Das Spiel ihres Lebens
Finale! Zwei ungleiche Nationen gespickt mit Stars, über denen die Mannschaft steht. Die Franzosen sind favorisiert – das stört die Kroaten aber überhaupt nicht. Für beide Teams sprechen jeweils ein paar Vorteile
Grande Nation oder kleines Kroatien – im Spiel ihres Lebens wollen Frankreich und der Überraschungsfinalist vom Balkan ihr russisches Sommermärchen krönen. Aber nur einer kann am Sonntagabend im Moskauer Luschniki-Stadion die Nachfolge des entthronten Titelverteidigers Deutschland antreten und sich in den Party-Marathon stürzen. „Es ist mir völlig egal, wie: Ich will diesen Stern!“, sagt Frankreichs Antoine Griezmann vor dem Finale der Fußball-WM mit einem Milliarden-Publikum vor den Fernsehern (17 Uhr ZDF).
Weil die Kroaten diesen Stern aber wahrscheinlich genausao gerne haben dürften, ist nicht anzunehmen, dass der Weg zum Sieg ohne ein Mindestmaß an Mühe zu bewältigen ist. Beide Teams haben einige Vorteile auf ihrer Seite.
Was für Frankreich spricht
Frankreich geht mit einem Spiel weniger Belastung ins Finale als der Gegner, der in den letzten 14 Tagen dreimal durch die Verlängerung musste. Dazu haben die Franzosen einen Tag länger Regenerationszeit nach dem Halbfinale.
Alle Spieler Frankreichs sind internationale Spitzenklasse. Nicht nur Stars wie Pogba, Griezmann, Matuidi – sondern auch die Viererkette, auch deren Außenverteidiger. Gerade Letzteres ist beim Gegner nicht der Fall.
KylianMbappé: Der 19-Jährige wird deutlich mehr Tempo auf den Platz bringen können als jeder Kroate – und deren nicht allzu sprintstarke Abwehr hatte gegen die Engländer Dele Alli und Raheem Sterling schon massive Probleme.
Gefühlt waren die Franzosen erst einmal in dieser K.-o.-Runde richtig gefordert: Als sie gegen Argentinien 1:2 zurücklagen. Beeindruckend, wie sie dann zum 4:2 aufdrehten, um 4:3 zu gewinnen – und in den Spielen danach den Eindruck hinterließen, immer noch zulegen zu können.
Didier Deschamps ist ein Defensivstratege. Wie er durch den taktischen Kniff des Rückzugs von N’golo Kanté fast in die Viererkette Belgiens Offensivwaffe RomeluLukaku völlig aus dem Spiel nahm, war eine taktische Meisterleistung.
Was für Kroatien spricht
Wer in drei K.-o.-Spielen bei der WM hintereinander 0:1 zurückliegt und dennoch jedes Mal weiterkommt, muss keine Fragen nach der Moral befürchten – und glaubt wirklich daran, auch im Finale Berge versetzen zu können.
Kroatien hat in jeder seiner K.-o.-Partien im Spielverlauf die Intensität seines Spiels gesteigert – und gerade mit Konsequenz und Ausstrahlung in den Zweikämpfen alle Gegner beeindruckt.
Wie der Zehner der Kroaten in jenen K.-o.-Spielen mit fortschreitender Spieldauer das Heft des Handelns immer mehr an sich riss und mit präzisen Pässen nach vorn den Druck auf die gegnerische Abwehr hochhielt –Weltklasse.
Die Passsicherheit von Ivan Rakitic, die Dribblings von Ante Rebic, die Wucht von Ivan Perisic und die Coolness von Mario Mandzukic – Waffen, die jede Abwehr vor Herausforderungen stellen.
Kroatien darf sich auf massive Unterstützung von den Landsleuten freuen, die jetzt schon die größte Leistung ihrer Nationalelf aller Zeiten feiern – und einen höheren Dezibelwert produzieren werden als Frankreichs Anhänger. Dazu dürften sich viele Russen auf die Seite Kroatiens schlagen.
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