Wir wollen zeigen, dass Dialekt auch cool und sexy klingen kann. So repräsentieren wir das Allgäu und machen die Leute neugierig auf unsere Heimat,“ erzählt Irene Frank.
In Mundart sangen die „Vivid Curls“ nicht von Beginn an – die Band besteht seit über zehn Jahren. „Als Gag haben wir auf Konzerten anfangs ab und zu Allgäuer Lieder gespielt. Dann kamen wir auf die Idee, einen hochdeutschen Text von Inka ins Allgäuerische zu übersetzen. Das hat uns gut gefallen, weil es gleich viel weicher und wärmer klang. Wir texteten daraufhin eine Zeit lang nur in Dialekt. Irgendwann kamen wieder hochdeutsche Texte dazu“, erinnert sich Irene Frank.
Sie entscheiden aus dem Bauch heraus, in welcher Sprache getextet wird. Emotionales kann man oft besser im Dialekt ausdrücken, findet Irene Frank. Aber es gibt auch Themen, denen sie sich nicht im Allgäuerischen annähern wollen – aus den verschiedensten Gründen. Annähern und entfernen – sprachlich funktioniert das eben ganz schnell und einfach.
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