Internet verändert das Kaufverhalten
Warum der regionale Einzelhandel nicht zwingend Verlierer sein muss
Der Einzelhandel erlebt zweifelsfrei momentan eine der größten Umwälzungen seit Jahrzehnten. Gut zwei Drittel der Deutschen haben bereits über das Internet bestellt. "Der Online-Handel wächst, das lässt sich nicht bestreiten", erklärt der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Bayern (HBE), Wolfgang Puff. Im vergangenen Jahr kauften die Kunden im Netz Waren für 39 Milliarden Euro. Das sind 8,5 Prozent Marktanteil. Der Bundesverband des Einzelhandels (HDE) geht davon aus, dass sich dieser Wert in den nächsten fünf Jahren mit rund 20 Prozent mehr als verdoppelt.
Das Internet darf nicht per se als Bedrohung angesehen werden. "Das Internet ist ein unbeschriebenes Blatt Papier - und wir entscheiden, ob es ein Liebesbrief oder eine Kriegserklärung wird", sagt Puff. Trotz der fortschreitenden Digitalisierung der Gesellschaft müsse der regionale Einzelhandel nicht zwangsläufig der Verlierer sein. "Ich bin überzeugt, dass der Handel vor Ort heute und in Zukunft seine Stärken hat und diese im eng vernetzten Zusammenspiel mit neuen Multi-Channel-Strategien zur Begeisterung der Kunden umsetzen wird." Das große Plus sei die Nähe zum Kunden und die damit verbundene Möglichkeit, Produkte nicht nur aus- und anzuprobieren, sondern auch direkt zu vergleichen und sich beraten zu lassen.
Spürbaren Mehrwert bieten
Das Internet hat das Verhalten der Käufer verändert. "Sie haben höhere Erwartungen und wollen ein kuratiertes Sortiment vorfinden, das sie noch nicht kennen. Kunden möchten eine gute Zeit erleben, sich rundum wohlfühlen." Deshalb müsse der stationäre Handel seine Zielgruppe inspirieren und ihr einen Mehrwert schaffen, das Online-Shopping nicht bieten kann.
Es geht darum, das Einkaufserlebnis vor Ort attraktiver zu gestalten und die Umsätze direkt in die realen Ladenkassen zu lenken. Um einen Käufer zufriedenzustellen oder gar zu begeistern, reicht es heute nicht, auf bewährte Wege zu setzen. Ein Fachgeschäft darf nicht länger nur Verkaufsfläche sein, vielmehr muss es zum Erlebnisraum werden - ein Genuss mit allen Sinnen. Dazu gehören Sound- und Geruchskonzepte, ebenso wie die Produkte in Aktion zu erfahren und mit eigenen Händen zu begreifen. Wichtig für den Erfolg ist die "uneingeschränkte Fokussierung auf den Verbraucher; das Berühren der Herzen", erklärt Wolfgang Puff.
Den entscheidenden Erfolgsfaktor aber liefert der Mensch. Wolfgang Puff: "Wir haben Mitarbeiter, die Kundenwünsche verstehen und Service nicht als zusätzliche Belastung empfinden, sondern dieses als die vornehmste Aufgabe sehen." Bundesweit sind über drei Millionen Mitarbeiter in Voll- und Teilzeit sowie in einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis im Einzelhandel tätig.
Doch die regional verwurzelten, oftmals familiengeführten Geschäfte sind nicht nur wichtige Arbeitgeber, sondern auch bedeutende Impulsgeber für die Städte und Gemeinden. Ein funktionierender Handel dient letztlich auch der Attraktivität und Vitalität unserer Kommunen. Wolfgang Puff: "Wir brauchen faire Wettbewerbsbedingungen. Hier ist die Politik gefordert. Klein- und Kleinststädte stehen vor großen Herausforderungen. Mittel- und Oberzentren müssen kämpfen, den Status zu wahren, wohl wissend, dass sich Filialbetriebe nicht mehr aufhalten lassen."
Stärkung der Nahversorgung
Grundvoraussetzung sei erstklassige Ware zum fairen Preis in einem maßgeschneiderten Ambiente und vor allem der richtige Standort. Die Verlagerung der Einkaufsmöglichkeiten auf die grüne Wiese sei keine Lösung. Hier müsse ein Umdenken erfolgen. "Eine solche Politik zerstört nicht nur die gewachsenen Strukturen, sie destabilisiert die Nahversorgung und Einkaufsmöglichkeiten vor Ort", so der stellvertretende HBE-Hauptgeschäftsführer. Er finde es bemerkenswert, dass die Donau-Zeitung und Wertinger Zeitung die Initiative "Kauf vor Ort. Weil deine Stadt alles hat" ins Leben gerufen haben.
Wie aktuell das Ringen um den Kunden ist, zeigt die 42. HBE-Jahrestagung der Werbegemeinschaften und Stadtmarketingorganisationen am kommenden Montag in Kaufbeuren. In mehreren Fachvorträgen referieren Experten über digitale City-Initiativen, online-lokale Einzelhandelsförderung und innovative Plattformen. "Denn", so Puff, "nur wer aktiv mit diesem Trend umgeht, wird auch zu den Gewinnern gehören."
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