„Die Heimatzeitung öffnet ein digitales Schaufenster der Region“
„Mein Herz schlägt regional“: Interview mit Norbert und Johann Beck, Geschäftsführer der Firma Metatrain, über die aktuelle Situation im Bereich E-Commerce und die innovative Entwicklung „Click & Collect“
Die Donau Zeitung und Wertinger Zeitung haben die Aktion „Mein Herz schlägt regional im Landkreis Dillingen“ in Zusammenarbeit mit der Firma Metatrain – bekannt von der Service WM im Jahr 2012 – gestartet. Im Interview verraten die Metatrain-Geschäftsführer Norbert und Johann Beck, wie es aktuell um E-Commerce bei regionalen Firmen bestellt ist, welche Lösung Abhilfe schaffen könnte und wie eine innovative Entwicklung namens „Click & Collect“ der lokalen Wirtschaft helfen könnte, dem Internethandel zu trotzen.
Bei der Auftaktveranstaltung am 15. Juli hielten Sie den Vortrag „Artig oder Einzigartig – so besiegen Sie das Internet“. Wie ist denn aktuell die Stimmung? Muss das Internet tatsächlich besiegt werden?
Das Internet natürlich nicht. Die Internetkonkurrenz schon. Zumindest in der Region. Denn diese Konkurrenz frisst regionalen Unternehmen bereits jetzt einen großen Teil vom Umsatzkuchen weg. Dagegen gilt es sich zu wehren, sonst bleiben irgendwann nur noch ein paar Krümel für die regionalen Unternehmen übrig.
Sie präsentieren als Lösungsmöglichkeit „Click & Collect“. Was hat es damit auf sich?
Bei „Click & Collect“ geht es darum, als regional ansässiges Unternehmen im Internet präsent zu sein und die Kunden dann mit attraktiven Angeboten ins stationäre Geschäft zu holen. Click – also im Internet klicken & Collect – im stationären Geschäft dann „einsammeln“.
Welche Gründe sind ausschlaggebend für Kunden, „Click & Collect“ zu nutzen?
Zunächst kann ich bequem und ohne Rücksicht auf Ladenöffnungszeiten im Internet aussuchen und reservieren. Wenn es dann passt, hole ich zum Beispiel das Produkt im stationären Geschäft ab. Gefällt es mir nicht, lasse ich es da. Ich muss nichts zurückschicken und spare die Versandkosten. Gleichzeitig kann ich wieder ein echtes Einkaufserlebnis genießen. Nicht nur mit den Fingern auf der Tastatur.
In Großbritannien gibt es bereits positive Zahlen. Auch deutsche Unternehmen, wie Media Markt, Saturn, Karstadt, C&A oder Dehner, bieten „Click & Collect“ mittlerweile an. Wie stark wird „Click & Collect“ in Deutschland genutzt?
Bei den großen Unternehmen bereits sehr gut. Bei den kleineren und mittleren, regionalen Händlern noch kaum. Warum? Weil es unseres Erachtens bisher noch keine wirklich auf regionale Firmen zugeschnittene Lösungen gibt. Entweder tummeln sich auf den diversen angebotenen Plattformen vor allem die großen Unternehmen und Filialisten oder die regionalen Händler sind wieder dem ruinösen Preisvergleich im Internet ausgesetzt.
Das „Click & Collect“ System Snipda ist anders. Snipda ist speziell für regionale klein- und mittelständische Unternehmen gedacht und gemacht.
Haben Sie schon Erfahrungen, ob sich „Click & Collect“ für regionale Unternehmen mit stationären Geschäften auszahlt?
Die Untersuchungen, die für große Unternehmen vorliegen, zeigen, dass es sich in jedem Fall lohnt. Vor allem wegen des Zusatzkaufes, den die Kunden vor Ort tätigen. Mehr als 50 Prozent der Kunden kaufen zusätzlich beim Abholen der über das Internet reservierten oder bestellten Produkte.
