Der Sport hat sich mit Skandalen selbst ins Abseits manövriert
Hamburg ist als Olympia-Bewerber nicht nur an der Grundskepsis der Bürger, sondern auch an der internationalen Großwetterlage gescheitert.
Die Hamburger haben Nein zu Olympia gesagt. Das Misstrauen vieler Hanseaten triumphierte im Referendum über die Begeisterung der Sportler. Es wird im Jahr 2024 keine Sommerspiele an der Elbe geben, das Rennen machen Los Angeles, Rom, Paris oder Budapest. Sie verzichten darauf, sich mit einer Bürgerbefragung aufs Glatteis zu begeben. Es sind ehrenwerte Bewerber und keine diktatorischen Regime. Die Spiele können also einen glanzvollen Rahmen bekommen.
Dass Olympia in Deutschland nicht mehr hoch im Kurs steht, musste bereits München vor zwei Jahren erfahren, als der Gastgeber von 1972 im Bemühen um Winterspiele vergeblich um die Gunst der Menschen geworben hatte.
Sportfeste diese Größenordnung werden von vielen grundsätzlich als bedenklich eingestuft
Auch Hamburg erlebte bei der Abstimmung, dass Sportfeste dieser Größenordnung hierzulande von vielen mittlerweile grundsätzlich als bedenklich eingestuft werden. Das hat damit zu tun, dass führende Organisationen des Spitzensports inzwischen in einer Glaubwürdigkeits-Rangliste zwischen dem Sudan und Somalia eingestuft werden. Der Fußball-Weltverband Fifa ist bereits seit Monaten Hauptdarsteller in einem Kriminalfall, der Deutsche Fußball-Bund (DFB) musste zur Kenntnis nehmen, dass bei der Aufarbeitung seines WM-Sommermärchens 2006 selbst Lichtgestalten wie ein Franz Beckenbauer viel an Strahlkraft verlieren.
Die Liste der Skandale ist lang: Die Leichtathleten kämpfen damit, dass in Ländern wie Russland systematisches Doping zum Programm gehörte. Der Radsport hat mit dem früheren Seriensieger Lance Armstrong den Lügenbaron der Sportgeschichte in seinen Reihen. Das alles passt nicht zur Heile-Welt-Philosophie des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), das ebenfalls bereits einige Korruptionsaffären hinter sich hat. Viele Menschen hierzulande glauben, dass die Spiele vor allem einen Zweck haben – die Kassen der Verbände zu füllen und die Kosten überwiegend den Gastgebern aufzubürden.
Olympia hätte Hamburg nach vorne gebracht, aber um welchen Preis? Bei der Antwort auf diese Frage wollten sich die Hanseaten in der Mehrheit nicht auf die Hochglanzbroschüren der Befürworter verlassen, die für die Spiele 11,2 Milliarden Euro veranschlagten. In Deutschland ist generell die Liebe zum Status quo sehr ausgeprägt. Das Prinzip des Verharrens gilt mehr als Zukunftsprojekte einschließlich Blankoscheck.
Grundskepsis hat Konjunktur
Die Grundskepsis hat Konjunktur. Den Politikern wird schon lange kein sorgsamer Umgang mit Steuergeld mehr zugetraut. Die Elbphilharmonie, der Berliner Großstadtflughafen und Stuttgart 21 lassen grüßen. Da auch die Kostenbeteiligung des Bundes bis Sonntag noch nicht geklärt war, fanden die Olympia-Gegner mit ihren Argumenten vom finanziellen Fass ohne Boden Gehör. Unter dem Eindruck des Terroranschlags von Paris konnte mancher Hamburger wohl auch nicht glauben, dass die Sicherheit rund um die Spiele zu der veranschlagten Summe zu haben sein würde.
Für den deutschen Spitzensport war das Ergebnis ein Tiefschlag. Ein Bewerber Hamburg hätte jene Aufbruchstimmung erzeugt, die in vielen Sportarten fehlt. Entsprechend enttäuscht reagierten viele Athleten. Der Traum von den Olympischen Spielen ist für viele Jahre ausgeträumt, aber als Trost bleibt voraussichtlich ein anderes Großereignis: Der Favorit für die Fußball-EM heißt Deutschland – und diese Art der sportlichen Unterhaltung ist zwischen Flensburg und Füssen ohnehin am beliebtesten.
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