Cacau und Andreas Luthe zeigen, wie Sport Rassismus überwindet
Ex-Nationalspieler Cacau und FCA-Torhüter Andreas Luthe glauben fest daran, dass der Massensport Fußball helfen kann, Rassismus zu überwinden.
Es war dieser eine Moment am 13. Juni 2010 im Moses-Mabhida-Stadion im südafrikanischen Durban, als plötzlich noch einmal an Claudemir Jerônimo Barreto sein bisheriges Leben vorbeilief. Barreto, auch Cacau genannt, hatte in der 70. Minute nur 110 Sekunden nach seiner Einwechslung den 4:0-Endstand für Deutschland im WM-Vorrundengruppenspiel gegen Australien erzielt.
Wie Cacau mit dem Fußball sein Leben aufgebaut hat
„In diesem Augenblick ist meine ganze Geschichte in Sekunden noch einmal abgelaufen, die Armut, mein Start in Deutschland, alles“, erzählt Cacau, 36. Er ist nach Augsburg gekommen, um auf Einladung des Friedensbüros der Stadt zusammen mit FCA-Torhüter Andreas Luthe, 30, über die integrative Kraft des Fußballs zu sprechen. „Ein Ball. Ein Spiel. Ein Team. Integration durch Fußball“ steht auf der Leinwand.
Wohl kein anderer Fußballer verkörpert diese Kraft mehr als Cacau. In Mogi das Cruzes, in der Nähe von São Paulo, wachsen er und seine zwei Brüder in Armut auf. Der Vater Alkoholiker, versuchte die Mutter als Putzfrau ihre drei Kinder über Wasser zu halten. „Wir hatten oft nicht einmal genug zu essen. Fußballspielen war meist die einzige Freude“, erzählt Cacau.
Doch Fußball war mehr. Er öffnete ihm das Tor zu einer anderen Welt. Mit 19 bekommt der gläubige Christ, vermittelt von seinem Onkel, beim damaligen fünftklassigen Türk Gücü München einen Vertrag. Er nutzt die Chance. Er lernt schnell Deutsch. „Ich habe mir ein Buch und eine CD gekauft und in meinem Zimmer immer gelesen und die CD gehört. Sprache ist das A und O. Ich wollte verstehen, was der Trainer von mir will.“ Ein Jahr später wechselte er zu den Amateuren des 1. FC Nürnberg und schaffte von dort den Sprung zu den Profis. 2003 holte ihn der VfB Stuttgart. Das Fußball-Märchen ging weiter. Er wird mit dem VfB 2007 deutscher Meister, er spielt Champions League, Europa League, wird Nationalspieler.
Seine Kinder kommen hier zur Welt. 2009 erhält er die deutsche Staatsbürgerschaft. Im Herbst 2016 beendet er nach über 300 Bundesligaspielen seine Karriere. Er lebt mit seiner Familie in der Nähe von Stuttgart, hat ein Sportmanagement-Studium abgeschlossen und die Trainer-A-Lizenz absolviert. Auf Honorarbasis versucht er nun als DFB-Integrationsbeauftragter, etwas zurückzugeben.
Auch für Andreas Luthe ist der Fußball etwas besonderes
Der Weg von Andreas Luthe, 30, war ganz ein anderer. Behütet wächst er in Nordrhein-Westfalen auf. Fußball ist für ihn nur Zeitvertreib. „Ich wollte einfach mit meinen Freunden kicken, um rauszukommen. Bei mir war es von Tag eins an völlig normal, mit Kindern aus verschiedenen Ländern zusammenzuspielen“, sagt Luthe.
Fußball war für ihn kein Weg aus der Armut. Doch Luthe ist sich bewusst, wie privilegiert er als Profi-Fußballer ist, dass er beim VfL Bochum und jetzt beim FCA sein Hobby zum Beruf gemacht hat. „Ich will etwas zurückgeben“, sagt er. Er gründet zusammen mit seinem ehemaligen Torhüter-Kollegen Jonas Ermes den Verein „In save hands“.
Durch niedrigschwellige Sport- und Bildungsangebote schafft er Begegnungsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche und setzt Fußball als Instrument der Integration ein. „Wenn man den Ball in einen Pulk von Kindern wirft, dann merkst du nach ein paar Momenten nicht mehr, wer woher kommt“, sagt er. Luthe vermittelt aber nicht nur Spaß, sondern auch Werte wie Disziplin, Anstand, Kameradschaft.
Cacau und Luthe glauben daran, dass Fußball über alle Grenzen hinweg dazu beitragen kann, dass Menschen sich begegnen und kennenlernen – auch wenn sie andere Sprachen sprechen oder sich kulturell oder religiös unterscheiden. Cacau arbeitet auf der Verbandsschiene, Luthe im freien Bereich.
Sie sind aber nicht blauäugig. Sie wissen, dass es auch im Fußball Rassismus auf dem Platz oder auf den Zuschauerrängen gibt und dass der Fußball nicht das Allheilmittel ist. Aber für sie ist klar: Man muss etwas dagegen tun. „Ich denke nicht an Probleme, sondern an Lösungen“, sagt der FCA-Torhüter.
Und Cacau ist sich sicher: „ Man darf die Vereine nicht überfordern, aber sie wissen um ihre Verantwortung, darum müssen wir sie unterstützen.“ Denn: „Es gibt viel mehr positive Beispiele als negative, wie sich Leute gerade über Fußball integrieren. Die wollen und müssen wir öffentlich machen.“
Und dann erinnert er noch einmal an den 23. Juni 2010 in Durban, als er zusammen mit Mesut Özil sein Tor bejubelte. „Zwei Deutsche, ein Christ, ein Moslem, ein Türke und ein Brasilianer bejubeln ein Tor für Deutschland. So ist Deutschland. Fußball verbindet. Es ist schön, dass es solche Momente gibt, die zeigen, dass es funktionieren kann. Es kann gut gehen. Man muss nur wollen und die Vorurteile abbauen.“
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