„Die Menschen evaluieren uns täglich“
Graf von Hundt ist Administrator der Fuggerschen Stiftungen und erzählt über deren Zukunftsarbeit.
Die Fugger von der Lilie errichteten aus Sorge um das Wohl ihrer Mitbürger und das Familien-Seelenheil seit Anfang des 16. Jahrhunderts zahlreiche Stiftungen. Minutiös haben Historiker das in der Vergangenheit recherchiert und ihr Wissen zusammengetragen. Doch was machen die Fuggerschen Stiftungen heute? Wir sprachen mit deren Administrator Wolf-Dietrich Graf von Hundt über heutige Stiftungsaufgaben und die Zukunft.
Zu welchem Zweck wurde die Fuggerschen Stiftungen gegründet?
Wolf-Dietrich Graf von Hundt: Der Grundstein unserer Fuggerschen Stiftungen wurden in der Renaissance gelegt, als das Handeln vom Humanismus geprägt war. So kam es, dass die Brüder Ulrich, Georg und Jakob Fugger zu Ehren des Augsburger Stadtheiligen 10000 Gulden – das ursprüngliche Stiftungskapital einsetzten. Davon bestritt man die Ausstattung der Fuggerkapelle in St. Anna (1509) zur Firmen-Repräsentation, den Sepultur (Begräbnisraum) der Familie, den Unterhalt einer Prädikatur beim Stift St. Moritz und den Aufbau der Fuggerei zur Unterstützung von bedürftigen Augsburger Mitbürgern. Dies bezeugt die Urkunde vom 23. August 1521. Über die Jahre waren die fürstlich und gräflichen Fuggerschen Stiftungen ein komplexes Gefüge mit unterschiedlichen Aufgaben und sind es bis heute.
Hat der Stifterbrief heute noch die gleiche Gültigkeit?
Graf von Hundt: Das Ziel, bedürftigen Augsburgern zu einem gelingenden Leben zu verhelfen, ist und bleibt ein Hauptzweck der Fuggerei. Schließlich sind wir genau genommen das älteste Mehrgenerationen-Wohnprojekt der Welt. Daneben geht es natürlich auch um den Erhalt der Fuggerei und der Kirchen, die uns gehören.
Graf von Hundt, wie wird man Stiftungsadiminstrator der ältesten Stiftung der Welt?
Graf von Hundt (lachend): Es bestehen keinerlei verwandtschaftliche Verhältnisse, falls Sie das meinen. Ich arbeitete als Steuerberater, als mich der Stiftungsvorsitzende anfragte, ob ich mir das vorstellen könnte. Das war 1998; seither mache ich das. Es ist der Spagat zwischen dem Erhalt von historischen Bauten und der täglichen Arbeit mit verschiedensten Menschen, der diese Tätigkeit so interessant gestaltet.
Seit der Gründung der Stiftung ist viel passiert: Kriege, Wirtschaftskrisen, Währungsreformen. Was glauben Sie, ist das Erfolgsgeheimnis der Fuggerschen Stiftung, dass es sie immer noch gibt?
Graf von Hundt: Im 17. Jahrhundert konnten waldreiche Besitzungen rund um Laugna, Bocksberg und Emersacker erworben werden. Damit gelang eine Umwandlung von Kapital- in Liegenschaftsstiftungen. So konnte das Kapital über die Inflationen hinweg gerettet werden. Dafür haben wir heute eine große Abhängigkeit vom Holzpreis. Da wir einen 120-jährigen Produktionsprozess haben, muss sehr vorausschauend gearbeitet und geplant werden. Dennoch ist es schwer, über diesen Zeitraum den Erfahrungsschatz zu transportieren.
Gibt es bei Ihnen weitere Stiftungseinnahmen?
Graf von Hundt: Der Unterhalt der Stiftung wird von den Erträgen aus Forst sowie Tourismus und gegebenenfalls durch Erträge der Vermögensverwaltung finanziert. Zuschüsse oder Spenden sind natürlich willkommen – sie sind aber die Ausnahme.
Was sehen Sie als das wichtigste Erbe der Fuggerschen Stiftungen an und wie wollen Sie diese zukunftsfähig machen?
Graf von Hundt: Die Not zu lindern, war und ist unser Auftrag. Diese hat sich im Laufe der Geschichte in der Umsetzung etwas gewandelt. Aber immer noch bekommen Bedürftige bei uns die Sicherheit, ein Zuhause zu haben, das ihnen keiner streitig macht. Obwohl hier alle auf engem Raum zusammenleben, ist das kein sozialer Brennpunkt. Daher möchte ich bei unseren Fuggerei-Bewohnern nicht von sozial Schwachen sprechen, das ist diskriminierend. Erst kürzlich hatten wir Studenten der RWTH Aachen da, die dazu forschen, wie das so in anderen Projekten gelingen kann. Auch andere Interessierte können jederzeit unsere Stiftung besuchen und wir zeigen, was wir machen. Es ist die Kunst, den Menschen zu einem gelingenden Leben zu verhelfen – dazu gehört professionelle sozialpsychologische Betreuung.
Sorgen die Fuggerschen Stiftungen für diese sozialpsychologische Hilfe?
Graf von Hundt: Ja, wir helfen den Menschen wieder auf die Beine, da bei einigen physische und psychische Probleme vorliegen. Zwei Sozialpädagogen arbeiten für uns. Sie helfen Menschen dabei, wieder geregelte Lebensstrukturen zu bekommen, sodass sie nach einigen Jahren wieder ausziehen können. Das Subsidiaritäts-Prinzip „Hilfe zur Selbsthilfe“ ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Arbeit.
Ärgert es Sie manchmal, dass man die Fugger hauptsächlich mit der Vergangenheit in Verbindung bringt und wenig mit ihrem Wirken in der Gegenwart?
Graf von Hundt (schmunzelt): Nur manchmal. Aber unsere Geschichte ist unsere Marke und wir möchten sie nicht leugnen. Wir wollen uns nicht in unsere Mauern zurückziehen, sondern raus in die Stadtteile, für Synergien sorgen, unser Netzwerk stärken und Kooperationen schmieden. Es ist wichtig, das Gute der Vergangenheit in die Zukunft zu tragen und aus Fehlern zu lernen. Die Arbeit mit den Menschen hilft dabei, denn die evaluieren uns im Prinzip täglich.