Klar, wenn ich schon im Geschäft bin, dann nehme ich das ein oder andere Produkt noch mit. Das erspart mir Zeit, weil ich nicht noch andere Geschäfte aufsuchen muss. Selber haben wir das bei unseren Projekten in anderen Regionen erlebt, dass es sehr stark vom Angebot abhängt, ob Kunden bereit sind, sich auf den Weg zum stationären Geschäft zu machen. Klar, wenn nur ein Ladenhüter angeboten wird, das zieht niemanden aus der Internetwelt heraus.
Übrigens sprechen wir immer nur vom Handel. Natürlich können auch andere Branchen „Click & Collect“ effektiv nutzen. Die Gastronomie zum Beispiel, der Handwerker, der einen Energiecheck anbietet, der Friseursalon, der die Farbsträhnen zum Sonderpreis präsentiert, das Autohaus mit einer Autowäsche, die Metzgerei mit der besonderen Brotzeit, das Küchenstudio, das eine wertige Arbeitsplatte im Angebot hat.
Es ist eigentlich keine Frage, ob es funktioniert. Es ist nur eine Frage, wie kreativ das Angebot ist, wie lecker für die Internetkunden. Der Wurm muss auch hier dem Fisch schmecken und nicht unbedingt dem Angler.
Und welche Chancen bietet „Click & Collect“ kleinen, lokalen Unternehmen?
Natürlich können ebenfalls kleine, lokale Geschäfte profitieren – wenn sie es machen. Machen ist ausschlaggebend. Mit Snipda ist das schnell und einfach möglich. Snipda wurde nicht im digitalen Elfenbeinturm entwickelt, sondern ausgehend von der realen täglichen Praxis eines regionalen Unternehmers.
Kaum einer hat die Ressourcen, neben dem Tagesgeschäft effektiv E-Commerce zu betreiben. Anbindung an das Warenwirtschaftssystem, ständig Produkte einpflegen und heraus nehmen, dazu Waren einpacken und versenden, immer wieder Retouren zurück nehmen, zusätzliche Internetwerbung betreiben – wer soll das alles leisten? Viele, auch regional orientierte Plattformen, fordern aber genau das.
Da wird unseres Erachtens der fünfte Schritt vor dem ersten gemacht. Es geht doch darum, regionalen Unternehmern einen einfachen Weg ins Internet zu ebnen. Genau das macht Snipda. Jedes regionale Unternehmen kann sich ein attraktives, einzigartiges Produkt oder eine solche Dienstleistung zum attraktiven Preis ausdenken. Alles andere macht Snipda in Kooperation mit dem regionalen Zeitungsverlag. Einfacher geht es nicht.
Und schon ist der regionale Unternehmer mit einem leckeren Angebot im Internet präsent, mit dem er Kunden in sein stationäres Geschäft ziehen kann.
Welche Vorteile bietet es den Kunden?
Für den Kunden liegen die Vorteile auf der Hand. Er sucht bequem im Internet aus, wann und wo er will, reserviert ohne Risiko und kann dann ohne Stress um die Ecke abholen. Absolute Sicherheit herrscht beim Zahlungsverkehr, denn er zahlt ja vor Ort. Rückgabe erfolgt sofort, ohne Versandkosten.
Was übrigens immer mehr passiert, ist, dass Kunden beim Besuch in der Stadt das Smartphone zücken und nachsehen, was denn in der Nähe geboten wird. Wenn allerdings nur eine Angebotswüste zu finden ist, wird wieder schnell auf reine Internetshops zugegriffen. Wenn am Smartphone aber Angebote erscheinen, die es ringsherum sofort zu holen gibt, dann kann die Shoppingtour losgehen.
Mancher mag sagen: Für kleine Bestellungen, zum Beispiel eine DVD oder ein Buch, lohnt sich der Aufwand und der Weg zum lokalen Händler nicht. Wie können die Unternehmen hier überzeugen?
