Benedikt Höwedes: Vom Notnagel zum Dauerbrenner
Benedikt Höwedes fuhr ohne große Erwartungen nach Brasilien. Vor dem WM-Finale am Sonntag hat er sämtliche Partien von der ersten bis zur letzten Minute bestritten.
Benedikt Höwedes in den engen Kreis jener Spieler aufzunehmen, die das Gesicht der deutschen Mannschaft in Brasilien geprägt haben – es wäre wohl etwas zu gut gemeint mit dem Verteidiger des FC Schalke. Wer dagegen nach einem Spieler sucht, der all das verkörpert, was die deutsche WM-Expedition von der Vorbereitung bis zum Tag des Finales hinter sich gebracht hat, der ist bei Höwedes genau richtig.
Wie die Mannschaft, so ist auch der 28-Jährige mit Rückstand gestartet. Ein Muskelbündelriss hatte ihn vor der WM weit zurückgeworfen. Höwedes stand bestenfalls am Rande der Auswahl für die WM. Er hat es nach Brasilien geschafft, ohne dass klar war, was der Bundestrainer mit ihm dort eigentlich wollte.
Höwedes: "Bin keiner, der Flanken schlägt"
Höwedes ist Innenverteidiger. Kopfball- und Zweikampfstark. Einer, der sich in einem Angreifer verbeißt, der weggrätscht und abräumt. Das Spiel nach vorne überlässt er anderen. Das ist auch besser so. Da widerspricht er nicht. „Defensiv erfülle ich meine Aufgaben, aber ich bin keiner, der ständig nach vorne geht und dort Flankenbälle schlägt“, sagt er von sich selbst.
Für ein Bewerbungsschreiben auf einen der beiden Plätze in der Innenverteidigung war das allerdings zu wenig. Per Mertesacker, Mats Hummels und Jérôme Boateng standen weit vor Höwedes. Der Schalker war lediglich die Nummer vier.
Felix Magath: "Höwedes ist klein Linksverteidiger"
Trotzdem stand Höwedes beim 4:0-Auftaktsieg gegen Portugal in der Viererkette. Nicht in der Innenverteidigung, sondern auf einem Außenposten. Dort, wo Fußball-Deutschland seit Jahren einen Mangel verwaltet, verteidigte ein Ungelernter. Für Felix Magath, ehemaliger Höwedes-Trainer beim FC Schalke, eine Fehlbesetzung. „Höwedes ist kein Linksverteidiger. Er hat nicht die Fähigkeiten, auf dieser Position das Spiel positiv zu beeinflussen. Insofern halte ich die Entscheidung, ihn dort spielen zu lassen, für falsch“, grummelte Magath.
Aber Höwedes kann sich in eine Aufgabe verbeißen, wie in einen Stürmer. Da ein „Zu-null-Sieg“, wie der gegen Portugal, für jede Abwehr eine Empfehlung ist, war Höwedes auch gegen Ghana von Anfang an dabei. Leider, könnte man sagen. Die ersten 45 Minuten gegen die Afrikaner waren das Schwächste, was die deutsche Elf bei dieser WM geboten hat. Höwedes, der inzwischen dazugehörte, war ein Teil von allem. Aber nicht lange.
Neben Philipp Lahm als einziger über die volle Distanz dabei
Die Mannschaft und ihr ungelernter Außenverteidiger haben sich wieder aus dem Loch gekämpft, fielen gegen Algerien in ein neues und kamen gegen Frankreich wieder stabilisiert zurück. Höwedes war immer dabei. Vor dem Finale ist er neben Philipp Lahm der einzige Feldspieler, der in allen Partien bis zum Schlusspfiff dabei war. „Unfassbar“, sagt er selbst dazu. Schließlich hat er ja selbst gemerkt, dass die Umschulung vom Innen- zum Außenverteidiger nicht so geschmeidig verlief, wie er sich das gewünscht hatte: „Ich hab schon ein bisschen gebraucht, um mich in die Position reinzufinden“, räumt er ein.
Andererseits ist er selbstbewusst genug, seinen Anteil am deutschen Finaleinzug nicht kleinzureden. „Ich hab’s wohl ganz gut gemacht, sonst hätte ich nicht immer gespielt.“ Höwedes darf sich vor dem Finale zu den WM-Gewinnern zählen, weshalb er sich eine Retourkutsche in die Richtung von Felix Magath nicht verkneifen mochte: „Was irgendwelche Ex-Trainer sagen, ist mir egal, wichtig ist für mich, was Jogi Löw sagt.“ Der Bundestrainer wird sagen, dass Höwedes, der Ungelernte, auch im Finale wieder Außenverteidiger spielen wird.
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