Die Genugtuung
Bei den Bahnrennen konnte Michael Teuber seine Konkurrenten nicht mehr bezwingen. Beim Zeitfahren auf der Straße aber spielte er seine Erfahrung aus und holte Gold
London Tobias Graf lag völlig erschöpft auf dem Asphalt und konnte es fast nicht glauben – Michael Teuber dagegen riss siegesgewiss schon vor der Ziellinie den rechten Arm in die Höhe. Auf dem legendären Kurs von Brands Hatch sind die beiden Radsportler gestern zu paralympischem Doppel-Gold im Zeitfahren gerast und haben die deutsche Medaillenbilanz weiter aufpoliert. „Was für ein fantastisches Rennen“, jubelte Teuber mit schwarz-rot-goldener Flagge auf den Schultern. Noch an der Strecke hatte er Frau und Tochter umarmt, Frust und Anspannung aus den Bahn-Rennen waren verflogen. „Das ist der größte Moment in meiner Karriere!“ Nach Athen und Peking gewann der extrovertierte Bayer sein drittes Zeitfahr-Gold in Serie.
Davon ist Graf noch ein Stück entfernt; eher zögerlich nahm der Baden-Württemberger nach 16 Kilometern auf dem Rundkurs etwas außerhalb von London die Glückwünsche entgegen und fand nur schwer Worte für den wichtigsten Erfolg seiner Karriere. Auf eine große Feier mussten Graf und Teuber verzichten. Am heutigen Donnerstag steht das Straßenrennen auf dem Programm, wieder in Brands Hatch.
Ungezügelte Freude auf dem Podest
Chancen rechnet sich Teuber dabei nicht aus. Die Strecke, auf der früher Formel-1-Piloten wie Niki Lauda und Jack Brabham jubelten, hat er aber ins Herz geschlossen. „Das war das beste Rennen, das wir im Paracycling je hatten“, fand der zum Teil gelähmte Bayer. Auf dem Siegerpodest konnte er seine Freude kaum zügeln, euphorisch verteilte er Kusshände ins Publikum und sang die Hymne laut mit.
Genugtuung verschaffte dem Routinier vor allem die Tatsache, Mark Colbourne aus Großbritannien und den Chinesen Li Zhang Yu auf die Plätze verwiesen zu haben. Beide hatten zuletzt Teubers Zeiten auf der Bahn pulverisiert, nachdem sie der Weltverband UCI zum Ärger des Deutschen in dessen Behinderungsklasse gesteckt hatte. Unter diesen Umständen sah er keine Siegchancen mehr und beendete Anfang der Woche seine Karriere im Oval.
„Diese muskelbepackten Kerle doch noch geschlagen zu haben, mit meinen Beinchen, mit meiner Ausdauer und mit meiner Kraft, das freut mich unheimlich“, betonte Teuber. „Ich konnte meine 15-jährige Erfahrung ausspielen. Ein Jahr Arbeit hat sich ausgezahlt.“
Teuber, der in Dietenhausen im Landkreis Dachau wohnt, ist Profisportler. Unter anderem ist er Mitglied bei der RSG Augsburg. Er hat bereits 18 Weltmeister-Titel in verschiedenen Radsport-Disziplinen gewonnen. Bei Paralympics holte er 2004 zwei Goldmedaillen und 2008 eine. Daneben hält Teuber Vorträge zu den Themenbereichen Motivation und Selbstdisziplin.
Teuber hatte 1987 bei einem Autounfall eine inkomplette Querschnittslähmung erlitten. Das heißt, er ist unterhalb des Kniegelenks gelähmt, in den Oberschenkeln konnte er sich etwa zwei Drittel der ursprünglichen Muskelkraft wieder antrainieren.
Der frühere Formel-1-Fahrer Alessandro Zanardi hat gestern die Goldmedaille im Zeitfahren mit dem Handbike (ein Fahrrad, das per Handkurbel angetrieben wird) gewonnen. Der Italiener, der bei einem Rennunfall 2001 auf dem Lausitzring beide Beine verloren hatte, setzte sich vor dem Deutschen Norbert Mosandl durch.
Schwimmerin Kirsten Bruhn aus Neumünster hat die 13. Goldmedaille für das deutsche Team geholt. Sie gewann nach 2004 und 2008 über 100 Meter Brust. Silber ging ebenfalls über 100 Meter Brust an Niels Grunenberg aus Berlin. Torben Schmidtke aus Potsdam hat Silber über 100 Meter Brust gewonnen. Die Sprinterinnen Maria Seifert und Jana Schmidt sowie Speerwerferin Martina Willing haben jeweils Bronze gewonnen.
Ein erster Dopingfall
Gestern ist der erste Dopingfall im Umfeld der Paralympics bekannt geworden. Ein brasilianischer Gewichtheber wurde für neun Monate gesperrt. Er war bereits vor Beginn der Spiele positiv auf ein Abführmittel getestet worden, das zur Verschleierung von Dopingsubstanzen dienen kann. Er durfte in London nicht mehr antreten. (dpa, AZ)
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