Sicher gibt es Kunden, die wegen einer DVD oder einem Buch nicht aus dem Haus gehen. Genauso gibt es aber Kunden, die Freude daran finden, im Laden bei den DVD‘s oder Büchern zu stöbern und sich mit freundlichem und kompetentem Fachpersonal auszutauschen.
Grundsätzlich geht es jedoch bei Snipda, wie oben erwähnt, um den ersten Schritt für die regionalen Unternehmen. Deshalb werden diese nicht mit ihrem gesamten Warenbestand im Internet präsent sein. Das ist für einen Großteil der regionalen Unternehmen gar nicht machbar. Deshalb überlegen sich die Händler ein einzigartiges Angebot, das es zum Beispiel in dieser Kombination nur bei ihnen gibt. Damit werden sie unvergleichlich. Auch im Internet.
Wenn viele Unternehmer in der Region mitmachen, dann entsteht ein attraktiver regionaler Internetmarkt, der Kunden wieder in die Stadt und in die Geschäfte zieht. Dort können die Firmen dann ihre Stärken ausspielen: Service, Beratung, Kompetenz, Qualität. Eben Dinge, die das Internet nicht so gut kann.
Es geht also in einem ersten Schritt darum, mit Produkten oder Dienstleistungen im Internet sichtbar zu sein und Kunden, die sonst im Internet kaufen, wieder in die stationären Geschäfte zu holen.
Bei der Aktion „Mein Herz schlägt regional im Landkreis Dillingen“, die die Donau Zeitung und Wertinger Zeitung zusammen mit Ihnen initiiert, ist „Click & Collect“ ein wichtiger Teil des Marketingkonzepts. Wie wird es umgesetzt?
Wir freuen uns besonders, dass hier der regionale Zeitungsverlag so nah an seinen Kunden ist und erkannt hat, welche Lösungen im Internet der Region wirklich weiterhelfen. Deshalb wird ja auch das „Click & Collect“ System Snipda eingesetzt.
Zusätzlich erhält der Kunde eine Print-Werbekampagne und eine PR-Kampagne. Print – PR – Internet in Kombination, gut aufeinander abgestimmt – das ist einmalig! Und das alles noch zu einem Preis, bei dem man nur von Subvention für regionale Kaufkraft sprechen kann. Schließlich geht es am Ende des Tages darum, Kaufkraft in der Region zu halten und damit Infrastruktur und Arbeitsplätze zu sichern.
In diesem Sinne eröffnet das Projekt „Mein Herz schlägt regional“ mit Snipda sozusagen ein digitales Schaufenster der Region, in das Unternehmer attraktive Angebote und Dienstleistungen legen. Und plötzlich mischen die regionalen Unternehmer gemeinsam kräftig im Internet mit.
Ist „Click & Collect“, bzw. Snipda, zukunftsfähig? Welche Möglichkeiten eröffnen sich oder sind Ihrer Meinung nach denkbar?
Wenn mit Snipda der erste Schritt getan ist, dann können wieder gemeinsam mit den regionalen Unternehmen weitere Schritte unternommen werden. So kann zum Beispiel eine größere Anzahl an Produkten eingestellt werden, bis dann irgendwann E-Commerce entsteht. Aber bitte nach und nach. Mit wenig Reiterfahrung setze ich mich ja auch nicht sofort auf einen überzüchtetes Rennpferd. Sinnvoller ist es, langsam loszureiten. Das bringt Erfahrung und Erfolg.
Bianca Herker
Infos in Kürze
Die beiden Brüder Johann und Norbert Beck sind die Erfinder der Service Weltmeisterschaft in Deutschland. In den letzten acht Jahren haben sie mehr als 5000 regionale klein- und mittelständische Unternehmen im Rahmen der Service WM begleitet. Durch die Auswertung von mehr als 500 000 Kundenbefragungen wissen die Brüder Beck, worauf Kunden und Konsumenten in Deutschland Wert legen.
Wie sich klein- und mittelständische regionale Unternehmen gegen das Internet zur Wehr setzen können, veröffentlichten sie in ihrem dritten Buch „artig oder einzigartig“.
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